Protocol of the Session on March 25, 2015

Schon heute ist nach geltendem Recht im Verfahren der Be antragung von Tierversuchen im ersten Schritt die Tierschutz beauftragte eingebunden und im vorgeschriebenen zweiten Schritt die Kommission nach § 15 des Tierschutzgesetzes be teiligt. Ein Drittel der Kommissionsmitglieder gehören den Tierschutzvertretern an. Auch während der Durchführung ei nes Tierversuchs nehmen die Tierschutzbeauftragten vor Ort wichtige Kontrollfunktionen wahr.

Da nützt es nichts, wenn die Landesregierung im neu vorge legten Entwurf bei Tierversuchsgenehmigungen nur Feststel lungs- und keine Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen mehr zulässt und somit die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Glauben Sie im Ernst, dass ein Antragsteller das Risiko ein geht, einen Versuch durchzuführen, wenn er befürchten muss, diesen im Nachhinein aberkannt zu bekommen?

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Drittens: Ein Verbandsklagerecht würde vor allem dazu füh ren, Verfahren zu verzögern und zu verteuern, die Gerichte zu belasten und Rechtsunsicherheit bei der Planung zu schaffen. Dies zeigt sich auch – ich habe andere Informationen als Sie – in Bundesländern, die Erfahrungen mit Klagerechten ma chen mussten. Hier hat sich ein Antragsstau aufgebaut.

An dieser Stelle spreche ich den Bäuerinnen und Bauern in unserem Land ausdrücklich ein Lob aus. Sie gewährleisten in der modernen Tierhaltung Tierschutzstandards, die noch nie so hoch waren wie heute.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Sehr gut!)

Viertens: Weiter befürchte ich, dass ein gemeinsames Büro der Tierschutzorganisationen dem Land früher oder später Mehrkosten aufbürden würde.

Ich frage Sie, Herr Minister: Für welche Interessengruppe wollen Sie demnächst ein gemeinsames Büro vorschreiben? Das ist nicht Aufgabe des Landes.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Jutta Schiller CDU)

Abschließend: Das Primat der Politik, Vorgaben zu machen, sehe ich in Gefahr. Im Extremfall wird die Exekutive des Staa

tes durch das Verbandsklagerecht so gehemmt, dass wir fak tisch handlungsunfähig werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sehr gut!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Pix das Wort.

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg besteht noch ein Vakuum – im Gegen satz zu Bremen, wo das Verbandsklagerecht 2007 eingeführt wurde, in Hamburg 2013, in Nordrhein-Westfalen 2013, im CDU-geführten Saarland 2013, in Rheinland Pfalz und Schles wig-Holstein 2014. Nun wird es im Jahr 2015 endlich auch in Baden-Württemberg eingeführt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Zu den Befürchtungen, die von meinem Vorredner geäußert worden sind, dass sich der Wissenschaftsstandort BadenWürttemberg womöglich nicht mehr weiterentwickeln kön ne: Wenn ich sehe, dass in Nordrhein-Westfalen im Bundes vergleich die meisten Tierversuche stattfinden,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist ein Phar mastandort!)

kann ich diese Ansicht nicht teilen. Im Gegenteil, im Gesetz entwurf ist gerade zum Tierversuchswesen, was sowohl die Tierhaltung als auch die Tierversuchsforschung angeht, nur die Feststellungsklage enthalten.

Wir haben inzwischen – auch da haben Sie sich geirrt – eine Nachbesserung bei der Ethikkommission vorgenommen. Sie besteht zur Hälfte aus Tierschutzexperten und zur anderen Hälfte aus Wissenschaftsexperten. Wir haben eine Tierschutz beauftragte. Wir haben den Landestierschutzbeirat. Das Ein zige, was noch fehlt, ist das Mitwirkungs- und Verbandskla gerecht.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Tatsäch lich?)

Das Mitwirkungs- und Verbandsklagerecht hat eigentlich eher seinen Sinn bei dem ersten Teil, nämlich der Mitwirkung der Tierschutzverbände, die dafür eintreten sollten, dass nicht nur die Nutzer einen Interessenausgleich erfahren, sondern auch der Tierschutz einen Interessenausgleich erfährt. Mitwirkung statt Klage, das ist die Devise. Das heißt, durch dieses Gesetz, das Ihnen heute vorliegt, wird präventiv dafür gesorgt, dass in Zukunft keine Klagen notwendig sind, sondern dass die staatlich anerkannten Tierschutzverbände ihre Rechte wahr nehmen können. Deswegen sind wir meines Erachtens auf ei nem sehr guten Weg.

Nun zur landwirtschaftlichen Tiernutzung. Wenn Sie einmal schauen, was in Bad Dürrheim geplant ist, dann werden Sie feststellen, dass nicht nur der Bürgermeister, sondern auch al le Tourismusverbände größte Probleme mit diesen Planungen haben. Bei Ostrach ist ein Kuhstall für 1 000 Kühe geplant.

Außerdem werden Sie feststellen, dass es in Baden-Württem berg durchaus Einbrüche geben kann. Bei uns gibt es die in dustrielle Massentierhaltung Gott sei Dank noch nicht. Es gibt hier aber eine Eintrittspforte. Deshalb halte ich es für drin gend notwendig, dass wir hier zu Potte kommen.

Ich bin sicher, dass die anerkannten Tierschutzverbände, die den Voraussetzungen entsprechen, die das Gesetz vorschreibt, ihrer Verantwortung gerecht werden und wir deswegen auf ei nem sehr guten Weg sind. Ich bitte Sie, Ihre Skepsis beiseite zulegen und Ihre Blockadepolitik aufzugeben. Sie müssen er kennen, dass sich Ihre Befürchtung, dass dieses Instrument von den Verbänden missbräuchlich eingesetzt wird, als völlig substanzlos erweist.

Der Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist, dass anerkannten Tier schutzorganisationen Mitwirkungsrechte im Verwaltungsver fahren eröffnet werden und dass behördliche Anordnungen und Entscheidungen gerichtlich geprüft und gegen ein Untä tigbleiben der Behörden notfalls die Verwaltungsgerichte an gerufen werden können.

Ich denke, das ist in einem Rechtsstaat eigentlich eine Selbst verständlichkeit. Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, was Sie hier herumzumäkeln haben. Bitte geben Sie sich einen Ruck und stimmen diesem Gesetzentwurf zu.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die Abge ordneten mäkeln nicht, sie haben Gegenargumente!)

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Rolland das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut. Den Naturschutzverbän den ist bereits vor vielen Jahren ein Recht auf Stellungnahme, auf Mitwirkung und ein verbandliches Klagerecht im Bundes naturschutzgesetz eingeräumt worden. Mit Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs werden die Tierschutzverbände gleich ziehen. Das ist nicht mehr als recht und billig.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Verbandsdemo kratie!)

Bereits mein Vorgänger als umweltpolitischer Sprecher, Wal ter Caroli, aber auch der frühere Innenminister Frieder Birze le haben dieses Thema bei uns in der Fraktion vorangebracht. Es war ihnen ein großes Herzensanliegen, dass Tierschutz nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, Kollege Burger, sondern dass Tierschutz tatsächlich umgesetzt wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Burger CDU)

Wenn ich heute hier stehe, dann spreche ich für hunderttau send Mitglieder in Tierschutzvereinigungen in Baden-Würt temberg,

(Zuruf: Aha!)

die mit diesem Gesetz zu Beteiligten werden, wenn es um Ver fahren geht, die den Tierschutz betreffen, wenn es um diesbe zügliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften geht, vor allem aber auch wenn es um Gestattungen zur Haltung von Tieren geht, die eine bestimmte Größe übersteigen. Es geht auch um Ausnahmegenehmigungen zum Schächten von Tieren oder zum Kupieren von Gliedmaßen. Es geht aber auch um das Nutzen von Tieren für wissenschaftliche Zwecke – die Mög lichkeit der Beteiligung besteht hier aber erst im Nachhinein und nur im Wege einer Feststellungsklage, die keine aufschie bende Wirkung hat.

Herr Burger, Sie haben hier den Teufel an die Wand gemalt. Wischen Sie ihn wieder ab! Dann ist er dort, wo er hingehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Klaus Bur ger CDU: Beweise!)

Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens ist eine breite und tiefe Diskussion geführt worden. Außerdem sind die In teressen der landwirtschaftlichen Betriebe, der Wissenschafts institutionen, aber auch der Tiere sehr ernsthaft gegeneinan der abgewogen worden.

(Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD)

Ich bin davon überzeugt, dass 95 % der landwirtschaftlichen Betriebe von einem Klagerecht nicht betroffen sein werden.

(Zuruf der Abg. Sabine Kurtz CDU)

Auch die wissenschaftlichen Institute werden nicht davon be troffen sein, wenn sie sich im Vorfeld an die Regeln halten.

Ein gemeinsames Büro achtet darauf, dass Fristen eingehal ten und qualifizierte Stellungnahmen abgegeben werden. Das Anerkennungsverfahren für die Tierschutzvereine wird auch bei den Verbänden Spreu und Weizen voneinander trennen; denn nach diesem Gesetz sollen nur landesweit tätige Verbän de klage- und mitwirkungsberechtigt sein, die die Gewähr für eine gute Aufgabenerfüllung bieten und die selbstverständlich auch die Vorgaben des Datenschutzes einhalten.

Das Gesetz wird kostenneutral sein. Das Gesetz wird nach drei Jahren auf den Prüfstand gestellt. Dann werden wir einen Bericht der Landesregierung beraten und uns dazu äußern, ob sich das Gesetz bewährt hat oder eben nicht.

Ich bin davon überzeugt, dass es sich bewähren wird. Was lan ge währt, wird endlich gut.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.