Protocol of the Session on March 4, 2015

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Die Wirtschaft weiß, dass Billiglöhne keine Fachkräfte anlo cken.

Aber überprüfen wir einzelne Kritikpunkte, die Sie vorge bracht haben. Da ist zum einen das Argument der Bürokratie. Wer weniger Bürokratie fordert, findet natürlich schnell Bei fall. Verwaltung, Beamte, Anträge: Sie verstehen trefflich, mit diesen Begriffen Stimmung zu machen. Der Schönheitsfehler dabei ist: Ihre Kritik hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Ihr Vorwurf, mit dem Tariftreuegesetz sei ein neues bürokra tisches Monster geschaffen worden, steht unbewiesen im Raum. Wer mit konkreten Belegen im Gesetzgebungsverfahren ge rechnet hat, wartet bisher vergeblich.

Herr Löffler, Sie haben beklagt, dass Leistung und Qualität bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge zu randständigen Kri terien würden, und kritisieren vergabefremde Vorgaben. Auch diese Kritik greift nicht. Das Vergaberecht schreibt nämlich nicht vor, dass das billigste Angebot zum Zug kommen soll, sondern das wirtschaftlichste. Wenn wir soziale und ökono mische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berück sichtigen, geht es um den volkswirtschaftlichen Nutzen.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Nein, darum geht es nicht!)

In der Debatte ist die Bedeutung der öffentlichen Hand für die Wirtschaft schon erwähnt worden. Gerade öffentliche Auf

traggeber dürfen bei der Vergabe nicht nur auf Kosten achten. Wenn Arbeitgeber nur deshalb Vorteile haben, weil sie unter Tarif bezahlen, so bringt dies volkswirtschaftliche Schäden. Die betroffenen Arbeitnehmer verdienen weniger, sie führen weniger Sozialabgaben und weniger Steuern ab. Es ist also im öffentlichen Interesse, nur den Unternehmen Aufträge zu er teilen, die sich an die Regeln halten. Zum Glück ist diese Gruppe bei uns in der Mehrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die Forderung der Tariftreue verstößt genauso wenig gegen das Prinzip der negativen Koalitionsfreiheit wie die Regelun gen im Entsendegesetz oder die Bestimmungen zur Allge meinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Wer Tarifverträge aushöhlt, handelt genauso wettbewerbswidrig wie Unterneh men, die mit Preisdumping Konkurrenten ausschalten wollen. Es gehört ebenfalls zum Vergaberecht, solche Dumpingver suche zu erkennen und zu bekämpfen. Wie die Tariftreue dient dies dazu, eine faire Wettbewerbsordnung zu sichern, ohne die eine soziale Marktwirtschaft nicht bestehen kann.

Meine Damen und Herren, der Kampf der Opposition gegen Mindestlohn und Tariftreue zeigt vor allem eines: Sie wollen keine soziale Marktwirtschaft. Sie wollen eine Wirtschafts ordnung, die dem freien Spiel der Kräfte gehorcht – ohne fai ren Wettbewerb und sozialen Ausgleich. Damit schaden Sie unserem Wirtschaftsstandort, gefährden Arbeitsplätze in un serem Land und untergraben die Grundlage unseres wirt schaftlichen Erfolgs. Deswegen werden wir Ihren Gesetzent wurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Reith.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Guter Mann! – Ge genruf des Abg. Hans-Peter Storz SPD: Nur bei der falschen Partei!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Wir werden heute im Parlament wieder einmal Zeuge da von, was geschieht, wenn grün-rotes Wunschdenken auf die Wirklichkeit in der Praxis trifft. Trotz unserer guten Argumen te werden Sie heute vermutlich nicht über Ihren Schatten springen und werden den Gesetzentwurf der FDP/DVP ableh nen.

Es zeigt sich einmal mehr, dass der Ministerpräsident nicht die Ikone einer von ihm selbst propagierten Wirtschaftspartei ist, sondern dass kompetente Wirtschaftspolitiker in den Rei hen der Regierungsfraktionen eher auf der Roten Liste der be drohten Arten zu finden sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Knapp zwei Jahre nach Einführung des baden-württembergi schen Tariftreue- und Mindestlohngesetzes durch die Landes regierung lässt sich klipp und klar feststellen: Dieses grünrote Gesetz hat den Faktencheck nicht bestanden. Keines der

bei der Einführung des Gesetzes verfolgten Ziele konnte in der Praxis auch nur annähernd erreicht werden. Lassen Sie mich auf drei Fakten kurz eingehen.

Fakt Nummer 1: Mehr Bürokratie gab es noch nie. Kommu nen, das Handwerk, die Bauwirtschaft, alle Anwender des Ta riftreue- und Mindestlohngesetzes beklagen eine nicht mehr hinnehmbare Bürokratie. Umfangreiche Dokumentations- und Nachweispflichten rauben gerade kleinen und mittleren Un ternehmen die Zeit für ihr eigentliches Kerngeschäft.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, dementieren das öffentlich immer. Schauen Sie sich aber nur einmal die Verpflichtungserklärung des Regierungspräsidiums Stuttgart – Sie haben daraus zitiert –, die Unternehmerinnen und Unternehmer zu unterschreiben haben, an. Darin ver pflichten Sie diese, die Einhaltung jederzeit nachzuweisen und vollständige und prüfungsfähige Unterlagen vorzuhalten. Was so einfach klingen mag, ist in der praktischen Anwendung ge rade für kleine und mittlere Unternehmen kaum mehr leistbar. Dazu reichen die Aufzeichnungen für die Lohnabrechnungen, wie es Herr Schmiedel heute Morgen gesagt hat, bei Weitem nicht aus.

Mit dem seit 1. Januar 2015 geltenden Mindestlohngesetz der von CDU, CSU und SPD getragenen Bundesregierung fallen die Nachweis- und Dokumentationspflichten sogar doppelt an. Die sogenannte Mindestlohndokumentationspflichten-Ver ordnung von SPD-Arbeitsministerin Nahles setzt diesem gan zen Bürokratiewahnsinn noch die Krone auf und führt zu zu sätzlicher Rechtsunsicherheit.

Wir Freien Demokraten fordern Sie von Grün-Rot deshalb auf: Machen Sie, die Landesregierung, von Ihren Möglichkei ten Gebrauch, und stoppen Sie diese Bürokratielawine.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Fakt Nummer 2: Der Mindestlohn hilft nicht den Betroffenen. Die grün-rote Landesregierung feiert sich für das Gesetz mit der Behauptung, sie verhindere Lohndumping, insbesondere bei eventuell beauftragten Nachunternehmen.

Zu diesem Thema möchte ich an dieser Stelle nichts weiter ausführen; denn wir haben in der ersten Lesung schon darü ber debattiert.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das wäre aber inter essant!)

Die FDP/DVP-Fraktion möchte aber dem von Grün-Rot ver mittelten Eindruck entgegentreten, dass es in Baden-Württem berg flächendeckend zu Lohndumping komme.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wer hat das gesagt?)

Gerade aus dem Mittelstand bekommen wir tagtäglich zu hö ren: „Wir haben kein Problem mit einem Lohn von 8,50 € pro Stunde. Wir zahlen unseren Mitarbeitern deutlich mehr.“

Damit möchte ich zur nächsten grün-roten Mär kommen, näm lich zu der Mär, dass Sie mit diesem Gesetz die redlichen Un ternehmer vor den unredlichen Unternehmern schützen wür den und so ein fairer Wettbewerb entstünde. Das Gegenteil ist

der Fall. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regie rungsfraktionen, Sie verschärfen damit sogar das Ungleich gewicht im Wettbewerb.

In der Anhörung bestätigte uns die Bauwirtschaft, dass sich durch den Regelungsgehalt des Gesetzes die Anwendung de facto auf die baden-württembergischen Unternehmen be schränkt, was zu einer Ungleichbehandlung mit Unternehmen anderer Länder führt.

Der Handwerkstag legte eindrucksvoll dar, dass in Deutsch land ein Flickenteppich von vergabespezifischen Mindestlöh nen besteht: 8,50 € in Baden-Württemberg, 8,62 € in Nord rhein-Westfalen und 8,70 € in Rheinland-Pfalz. Für uns Freie Demokraten hat das nichts mit gleichen Regeln und freiem Wettbewerb zu tun.

Fakt Nummer 3: Das Gesetz ist wirkungslos. Kollegin Lind lohr von den Grünen hat in der ersten Lesung und auch heu te die Omnibusunternehmer als Kronzeugen für die Notwen digkeit der Beibehaltung des Tariftreuegesetzes angeführt. Grün-Rot verschweigt aber tunlichst die Ernüchterung, die beim WBO seit der Einführung des Tariftreue- und Mindest lohngesetzes eingetreten ist.

Der WBO beklagte in der Anhörung, dass einige Unterneh men, die bei Ausschreibungen den Zuschlag bekommen ha ben, sich ganz offensichtlich nicht an das Gesetz hielten, ob wohl sie die entsprechende Tariftreueerklärung unterschrie ben haben. Die Vergabestellen sind nach der Meinung des WBO gar nicht in der Lage, die Lohnstrukturen der Unterneh men zu durchleuchten und so entsprechende Kontrollen über die Einhaltung der Vorgaben des Tariftreue- und Mindestlohn gesetzes durchzuführen. Selbst die grün-rote Landesregierung scheint keine Erkenntnisse über die Wirksamkeit des eigenen Gesetzes zu haben.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Aber beibehalten will es der WBO doch, oder?)

Im Zuge eines Berichtsantrags der FDP/DVP-Fraktion muss ten Sie von Grün-Rot zugeben, dass Sie über die Auswirkun gen in der Praxis nicht Bescheid wissen, und zwar weder über die Fallzahlen noch über die verhängten Vertragsstrafen oder andere Maßnahmen.

Nach den Ergebnissen der Anhörung ist es schon sehr verwun derlich, dass die Landesregierung behauptet, grundsätzliche oder nennenswerte Probleme mit dem Gesetz seien nicht be kannt. Es bleibt festzuhalten, dass dieses Gesetz offensicht lich nichts anderes als ein Papiertiger ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Freie Demokraten im Parlament steht fest: Ein Gesetz, das den Faktencheck in der Praxis nicht besteht, gehört in den Papierkorb. Eine grünrote Landesregierung, die nichts von den Anliegen der mittel ständischen Wirtschaft versteht, gehört abgewählt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Hofelich das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! An diesen Schlusssatz von Cato dem Älteren muss man sich jetzt wohl gewöhnen. Ich halte dage gen – nur damit Sie es wissen, Herr Reith –: In Baden-Würt temberg ist in den vergangenen Jahren eine mittelstands freundliche Politik gemacht worden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Diskussion über den Ge setzentwurf im Plenum sowie im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft hat klar gezeigt: Es gibt kein einziges wirklich schlagendes Argument für eine Aufhebung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes. Heute sind die Argumente nur wieder holt worden. Der Kollege Paal hat in die Welt gesetzt, GrünRot würde Äußerungen des Finanz- und Wirtschaftsministers „nachplappern“. Dieses Wort fällt eher auf Sie zurück, weil man im Grunde genommen nichts Neues mehr hört. Dennoch will ich mich in meinen Ausführungen selbstverständlich auch damit auseinandersetzen.

Die drei Gründe, die von der FDP/DVP vorgetragen worden sind, laufen aus unserer Sicht ins Leere. Nehmen wir einmal den ersten Punkt, der immer unter der Überschrift „Bürokra tiemonster“ firmiert. Vorhin kam der Begriff „Wahnsinn“ hin zu.

Hierzu sage ich als jemand, der schon seit neun Jahren dabei ist, rein von der analytischen Seite aus gesehen: Liebe Kolle ginnen und Kollegen, das, was wir jetzt haben, ist in dem gro ßen Bürokratieberg, der uns unterstellt wird, nur eine kleine Schicht. Das heißt, mit all dem, was in der Vergangenheit in der öffentlichen Verwaltung an Bürokratie aufgebaut worden ist, für das Sie mit verantwortlich sind, wären Sie knapp an dem, was man als „Wahnsinn“ und als „Bürokratiemonster“ bezeichnet. Ich weiß gar nicht, wie Sie zu so einer Wortwahl kommen. Sie bringen ständig eine staatliche Ordnung und ei ne staatliche Regulierung in Misskredit. Auch das ist etwas, was die Leute nicht mehr wünschen, Kolleginnen und Kolle gen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Tariftreue- und Mindestlohngesetz ist ein schlankes Ge setz, das gerade auf neue Verwaltungsstrukturen verzichtet. Stichwortartig nenne ich die Eigenerklärung und die Tatsa che, dass wir keine Kontrollinstanz vorgesehen haben. Das Gesetz ist hinsichtlich der Umsetzung so unproblematisch und unbürokratisch, wie es nur irgendwie geht.

Ich denke, dass der Praxistest – – Kollege Paal hat in den Raum gestellt, er kenne die Praxis. Die Praxis ist wesentlich entspannter und entzerrter.