Protocol of the Session on April 15, 2015

Heute Morgen konnte ich in der „Heilbronner Stimme“ lesen, dass eine aktuelle Untersuchung der DAK besagt, dass rund 100 000 Menschen in Baden-Württemberg im erwerbsfähi gen Alter verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen, um Stress und Leistungsdruck zu bekämpfen. Das entspricht einer Quote von 2 % aller Erwerbstätigen. Der DAK-Landes vorsitzende Markus Saur spricht von einem Alarmsignal.

Deshalb halten wir es für einen wichtigen Meilenstein, dass es unserer Sozialministerin gelungen ist, bedeutende Akteure auf diesem Feld in einem Bündnis für Arbeit und Gesundheit in Baden-Württemberg zusammenzubringen. Der Text der Er klärung wurde vor Kurzem unterzeichnet und veröffentlicht. Dazu habe ich folgende Fragen:

Wie können Erfahrungen mit verstärktem Gesundheitsschutz und Prävention, die in großen Betrieben bereits gesammelt wurden und die sehr vielfältig sind, an kleine und mittlere Un ternehmen weitergegeben werden? Welche Aufnahmebereit schaft sehen Sie dafür? Welche Rolle kann dabei die Landes regierung spielen?

Eine zweite Frage: Frau Ministerin, in welchen Bereichen sind Ihres Erachtens sozialgesetzbuchübergreifende Lösungen sinn voll, um den Gesundheitsschutz zu stärken? Wie kann dabei

das Sozialministerium die zugesagte Moderatorenrolle ein nehmen?

Vielen Dank.

Für die Landesregierung darf ich Frau Ministerin Altpeter ans Redepult bitten.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Namens der Lan desregierung beantworte ich die Fragen zum Bündnis für Ar beit und Gesundheit wie folgt:

Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, am 18. März dieses Jah res das Bündnis „Arbeit und Gesundheit in Baden-Württem berg“ ins Leben zu rufen, und zwar gemeinsam mit allen wich tigen Akteuren in diesem Bereich, mit der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, mit den Arbeitnehmervertretungen, aber auch mit den Arbeitgeberver tretungen, mit der Deutschen Rentenversicherung sowie mit den Vertretern der Krankenkassen und der Unfallkassen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt, um das Thema „Ar beit und Gesundheit“ vor Ort in den Betrieben und in den Kommunen besser zu verankern.

Allen Unterzeichnern wurde sehr deutlich – auch in der Ent wicklung über die letzten Jahre hinweg –, dass das Thema Ge sundheit einen immer höheren Stellenwert erhält. Dies betrifft aber nicht nur Fragen des SGB V, der Rentenversicherung und Ähnliches, sondern auch Fragen zum Thema Arbeit.

Insbesondere in Baden-Württemberg hat dies eine ganz be sondere Bedeutung. Baden-Württemberg ist zwar nicht so sehr vom demografischen Wandel betroffen wie andere Länder, hat aber jetzt schon in manchen Branchen und Bereichen einen Mangel an Fachkräften. Deshalb liegt es im Interesse sowohl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch der Arbeit geber im Land, dass die Menschen länger gesund arbeiten können. Aus diesem Grund ist dieses Bündnis auf den Weg gebracht worden.

Von den bisherigen Erfahrungen in den Themenbereichen Ge sundheitsschutz und Prävention, die in vielen größeren Be trieben bereits zum festen Bestandteil gehören und auch eta bliert sind, können wir natürlich auch für die kleinen und mitt leren Unternehmen einiges ableiten. Wir können mittlerwei le schon sagen, welche Kurse bzw. welche Angebote ange nommen werden und was man vielleicht überarbeiten oder zu rückfahren muss.

Wichtig scheint mir, dass insbesondere alle Angebote, die in den Bereichen Bewegung und Förderung der Bewegung eine Rolle spielen, in den großen Unternehmen sehr gut angenom men werden – neben den Arbeitsschutzthemen; das ist klar – und dass es jetzt darum geht, die Themen Gesundheitsschutz und Prävention auch an die kleinen und mittleren Unterneh men heranzubringen. Da sehe ich natürlich sowohl seitens der Arbeitnehmer als auch seitens der Arbeitgeber großes Inter esse. Letztere sagen: Uns ist es natürlich lieber, wenn unsere Leute gesund schaffen und zufrieden zur Arbeit kommen.

Im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen gab es seither ein bisschen das Problem, Maßnahmen des Gesund heitsschutzes, der Gesundheitsförderung und der Prävention zu installieren. Wir erhoffen uns und wünschen uns, dass es

mit diesem Bündnis gelingt, über die kommunalen Gesund heitskonferenzen vor Ort in der Zusammenarbeit der Akteu re Lösungen zu finden, um gute Angebote machen zu können. Wir haben ja jetzt die landesweiten Akteure im Bündnis mit drin.

Wichtig ist natürlich, dass das Bündnis jetzt seine Umsetzung in den Landkreisen, in den Kommunen mit den örtlichen Glie derungen findet, damit Angebote gemacht werden können und vielleicht auch eine Kooperation, eine Zusammenarbeit im Bereich Gesundheitsschutz/Prävention der Betriebe mitein ander möglich wird, damit – ich sage es jetzt einmal auf Schwäbisch – da nicht jeder vor sich hinwursteln muss und irgendwas „nastricka“ muss. Vielmehr sollte vielleicht für mehrere Betriebe ein entsprechendes Angebot installiert wer den und umgesetzt werden.

Insofern habe ich eine große Aufnahmebereitschaft zu diesem Thema insgesamt erlebt, eine große Bereitschaft, bei allen ge nannten Themen etwas zu tun.

Nachdem das Bündnis auf Landesebene installiert ist, wird es darum gehen, es auch vor Ort zum Leben zu erwecken und wirklich auch im Bereich der kleinen und mittleren Unterneh men bis hin zu Rathäusern und Pflegeeinrichtungen entspre chende Maßnahmen der Gesundheitsförderung und der Prä vention auf den Weg zu bringen.

Gefragt und wichtig – Herr Abg. Hinderer, da haben Sie ein ganz wichtiges Thema angesprochen – werden auch in die sem Bereich sozialgesetzbuchübergreifende Lösungen sein. Denn in der Vergangenheit haben wir oft erlebt, dass es gera de im Bereich der Prävention eine Hin- und Herschieberei in Kostenfragen gegeben hat. Ich hoffe und wünsche mir, dass es uns gelingt, die Möglichkeiten des neuen Präventionsge setzes, das aus unserer Sicht gern weiter und ausführlicher hätte sein können, auch auf örtlicher Ebene umzusetzen, um damit tatsächlich auch Verbesserungen im Bereich der Prä vention herbeiführen zu können.

Danke schön. – Für die Fraktion der CDU erteile ich das Wort Herrn Abg. Teufel.

Frau Ministerin, auch wir unter stützen das Bündnis für Arbeit, und auch wir sehen das The ma Prävention als einen wichtigen Meilenstein im Bereich der Gesundheitsvorsorge an.

Können Sie heute schon konkrete Handlungsempfehlungen nennen, welche das Bündnis bereits erarbeitet hat?

Zweitens: Wie viele finanzielle Mittel stellt das Land für das Bündnis bereit?

Zur – – Darf ich?

Ja, bitte, Frau Ministe rin.

Zur Frage 1: Wir haben gemeinsam mit den Bündnispartnern Leitsätze für Arbeit und Gesundheit erarbeitet. Insgesamt sind es elf Leitsätze, bei spielsweise „Arbeit darf nicht krank machen“, mit der Aussa

ge, dass die berufliche Integration einen entscheidenden Stel lenwert für die soziale und wirtschaftliche Teilhabe besitzt.

Unser zweiter Leitsatz, den ich nicht unterschlagen wollte und der vor allem den Arbeitgebern, aber auch den Arbeitnehmer vertretern wichtig war, lautet: „Jeder trägt Verantwortung für seine Gesundheit.“ Das heißt: Wenn ich ans Werkstor gehe und dort hineinmarschiere, gebe ich die Verantwortung für meine Gesundheit nicht ab, sondern habe über den Bereich Arbeit hinaus auch Eigenverantwortlichkeit. Das ist ein ganz wichtiger Teil. Deswegen wird vom Arbeitnehmer erwartet, dass er natürlich auch seinen Beitrag in Form von Dabeisein und Motivation leistet.

Ein dritter wichtiger Punkt, der uns ebenfalls sehr beschäftigt hat, ist eine vermehrte Integration von Arbeitsuchenden und Beschäftigten mit Einschränkungen. Auch das ist für den ba den-württembergischen Arbeitsmarkt nach wie vor eine Her ausforderung. Aber uns war wichtig, dass wir auch in diesem Bereich etwas tun: „Kein Mensch darf mit seinen Talenten verloren gehen.“

Wichtig ist auch die Darstellung, dass gesunde und arbeitsfä hige Arbeitskräfte einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen darstellen, dass die Gesundheit der Beschäftigten auch die So zialversicherungen und die öffentlichen Haushalte stärkt, dass die Programme der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz strategie verbindlich abgestimmte Gesundheitsziele sind und dass sie insbesondere der betrieblichen Verhältnisprävention entsprechen, dass betriebliche Gesundheitsförderung und -prä vention gestärkt werden sollen, dass ein passendes betriebli ches Gesundheitsmanagement eine sinnvolle Kombination aus Verhältnisprävention und Verhaltensprävention enthält und dass es gerade für kleine und mittlere Unternehmen notwen dig ist, Beispiele guter Praxis mit einem belegten Return on Investment zu haben.

Ein Punkt, den ich vorhin schon angesprochen habe, lautet: Natürlich müssen wir verstärkt sozialgesetzbuchübergreifend arbeiten. Vor allem ist uns wichtig, wenn wir es auf die kom munale Ebene bringen sollen – denn dort passiert es, dort le ben die Menschen, dort gehen sie ins Geschäft –, dass natür lich das Thema „Gesundheit in der Arbeitswelt“ im vernetz ten Diskurs auf der kommunalen Ebene, also in den „Kom munalen Gesundheitsdialogen Arbeit und Gesundheit“, vor angebracht werden muss.

Das sind im Groben diese elf Leitsätze.

Sie haben ferner gefragt, welche Mittel zur Verfügung stehen. Wir haben im Bereich Arbeitsschutz mit Verabschiedung des letzten Haushalts eine Aufstockung der Stellen erreicht. Sie alle wissen das; Sie sind ja in den Beratungen im Finanzaus schuss und auch hier mitgegangen. Wir konnten die Stellen aufstocken. Das war wichtig, weil es im Bereich Arbeits schutz, wie Sie wissen, dringenden Nachholbedarf gibt und es Zeit wird, das in den Kommunen umzusetzen. Deswegen haben wir dort eine Stellenaufstockung beschlossen. Ich mei ne, dass es elf Stellen waren, bin mir aber jetzt nicht ganz si cher. Herr Teufel, das müsste ich nachliefern. Wir konnten die Stellen aufstocken, um den Arbeitsschutz vor allem in den Kommunen, in den Kreisen voranzutreiben.

Ferner ist im Haushalt noch ein Betrag eingestellt, der für Pro jekte sowie für die Unterstützung kleiner und mittlerer Unter

nehmen zur Verfügung steht. Darüber haben wir meiner Erin nerung nach auch bei den Beratungen gesprochen. Auch die genaue Höhe dieses Betrags müsste ich Ihnen nachliefern.

(Abg. Stefan Teufel CDU: Okay!)

Aber ich meine, es wären 500 000 €. Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher, und deshalb nenne ich Ihnen diesen Betrag mit einem kleinen Fragezeichen.

Für eine kurze Frage und eine kurze Antwort haben wir noch Zeit.

Kurze Antworten werden schwierig, Frau Präsidentin.

Das Wort erhält Herr Kol lege Haußmann.

Vielen Dank, Frau Prä sidentin.

Frau Ministerin, Sie hatten gerade angesprochen, dass es im dritten Leitsatz auch um das Thema „Menschen mit Ein schränkungen“ geht. Doch da ist nur der Aspekt Arbeitsbedin gungen/Arbeitsplatz ein Stichwort. Wenn man einmal Bilanz zieht und sich die Entwicklung der Zahl der Langzeitarbeits losen in Baden-Württemberg und der Zahl der Menschen mit Behinderungen anschaut, sieht man, dass es doch ganz ande re Herausforderungen gibt. Warum haben Sie nichts dazu auf genommen, dass man auch darüber nachdenkt, einen Nach teilsausgleich beispielsweise zur dauerhaften Einbindung von Menschen mit Behinderungen im ersten Arbeitsmarkt zu schaf fen?

Zum einen haben wir da ja entsprechende Abgabensysteme. Das wissen Sie ja. Aber einen Nachteilsausgleich – – Nein, ich muss es andersherum sagen. Bei dieser großen Menge von Bündnispartnern hat man es natürlich mit den unterschiedlichsten Interessen zu tun ge habt und musste sich auf Leitsätze einigen, hinter denen sich alle versammeln konnten. Deswegen gibt es durchaus politi sche Forderungen, über die wir diskutieren könnten, beispiels weise die Fördermodalitäten der BA, die dort jedoch nicht Eingang finden konnten, weil sich ein Bündnis, das aus so vie len unterschiedlichen Partnern besteht, zwangsläufig immer nur auf das einigen kann, was den Konsens zwischen allen Partnern darstellt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin, für die knappen Ausführungen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 6, die Regierungsbefragung, beendet.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 7 aufrufe, möchte ich ganz herzlich den ungarischen Generalkonsul in Stuttgart, Herrn Dr. János Berényi, begrüßen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Der Herr Generalkonsul stattet dem Landtag heute seinen ers ten offiziellen Besuch ab. Er wird begleitet von Herrn Hono

rarkonsul Rolf Kurz, den einige von uns noch aus seiner ehe maligen Abgeordnetenzeit im Landtag kennen. – Auch Ihnen ein herzliches Willkommen, Herr Kurz.

(Beifall bei allen Fraktionen)