Protocol of the Session on May 6, 2015

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Reith.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Lassen Sie mich abschließend ganz kurz auch bestätigen, wie es mich freut, dass hier nicht nur ein Schulterschluss bezogen auf das Gedenken an den 8. Mai 1945 herrscht, sondern dass hier auch ein Schulterschluss ge gen die Kräfte, die unsere Demokratie und den europäischen Geist gefährden, herrscht. Das ist keine neue, aber eine sehr wichtige Erkenntnis. Das ist etwas, was wir immer wieder be kräftigen müssen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, darzustellen – ich habe es vorhin schon erwähnt –, dass es eine unserer Aufgaben sein wird, die Erinnerungen aufrechtzuhalten. Es wird eine Aufga be sein, der jungen Generation das Gedenken an diesen Tag, an diese Zeit weiterzugeben.

Hierfür besteht beispielsweise am kommenden Freitag eine Gelegenheit. Wir haben hier im Parlament eine Europa-Ju gendveranstaltung. Das ist eine Gelegenheit, um der jungen Generation dies weitergeben zu können. Die Veranstaltung steht unter dem Motto: „Europa – unsere Zukunft“ – ohne Satzzeichen. Ich würde mir wünschen, dass hier in der Hal tung, in der Wahrnehmung „Europa – unsere Zukunft“ mit ei nem Ausrufezeichen steht. Der Untertitel lautet: „Was bringt mir Europa?“ Natürlich ist es wichtig, darüber zu diskutieren

auch im Rückblick darauf, was Europa uns gebracht hat. Das haben wir heute in unserer Aktuellen Debatte besprochen; dabei waren wir uns einig.

Es wäre schön, wenn hier dann eine Erkenntnis zutage kommt und wenn wir und auch die nachfolgende Generation es schaf fen, uns nicht nur zu fragen: „Was bringt mir Europa?“, son dern auch: „Was kann ich für Europa tun?“ Dann sind wir ein großes Stück weitergekommen. Wenn wir dies schaffen, kom men wir dabei, unsere Herausforderungen – sie wurden ange sprochen – zu bewältigen, mit Sicherheit schneller voran.

Ich freue mich auf Freitag. Kollegin Haller-Haid, Kollege Frey und auch Kollege Reinhart werden bei der Podiumsdis kussion mit dabei sein. Das wird sicherlich eine schöne Ver anstaltung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktu elle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung der Landesre gierung vom 2. April 2015 – Bericht über aktuelle europa politische Themen – Drucksachen 15/6719, 15/6758

Berichterstatterin: Abg. Rita Haller-Haid

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Professor Dr. Reinhart.

Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der Europabericht ist heute chronologisch optimal an die soeben geführte Debat te angegliedert.

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.

Wir haben eben eine Stunde lang über die große Vergangen heit der Europäischen Union und der Europäischen Gemein schaft gesprochen. Dabei ist, glaube ich, klar geworden, dass es immer wieder erneut darum geht, sich auf diese Wurzeln zu besinnen und Europa damit vor allem auch im Lichte der heutigen Herausforderungen zu betrachten. Dem dient auch der vierteljährliche Europabericht, über den wir hier sprechen.

Wenn wir auf den 8. Mai 1945 unter dem Aspekt zurückge blickt haben, dass sich am Freitag zum 70. Mal der Tag der Befreiung jährt, liegt dem der Gedanke zugrunde: nie wieder Krieg, sondern Aussöhnung mit den Feinden, die Freunde ge worden sind.

An einem solchen Tag muss man auch daran erinnern, dass am 8. Mai 1949 die Verfassung verabschiedet wurde, übrigens

vom Parlamentarischen Rat unter dem Vorsitzenden Konrad Adenauer. Konrad Adenauer, der schon im Widerstand mit an deren die Idee geboren hatte, dass überkonfessionell eine neue Volkspartei und ein geeintes Europa notwendig wird, hat ein mal gesagt:

Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wur de eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendig keit für uns alle.

Das ist heute genauso aktuell gültig wie damals, vor 70 Jah ren. Denn all die Themen, die uns heute bewegen und die auch im Europabericht angesprochen werden, beleuchten genau diese Herausforderungen. Europa hat sich übrigens immer dann weiterentwickelt, wenn es an einem Scheideweg stand, wenn es Krisen gab. Aus diesen Krisen heraus wurden neue Lösungen des Fortgangs gefunden. Jemand hat einmal ge schrieben:

Europa ist wie ein Fahrrad: Hält man es an, fällt es um.

Dieses Bild ist durchaus passend, weil wir im Grunde genom men einen dauernden Vorgang des Integrationsprozesses im mer wieder neu hinterfragen müssen: Wo stehen wir, woher kommen wir, und – vor allem – wohin wollen wir?

Es waren damals Robert Schuman, Alcide De Gasperi, Kon rad Adenauer, neben den Beneluxländern, die Europa begon nen haben; das war das Europa der Sechs. Heute stellt das Eu ropa der 28 natürlich – wie vorhin – zu Recht die Frage: Wo hin wollen wir bei den Themen Erweiterung, Vertiefung, und – vor allem – in welchem Tempo wollen wir vorgehen? Wer ist beitrittsfähig, beitrittswillig, und – vor allem – ist Europa aufnahmefähig? Das sind die Fragen, die wir in diesem Zu sammenhang besprechen müssen.

Wenn der 8. Mai ein Tag der Befreiung von menschenverach tenden Systemen war, dann ist es in der Tat auch 30 Jahre her, seit Richard von Weizsäcker seine große Rede zum Tag der Befreiung gehalten hat. Deshalb wird es darum gehen – wir haben ja in den vergangenen Wochen hier über TTIP gespro chen, wir haben vor einer Woche über die Migration in Euro pa gesprochen –, genau diesen Herausforderungen gerecht zu werden in der weiteren zukünftigen Gestaltung in diesem ge einten Europa.

Wenn wir diese friedensstiftende Kraft heute als die große Wertegemeinschaft betrachten, dann ist es sicherlich wichtig, dass wir der heutigen jungen Generation aber auch über die ses Thema der friedensstiftenden Kraft hinaus neue Antwor ten geben. Denn die jungen Menschen wachsen heute in ei ner Generation auf, für die Europa selbstverständlich gewor den ist. Für sie sind offene Grenzen selbstverständlich gewor den, für sie sind Reisen, Studieren und Arbeiten im Ausland selbstverständlich geworden. All das sind große Errungen schaften, die man in einer solchen Europawoche natürlich be leuchtet, hinterfragt und diskutiert.

Aber wir sind heute in Baden-Württemberg. Ich will hinzufü gen: Gerade an einem solchen Tag ist natürlich in dem Wirt schaftsland Baden-Württemberg auch darauf hinzuweisen, welche Vorteile die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben. Es gab heute die Meldung: EU-Konjunktur besser als erwartet. Ich will auf die Konjunkturerwartungen eingehen:

1,5 % Wachstum wird man im laufenden Jahr jetzt auch in Eu ropa erwarten, vor allem im Euroraum.

Das ist wichtig. Aber ich betrachte damit auch unser Land Ba den-Württemberg. Baden-Württemberg ist ein exportorien tiertes Bundesland. Jeder dritte Arbeitsplatz bei uns hängt von diesem Europa ab. Wir profitieren von diesem Binnenmarkt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir auch gegen die Bestre bungen, die im Moment in Teilen Europas nationalistisch sind, die gegen dieses Europa wettern, darauf hinweisen, welche Vorteile wir auch in diesem Land per Saldo in Europa haben.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Josef Frey GRÜNE)

Ich will auch deshalb auf die vergangenen Jahre zurückschau en und daran erinnern, was große Europäer – auch unsere Re gierungschefs – in diesem Land für Europa erreicht haben. Da kann man ab der Nachkriegszeit beginnen und bis zu den Kol legen kommen, die wir hier als Regierungschefs – Lothar Späth, Erwin Teufel, Günther Oettinger – bis heute erlebt ha ben. Warum sage ich das? Wir haben in diesen vergangenen Jahrzehnten – auch nach der Wiedervereinigung – Einrichtun gen geschaffen – das war ja der Gedanke, dass die Donau in Baden-Württemberg entspringt und nach 2 880 km im Schwar zen Meer endet –, die heute noch diesem Europa nützen. Die se Donauraumstrategie, die wir erfunden haben, um die uns alle beneidet haben – gäbe es sie nicht, müsste man sie heute erfinden –, hat ja auf etwas anderem aufgebaut, nämlich auf dem Beginn der Zusammenarbeit nach dem Fall der Grenze mit Ungarn. Ich verweise auf die damaligen Ideen der Ge mischten Kommissionen, die wir mit Ungarn begonnen ha ben, die wir mit Bulgarien,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Mit Serbien!)

mit Rumänien, mit Kroatien, mit Serbien fortgesetzt haben. Das war eine Zusammenarbeit, die im Grunde genommen die Basis für diese erweiterte Zusammenarbeit im Donauraum war. All das ist im Europabericht jetzt aktuell beleuchtet. Es ist richtig und gut, dass wir in der kleinen Außenpolitik Kon tinuität haben. Deshalb ist meine Stunde an einem solchem Tag nicht die Kritik, sondern die Kontinuität, der Rückblick, aber auch der Ausblick. Bei einem solchen Rückblick will ich schon einmal sagen: Hier ist von allen Vorgängerregierungen eine große Vorarbeit geleistet worden, was Europa betrifft.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich will an das anknüpfen, was wir beleuchten können. Wir haben darüber hinaus, neben den Gemischten Kommissionen, neben der Donauraumstrategie – die Idee wurde damals noch unter Lothar Späth entwickelt – auch die „Vier Motoren“ in stalliert. Auch das ist jetzt fortgesetzt worden und ist eine wichtige Zusammenarbeit von vier Kraftzentren der Industrie in Europa.

Ich nenne in der kleinen Außenpolitik die Internationale Bo densee Konferenz. Hier arbeitet das Land Baden-Württem berg mit den Anrainerstaaten und -ländern – wie die Schwei zer Kantone, die österreichischen Angrenzer,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die Vorarlber ger!)

die französischen Angrenzer – zusammen. Wenn ich bei Frank reich bin: Das ist ja nun deutsch-französische Freundschaft und Zusammenarbeit. Das ist ja der Motor des integrierten Europas. Wenn wir das beleuchten, dann muss man sagen: Dazu gehört auch die Zusammenarbeit am Oberrhein. Der Oberrheinrat, der in diesen Jahrzehnten etabliert wurde, in der Zusammen arbeit intensiviert wurde, gehört genauso dazu wie das, was Erwin Teufel im Konvent Europas verankert hat: ein Europa der Regionen, den Grundsatz der Subsidiarität im Vertrag von Lissabon, auch die Betonung der Kommunen, die viele in an deren europäischen Ländern gar nicht gekannt haben. All das gehört zur europäischen Bilanz, die man an einem solchen Tag auch im Rückblick beleuchten muss.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Josef Frey GRÜNE)

Deshalb haben wir jetzt auch neue Herausforderungen, die hier zu Recht angesprochen werden und auch angesprochen worden sind.

Wenn ich jetzt darauf eingehe, will ich uns aber noch einmal eine Zahl aus diesem Bericht vor Augen halten, weil man die nicht oft genug wiederholen kann, damit man weiß, wohin man sich in diesen letzten 70 Jahren entwickelt hat: Damals waren über 20 % der Weltbevölkerung Europäer, heute sind es noch 7 %, mit fallender Tendenz. Diese aktuell 7 % erwirt schaften 25 % der Weltwirtschaftsleistung, aber erbringen 50 % aller Sozialleistungen auf diesem Planeten. Auch das muss man sich vor Augen halten. Auch daran kann man er kennen, wo uns die wirklichen Herausforderungen – bis zum Thema Migration – begegnen werden, wenn wir über die Zu kunft sprechen und damit ehrlich auch darüber reden wollen: Wo stehen wir, und wohin wollen wir, wenn diese Dinge an gesprochen werden, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU und des Abg. Niko Reith FDP/ DVP)

Es gibt heute viele Überschriften zu diesem Thema, z. B. nen ne ich ergänzend Burundi. Das war, glaube ich, heute in der „Stuttgarter Zeitung“ – wenn ich es recht weiß –, ich habe es mir vorhin herausgenommen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Wir haben einen An trag dazu!)

Bitte? Ja, wir sind hier im Landtag.

(Zurufe: Antrag!)

(Zurufe: Antrag!)

Ist klar, ja. Ich will nur vorher die Überschrift zitieren, da mit jeder auch den Antrag versteht und nachvollziehen kann, warum er überfraktionell mit unserer Fraktion gestellt wurde, Frau Kollegin.