Protocol of the Session on April 15, 2015

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gut!)

Sie haben wirklich Dinge gesagt, die ausnahmslos stimmen.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Ich bin es nicht so gewohnt. Das bezieht sich aber nicht spe ziell auf Frau Gurr-Hirsch. Wir hatten ja noch nicht so viel miteinander zu tun.

(Unruhe)

Ich freue mich sehr. Die Regierung freut sich auch; das darf sie auch.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Sie können sich kurzfassen! Es ist alles gesagt!)

Ich habe auch noch etwas zu sagen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Mal schauen, was wir über Ihre Rede sagen können!)

Als ich zehn Jahre alt war, wollte ich Klavier spielen lernen. Obwohl mein Vater Beamter war, war damals kein Geld da für da, um mir als viertem von fünf Kindern dies zu ermögli chen.

(Zuruf des Abg. Konrad Epple CDU)

Ich durfte also nicht Klavier spielen lernen, und es gab auch kein Klavier. Ich hatte aber Glück, als mich mein Musikleh rer in der fünften Klasse auswählte, im Kinderchor des Mann heimer Nationaltheaters mitzusingen. Was die Instrumente an geht, war und bin ich bis heute leidenschaftlicher Autodidakt.

Was ich damit sagen will: Ich frage mich, wie viele von uns hier im Saal als Kind in den Genuss kamen, ein Instrument zu erlernen.

(Abg. Walter Heiler SPD: Das sind schon einige!)

Die Privilegierteren hatten Eltern, die ihnen ein Klavier kauf ten und vielleicht noch einen Privatlehrer bezahlten. Andere nutzten das Angebot der örtlichen Musikvereine, lernten Kla rinette oder Akkordeon spielen.

(Zuruf: Alphorn!)

Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen gab es nur ver einzelt. Vom Anspruch, dass jedes Kind ein Recht auf kultu relle Bildung haben sollte, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, waren wir seinerzeit weit entfernt.

Das ist – da bin ich persönlich betroffen – einer der Gründe, warum wir, die grün-rote Landesregierung und ich, uns für kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen starkma chen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Herkunft darf bei Kindern nicht ausschlaggebend dafür sein, wer von ihnen ein Instrument erlernen, wer ins Museum gehen oder wer sich künstlerisch-ästhetisch weiterbilden darf.

Deshalb ist nicht nur das schulische, sondern auch das von den Musikschulen und den Vereinen vorgehaltene außerschu lische Angebot für die kulturelle Bildung von Kindern und Ju gendlichen enorm wichtig. Im Idealfall ergänzen sie sich.

Die neuesten Zahlen aus dem Kultusministerium zeigen: Das Konzept geht auf. Von den 172 Schulen, die im vergangenen Jahr mit dem neuen Ganztagsschulkonzept gestartet sind, nut zen bereits 104 Schulen die Möglichkeit, einen Teil der für den Nachmittagsbereich vorgesehenen Lehrerwochenstunden in Geldmittel umzuwandeln. Konkret heißt das: Sie nutzen das Angebot von Musikschulen und -vereinen und integrieren es als selbstverständlichen Bestandteil in den Schulalltag der Kinder.

Außerschulische Träger werden damit zu einer wesentlichen Säule unseres ganzheitlichen Bildungssystems. Das beginnt schon im Kindergarten, wo die Bedeutung musikalischer Früh erziehung erkannt wurde und weiterentwickelt wird. Es ist nicht allein die Frage: Programm „Singen – Bewegen – Spre chen“, ja oder nein? Es kommt immer darauf an, was man da raus macht. Das wiederum hängt von der Ausbildung und der Begabung der Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtun gen ab.

Im Orientierungsplan wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die betroffenen Einrichtungen mit Chören, Musikverei nen oder Theatern kooperieren sollen.

Ich bin überzeugt – die Zahlen aus dem Kultusministerium bestätigen dies –: Musikschulen und Musikvereine bleiben uns mit der Einführung der Ganztagsschulen nicht nur erhal ten, sie werden sogar gestärkt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ganz genau!)

Die Schulen sollen sich, wie es so schön heißt, in den Sozial raum hinein öffnen. Das heißt, sie sollen außerschulische Part ner in ihren Bildungsauftrag einbeziehen.

Bis zu 50 % der Lehrerwochenstundenzuweisungen kann je de Schule monetarisieren, also direkt für die Zusammenarbeit z. B. mit Musikschulen, Kunstschulen oder Vereinen ausge ben. Somit hat jeder Verein die Möglichkeit, entsprechende Angebote zu unterbreiten, junge Talente zu entdecken und sie auf diese Weise an sich zu binden. Das ist für die Vereine ein wunderbares Angebot für ihre eigene Vergrößerung, Verbes serung und nachhaltige Entwicklung.

Was die Grundschulen angeht, soll der Ganztagsbetrieb nach sieben oder acht Zeitstunden – die Pausen eingerechnet – en den. Hausaufgaben werden ersetzt durch sogenannte Übungs zeiten, die im Ganztagsangebot enthalten sind. Es bleibt also nach der Schule noch genügend Zeit, seinen Hobbys – soweit es die bei Grundschülern schon gibt – in Vereinen nachzuge hen.

Allerdings – das räume ich ein – gilt dies nicht für alle. Die G-8-Gymnasiasten beispielsweise haben es nicht so leicht. Seit der Einführung des G 8 bleibt den betreffenden Schüle rinnen und Schülern häufig keine Zeit mehr, am Vereinsleben im musischen Bereich teilzunehmen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hängt von der Ausgestaltung ab!)

Ja, es gibt Schulen, die das beispielhaft tun. Aber so viele sind das nicht. Daran ist bestimmt noch zu arbeiten. Es muss deshalb unser Ziel sein, die Angebote nicht nur im Primar-, sondern auch im Sekundarbereich auszubauen.

In den Grundschulen legen wir das Fundament für die kultu relle Teilhabe der Kinder. Aber das darf nicht das Ende sein. Die Zukunft liegt in der Kooperation mit weiterführenden Schulen. Bei den Gemeinschaftsschulen, die allesamt Ganz tagsschulen sind, sind wir schon auf einem guten Weg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir sagen: „Wir wol len die Kultur in die Mitte der Gesellschaft bringen“, müssen wir bei den Schulen anfangen. Dort spiegelt sich die Gesell schaft, und genau dort haben Musikschulen und -vereine die Chance, sich zu präsentieren und Nachwuchs zu werben. Das ist für alle Beteiligten gewinnversprechend. Diese Chance sollten wir nutzen, damit künftig jedes entsprechend begabte Kind die Chance hat, das von ihm bevorzugte Instrument zu erlernen und im Idealfall damit zur Meisterschaft zu gelan gen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Frau Abg. Wölfle das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Die musikalische Bildung der Kinder in Baden-Württemberg ist und bleibt ein zentrales Element der Erziehung insgesamt. Das Singen mit Kindern in den frü hen Jahren, die ersten Erfahrungen mit Klängen und Geräu schen bis hin zum Erlernen eines Instruments sind wichtige Bestandteile einer ganzheitlichen Bildung.

Musik stärkt die kognitiven Fähigkeiten und unterstützt das logische Denken. Kinder erleben im gemeinsamen Musizie ren Gemeinschaft mit anderen. Im Chor oder im Orchester ler nen sie auch Sozialverhalten, sich einzuordnen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und einiges mehr.

Gerade unser Bundesland – Kollegin Gurr-Hirsch hat es er wähnt – ist ein Land der Musikvereine. Man sieht erfreulich viele junge Menschen in Vorstufenorchestern, Bläsergruppen, Schulbands, Chören oder in den örtlichen Musikkapellen – oft in Partnerschaft mit der Musikschule. Damit haben wir neben dem schulischen Musikunterricht auch ein breites Angebot an außerschulischen Bildungsmöglichkeiten.

Der wichtige Ausbau der Ganztagsangebote an den Schulen wirft nun Bedenken auf, ob der gerade in Baden-Württemberg so vielfältig und reichhaltig angebotene außerschulische Mu sikunterricht an den Musikschulen angesichts der erhöhten zeitlichen Inanspruchnahme der Schülerinnen und Schüler noch in dem Maß stattfinden kann, das ihm zukommt oder auch wünschenswert ist.

Seien Sie versichert: Uns ist beides wichtig. Wir wollen nicht nur erhalten, sondern auch stärken, z. B. durch die Umsetzung der Kooperationsvereinbarung des Landes mit dem Landes verband der Musikschulen. Ähnlich wie beim Sport haben wir damit die Möglichkeit geschaffen, die Musikschulen als Part ner an die Schule zu holen.

Vereine und Musikschulen können ihre Angebote der Schule unterbreiten und sich als Partner anbieten. Entscheidend ist jedoch immer die Orientierung an den Gegebenheiten vor Ort bzw. daran, welche Angebote außerschulisch zur Verfügung stehen. Die Schulleitung entscheidet schlussendlich, welches der Angebote sie annimmt.

Es ist gerade schon gesagt worden: Die Monetarisierung wird gut angenommen. Eine Monetarisierung von bis zu 50 % der Personalressourcen ist möglich. Von 172 Schulen, die im Schuljahr 2014/2015 mit dem neuen Ganztagsschulkonzept gestartet sind, haben 104 Schulen das Instrument der Mone tarisierung angenommen. Darunter gibt es 75 Kooperationen mit Musikschulen. Das ist eine gute Entwicklung. Darüber hi naus können die Schülerinnen und Schüler weiterhin auch in dividuell die Musikschule besuchen.

Ich bin sicher: Die Musikschulen vor Ort erkennen die Chan cen durch die Kooperation und werden ihre individuellen An gebote außerhalb der Schule auch den Unterrichtszeiten an passen.

Die Befürchtung, durch den Nachmittagsunterricht, welcher an drei oder vier Tagen stattfindet, würden die Kinder ein re guläres Angebot an der Musikschule nicht mehr in Anspruch nehmen, halte ich für spekulativ. In Wirklichkeit haben die Kinder keine Hausaufgaben mehr zu erledigen und damit auch eine planbare Freizeit.

Ich erinnere mich noch gut, wie meine beiden Kinder die Mu sikschule häufig geschwänzt haben, weil sie so viele Hausauf gaben zu machen hatten, dass sie das alles einfach nicht mehr bewerkstelligen konnten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich bin gerührt!)

Ja, toll. – In diesem Zusammenhang sollte man durchaus auch einmal der Frage nachgehen, wie viele Schüler der G-8Gymnasien noch am Unterricht einer Musikschule teilneh men. Es ist sicher nicht der Ganztagsunterricht, der den Mu sikschulen Kopfzerbrechen macht. Es ist definitiv vor allem auch das G 8. Auch bei den Sportvereinen wird mir das im mer wieder deutlich bestätigt.

Frau Gurr-Hirsch, Sie haben das Thema Bugwelle angespro chen. Das ist in der Tat ein Thema. Ich weiß, dass wir in den Verhandlungen zum zweiten Bildungsnachtrag darüber noch einmal reden werden. Das Thema ist also schon virulent, und es wird auch noch einmal angesprochen.

Sie sehen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Die musi kalische Bildung im Land ist gesichert. Die Landesregierung wird ihrem Bildungsauftrag in diesem wichtigen Feld vorbild lich gerecht.