Protocol of the Session on March 12, 2015

Herr Lede Abal, bei Ihnen kann man sagen, was man will. Sie sagen immer, Sie hätten einen anderen Eindruck. Hören Sie doch einfach einmal zu.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Als Nächstes möchte ich dem Herrn Minister sogar einmal recht geben. Herr Untersteller sagte im Oktober 2014 in Be zug auf den Netzblockierer Seehofer:

Herr Untersteller –

sei nicht gewillt, unter dem Vorwand der Versorgungssi cherheit wieder eine Debatte über die Laufzeitverlänge rung von Atomkraftwerken zu führen.

Und recht hat er. Diese Diskussion möchte auch ich nicht. Aber dann müssen wir alle etwas für die Versorgungssicher

heit in diesem Land tun. Gleichzeitig brauchen wir, wenn wir an den CO2-Zielen festhalten möchten, eine maximale Kraft anstrengung in diesem Bereich. Wie sieht denn die Energie wende aus, die wir haben wollen? Doch ein Debattenthema wie etwa „Energiewende in Baden-Württemberg“ zu beantra gen, haben noch nicht einmal Sie sich getraut. Hier ist Ihre Bilanz verheerend.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: Sehr gut!)

Wir erleben unglaublich viel grün-rote Symbolpolitik. Ich ge be Ihnen ein Beispiel: die Beiträge zum Thema Versorgungs sicherheit. Herr Untersteller, Sie haben jahrelang erklärt, es würde in Baden-Württemberg keine Stromlücke, keinen Ver sorgungsengpass an Strom geben. Als „Schimäre“ haben Sie das Ganze bezeichnet. Erst im letzten Jahr, im Jahr 2014, ha ben Sie, nach Vorlage einer Studie des DLR Stuttgart, einge räumt: Ja, es gibt diese Stromlücke nun doch.

Ich stelle hier die Fragen: Was sind Ihre Konsequenzen?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Sind die sieben Windkraftanlagen, die bei uns im letzten Jahr gebaut wurden, Ihre Antwort auf diese Herausforderung? Da muss schon deutlich mehr kommen, meine sehr geehrten Da men und Herren.

Herr Kollege Raufelder, Sie haben vorhin gesagt, wie vorbild lich denn das alles wäre und dass man Castoren in Philipps burg aufnehmen wolle. Zunächst einmal: Das Vorpreschen der grün geführten Landesregierung beim Bund – „wir können ei ne Zwischenlagerung von Castoren durchführen“ – konnte ich so nicht nachvollziehen.

(Zuruf: Warum?)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, als wir darü ber gesprochen haben, hat z. B. Frau Sitzmann gesagt, die Dis kussion wäre skandalös. In der Zwischenzeit hat am 2. Feb ruar 2015 Ihr Ministerium gesagt, dass es weder genehmi gungsmäßig noch technisch möglich wäre, die Castoren vom Typ HAW in Philippsburg erst einmal aufzunehmen. Ist dies denn Ihre solide Atompolitik, die Sie jetzt heute hier feiern wollen?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ihnen geht es nicht um die Opfer von Fukushima. Ihnen geht es bei dieser Debatte darum, von Ihrem eigenen Unvermögen abzulenken.

(Vereinzelt Beifall)

Denn so, wie Sie die eigenen Kernkompetenzen Innovation und Effizienz ausblenden und sich auf einige wenige Wind kraftanlagen konzentrieren, die übrigens meist stillstehen,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben, Herr Kollege?)

zeigen Sie, wie Energiewende in Baden-Württemberg gerade nicht funktionieren kann.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

(Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Jetzt wird’s besser!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Wenn von der Atomkatastrophe in Fukushima die Re de ist, dann wird – wie ich finde, zu Recht – oft der Begriff der Zäsur verwandt. Diese Katastrophe, die in einem Hoch technologieland stattfand – Kollege Lusche hat es angespro chen –, hat eigentlich gezeigt, was der Begriff „Restrisiko“ tatsächlich bedeutet.

Ich will noch einmal an die Regierungserklärung der Kanzle rin vom 9. Juni 2011 erinnern, in der sie gesagt hat – ich zi tiere –:

... die dramatischen Ereignisse in Japan sind ein Ein schnitt für die Welt. Sie waren ein Einschnitt auch für mich ganz persönlich.

Wie viele Katastrophen nötig sind, um die Gefährlichkeit der Atomenergie zu begreifen, will ich hier jetzt nicht vertiefen. Ich persönlich hätte einer solchen Veranschaulichung durch Fukushima nicht bedurft. Fukushima hat zwar die Bewertung der Atomenergie bei CDU/CSU und FDP verändert, und das rechne ich ihnen – das meine ich sehr ernst – hoch an. Eine solche Kehrtwende zu machen ist in der Politik nicht so ein fach. Sie haben dies gemacht, und dafür haben sie meinen größten Respekt. Die Atomkraftwerke und ihre radioaktiven Abfälle sind wir, wie wir wissen, aber erst einmal nicht los. Mit diesen Hinterlassenschaften müssen wir auch noch in den kommenden Jahren umgehen. Dafür braucht es eine verant wortungsvolle Atompolitik.

Ich habe mich in den nunmehr annähernd vier Jahren als Um weltminister mit Nachdruck dieser Aufgabe gewidmet, auch wenn wir Grünen weiß Gott nicht für die Probleme verant wortlich sind. Ich finde, das, was wir bisher in Baden-Würt temberg und von Baden-Württemberg aus erreicht haben – ich komme nachher noch darauf zu sprechen –, kann sich sehen lassen. Herr Kollege Lusche, vor diesem Hintergrund kann man durchaus eine Debatte unter dem Titel „Verantwortliche Atompolitik in Baden-Württemberg“ führen, um einmal auf zuzeigen, was damit gemeint ist. Ich will versuchen, das an fünf Beispielen zu erläutern.

Erstens: Fortschritte bei der Entsorgungsfrage. Wir hatten die Situation, dass sich im Juni 2011 vier Fraktionen im Deut schen Bundestag hinter den Atomausstieg gestellt haben. Auch der Bundesrat hat das dann mit den Stimmen aller Bundeslän der beschlossen.

Ich finde, der Ministerpräsident hat einen großen Erfolg er zielt. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die letzte große Streitfra ge, die es in der Atompolitik noch gibt, nämlich die Frage der Endlagerung, zu klären. Hier waren die Dinge über Jahrzehn te hinweg festgefahren, z. B. bei Gorleben. Kein Mensch wusste, ob Gorleben zum Schluss genehmigungsfähig sein würde oder nicht, ob es sicherheitstechnische Probleme ge ben würde usw.; ich will das gar nicht vertiefen. Dem Minis terpräsidenten ist es gelungen, die Debatte wieder zu öffnen.

Wir haben das von meinem Haus aus durch ein Eckpunktepa pier unterstützt, das Vorschläge für ein Endlagersuchgesetz

gemacht hat. Wenn Sie sich heute das vorhandene Endlager suchgesetz anschauen – nach anderthalbjährigen Diskussio nen zwischen den beteiligten Ländern und dem Bund ist es gelungen, das Gesetz auf den Weg zu bringen; es wurde wie der von vier Fraktionen im Bundestag sowie von allen Län dern im Bundesrat verabschiedet –, dann werden Sie viel von dem finden, was wir mit dem Eckpunktepapier vorgeschlagen und entwickelt haben. Ich sage Ihnen: Darauf bin ich stolz.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nicht stolz bin ich darauf, dass wir hier im Landtag eine Op position haben, die das Vorgehen von Anfang an kritisiert hat.

(Zuruf des Abg. Karl Rombach CDU)

Ich will Ihnen sagen: Bei Gesprächen mit Kollegen Ihrer Par tei im Bund gab es dafür nur wenig Verständnis.

Nehmen wir einmal das Thema „Zwischenlagerung in Phi lippsburg“, das hier schon angesprochen wurde. Da kann ich nur noch den Kopf schütteln. Von wem kam denn der Vor schlag? Er kam von meinem früheren Kollegen Altmaier. Alt maier hat, um in der Länderphalanx auch Niedersachsen für das Vorgehen zu gewinnen, den Vorschlag gemacht, keine Be hälter mehr aus dem Ausland in das Transportbehälterlager nach Gorleben zu bringen. Stattdessen bringen wir die zurück kommenden 26 Behälter aus La Hague und aus Sellafield in vorhandene Zwischenlager an den Standorten. Das Sieben punktepapier von Altmaier sah drei Standorte vor. Die Län der sollen die politische Bereitschaft erklären, und selbstver ständlich müssen die Genehmigungsinhaberinnen dann ihre Bereitschaft erklären. Dazu gab es finanzielle, technische und rechtliche Dinge zu klären.

Herr Glück, Sie müssen sich schon ein bisschen damit befas sen. Es ist nicht so, dass Philippsburg nicht für die Behälter aus Sellafield geeignet wäre. Das ist einfach Unsinn. Vielmehr braucht man – nicht nur in Philippsburg, sondern an allen Standorten – eine Änderung der Genehmigung, um die Be hälter aufzunehmen.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Eben! – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Eben, ohne das geht es ja gar nicht!)

Nicht „eben“.

Herr Kollege Hauk, Sie sind derjenige, der sich in dieser Fra ge am allerwenigsten Lorbeeren verdient hat. Sie haben die von Altmaier damals angestrebte Lösung von Anfang an hef tig kritisiert und eine Fundamentalopposition gegen den Vor schlag entwickelt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Sind es jetzt mehr Länder?)

Kollege Lusche hat es angesprochen: 2013 haben der hiesige Ministerpräsident und Schleswig-Holstein die politische Be reitschaft erklärt. Bis zum heutigen Tag haben wir auf die Be reitschaft eines dritten Bundeslands gewartet.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja! Wo ist es denn? Wo sind denn Ihre früheren Mitstreiter? Wo ist denn Hessen?)

Herr Kollege Hauk, statt die Frage zu stellen: „Wo ist die ses Bundesland?“, hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie mit

uns gemeinsam Druck machen auf andere Länder, die die Kernenergie jahrzehntelang genutzt haben, diese Bereitschaft zu erklären.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wo sind denn die Kollegen aus Bayern? Wo sind diejenigen, die der Atomenergie jahrzehntelang das Wort geredet haben?

(Abg. Peter Hauk CDU: Wo sind denn Ihre Kollegen aus Hessen?)