Herr Barroso hat recht: Europa steht am Scheideweg, ob wir in nationale Interessen zerfallen und den Märkten die größte zivilisatorische Leistung nach dem Zweiten Weltkrieg unter ordnen oder ob wir die Erfolgsgeschichte von Wachstum durch Solidarität in Europa fortsetzen.
Wir wollen eine Europäische Union, die durch Solidität in So lidarität unseren Wohlstand nachhaltig sichert. Baden-Würt temberg war immer eine Keimzelle Europas. Dies setzen wir fort.
Bevor ich den Abge ordneten das Wort zur Aussprache erteile, möchte ich noch Folgendes bekannt machen:
Meine Damen und Herren, heute haben die Herren Kollegen Stober und Wolf Geburtstag. Ich gratuliere ihnen im Namen des ganzen Hauses und wünsche ihnen alles Gute.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (Anlage 1). Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.
Wir kommen jetzt zur Aussprache über die Regierungserklä rung. Das Präsidium hat hierfür eine Redezeit von 15 Minu ten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gel ten.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Wir feiern heute das 60-JahrJubiläum des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfas sungsgericht verfügt über eine hohe Autorität; es genießt gro ße Anerkennung, und es hat auch wichtige Urteile zu Europa und zur Integrationsfreundlichkeit gefällt. Deshalb ist es, glau be ich, gut, dass wir gerade den heutigen Tag für diese Aus sprache gewählt haben und eine Regierungserklärung dazu hören konnten; denn aktueller als an diesem Tag könnten wir nicht sein.
Zum Zweiten wurde vorhin bekannt gegeben, dass in BadenWürttemberg mit 6,5 % das höchste Wachstum in Deutsch land im ersten Halbjahr bilanziert worden ist. Das ist unsere Abschlussbilanz.
Das ist auch ein Verdienst Europas. Ich glaube, es ist auch ei ne gute Messlatte, an der wir gerade in einem Land, das im
mer Exportweltmeister war, die Bedeutung Europas ablesen können; darauf wurde hingewiesen. Wir haben ein Bruttoin landsprodukt von 360 Milliarden € pro Jahr. 150 bis 160 Mil liarden € werden im Export erzielt, und zwar 107 Milliarden € im Export in die EU und davon 60 Milliarden € im Export in die Länder der Eurozone. Allerdings ist dieser Anteil im Ver hältnis nicht gestiegen. Vielmehr ist der Export in die Schwel lenländer gestiegen.
Wir haben natürlich auch deshalb Erfolg, weil die baden-würt tembergische Wirtschaft stark ist, weil im Bereich des Ma schinenbaus, des Fahrzeugbaus, der Elektrotechnik große Er folge erzielt werden. Das sind die Produkte. Insoweit haben wir, glaube ich, eine gute Ausgangsbasis, um gerade an einem solchen Geburtstag wie heute auch über den Stolz dieses Lan des zu sprechen und zu betonen, dass es neben Euro und Eu ropa vor allem die exzellenten Produkte unserer Flaggschiffe und Weltmarktführer sind, die uns Wachstum und Wettbe werbsfähigkeit bescheren.
Ich bin überzeugt, dass, wenn wir auf die letzten 60 Jahre zu rückblicken, gerade ein Land wie Baden-Württemberg mit Stolz darauf verweisen kann, dass es immer ein Land in der Mitte Europas war, mit großem wirtschaftlichem Erfolg, ein Land im Herzen Europas, und dass wir dieses Europa mit Ba den-Württemberg auch mitgestaltet haben. Wir haben es schon mit Lothar Späth gestaltet, der ein Europa der Regionen mit konzipiert hat, mit Erwin Teufel, der im europäischen Verfas sungskonvent mit federführend war,
und auch mit Günther Oettinger, der heute erfolgreicher EUKommissar ist. Mit den Regierungen unter Mappus und Oet tinger haben wir die Donauraumstrategie initiiert. Sie war un sere Erfindung und Idee. Wir haben sie sicherlich auch erfolg reich auf den Weg gebracht. Ich selbst habe zu Donaukonfe renzen nach Brüssel eingeladen und war Berichterstatter im Ausschuss der Regionen der Europäischen Union in Brüssel. Es gibt viel Zusammenarbeit am Hochrhein und am Boden see.
Baden-Württemberg ist ein Land und Motor Europas. Die letz ten 60 Jahre standen wir immer für Europa. Deshalb will ich auch vorab sagen: Die CDU-Fraktion steht für Europa, sie steht für den Euro, und sie steht auch als Europapartei zu Eu ropa. Das will ich vorwegschicken.
Aber in diesen Tagen muss man auch die Sorgen, die uns be wegen, artikulieren. Meine Damen und Herren, ich glaube, man darf im Duktus der Regierungserklärung nicht nur sagen: „Wir sind euphorisch für Europa“ und die Themen, die mit Risiken verbunden sind, einfach ausblenden. Wenn wir die Bürger mitnehmen wollen – das wird zu Recht gefordert –, dann müssen wir auch offen und transparent über die Heraus forderungen und Risiken sprechen, die mit diesem Weg ver bunden sind. Deshalb, glaube ich, muss man es ernst nehmen – dazu wurde nichts gesagt –, wenn wichtige Personen der Eu
ropäischen Zentralbank oder früher der Deutschen Bundes bank, wie Otmar Issing, heute darauf hinweisen und sagen: Griechenland wird es nicht schaffen können. Das kann man nicht einfach ausblenden, sondern muss es ehrlich ansprechen, beim Namen nennen, und nicht mit Lyrik darüber hinwegge hen.
Deshalb, Herr Minister, möchte ich Ihnen vorab sagen: Die Mitwirkungsrechte über den Bundesrat gestehen wir Ihnen als Forderung zu; da unterstützen wir Sie. Sie stehen Ihnen zu. Für diese Rechte habe auch ich immer gekämpft. Ich finde, es ist das gute Recht der Länder und des Organs Bundesrat, dass sie unterrichtet werden. Das halte ich für eine Notwendigkeit, eine Selbstverständlichkeit. Da haben Sie uns auf Ihrer Seite.
Hier geht es darum, wie wir den Herausforderungen beim The ma Euro begegnen, wie wir diesen Themen begegnen, denen wir jetzt ausgeliefert sind. Glauben Sie selbst, dass Griechen land alles zahlen kann, was im Moment ansteht? Das ist doch die entscheidende Frage. Der Punkt war doch, dass wir beim Pakt – –
Herr Kollege Schmiedel, ich komme gleich auf das Prob lem, das wir haben, auf diesen Punkt zu sprechen. Es gab ei nen europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt, und es gibt ihn noch immer. Das Europaparlament hat heute, genau an diesem Tag, zu Recht die Verschärfung dieses Pakts beschlos sen. Das unterstützen wir. Aber es gibt natürlich ein Problem, das wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen dürfen. Denn der Wachstumspakt hatte eine Geschäftsgrundlage. Das waren zum einen die No-Bail-Out-Klausel und zum Zweiten auch die Kriterien von Maastricht. Jetzt müssen wir natürlich sagen: Es ist eben die damalige rot-grüne Regierung, die ei ne Mitverantwortung dafür trägt,
dass trotz aller Warnungen – auch der Warnungen der EZB – Griechenland damals in die Europäische Währungsunion auf genommen wurde.
Deshalb, glaube ich, dürfen wir nicht so locker darüber hin weggehen, sondern müssen dies auch ehrlich und ernsthaft beim Namen nennen. Die Bedenken muss man ernst nehmen; denn auch die Entwicklungen in Griechenland sind das Er gebnis einer jahrzehntelangen, von unterschiedlichen Regie rungen gepflegten Politik des Schuldenmachens. Im Grunde genommen weiß derjenige, der in dieser Frage tiefer analy siert, dass wir an dem Punkt angekommen sind,
an dem die Schuldenmacherei ein Ende haben muss. Wir ha ben keine Eurokrise, wir haben eine Staatsschuldenkrise. Das ist das Problem, über das wir uns unterhalten müssen.
Herr Kollege Reinhart, Sie ha ben gerade kritisiert, dass die rot-grüne Bundesregierung der Aufnahme Griechenlands in die Eurozone zugestimmt hat. Können Sie uns erklären, weshalb auch die CDU im Europa parlament genau dieser Aufnahme zugestimmt hat?
Herr Kollege Schmie del, genau das ist der Punkt. Wir wollen zum einen keinen eu ropäischen Superstaat. Zum anderen müssen wir auch aus der Sicht des Nationalstaats und des Landes Verantwortung wahr nehmen – so, wie es übrigens das Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Warum sage ich das?
An die Stelle der Macht und ihrer Manipulierung, an die Stelle des Gleichgewichts der Kräfte, des Hegemoniestre bens und des Spiels der Allianzen tritt zum ersten Mal die Herrschaft des Rechts.