Protocol of the Session on February 5, 2015

Die Frage ist jetzt, wie das Verhältnis zwischen der CDU und dem Islam aussieht. Seit rund zehn Jahren erkennen immer wieder einzelne CDU-Politiker, dass der Islam ein Teil Deutsch lands ist.

2006 hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Bun destag zur Islamkonferenz gesagt – ich zitiere –:

Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen.

2010 gab es dann die berühmte Äußerung des Altbundesprä sidenten Wulff – die habe ich vorhin schon zitiert –, und fünf Jahre später, zu Beginn des Jahres 2015, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch des türkischen Ministerpräsiden ten Ahmet Davutoglu gesagt: „Der Islam gehört zu Deutsch land.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob der Islam zu Deutsch land gehört, ist keine historische Frage. Es ist vielmehr eine Frage des aktuellen gesellschaftlichen Lebens. Es ist eher ei ne Frage des Gefühls und der Toleranz als ein geschichtlicher Forschungsgegenstand. Wer Integration will, wer pluralisti sche Gesellschaften will, wer Offenheit und Toleranz will, muss aufhören, die Ausgrenzungskeule zu schwingen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Entscheidend ist nämlich nicht, ob man in eine Kirche oder eine Moschee geht. Entscheidend ist, ob man hier lebt, sich als Teil dieser Gesellschaft, dieses Landes fühlt, ob man sich mit ihr identi fiziert und Verantwortung übernimmt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig!)

Gradmesser ist der gelebte Alltag und nicht die Geschichts schreibung. Gerade in Zeiten von „Pegida“ ist es deshalb er forderlich, dass wir zeigen: „Wir haben keine Angst vor einer anderen Religion“, und dass es keine Berührungsängste mehr geben muss, nur weil wir selbst nicht – auch ich nicht – bis ins letzte Detail mit dem Islam vertraut sind.

Bei der CDU sehe ich leider noch einige Vorurteile und Ab wehrreflexe, wenn es um den Islam geht. Die Frage ist: Wie geht Herr Wolf mit dem Islam um? Herr Wolf, Sie sind in den letzten Wochen und Monaten im Rahmen des CDU-internen Wahlkampfs viel durch das Land gefahren und haben Mär chen erzählt,

(Abg. Peter Hauk CDU: Woher wissen Sie das? Wa ren Sie dabei?)

beispielsweise das Märchen von den Weihnachtsmärkten, die in Zukunft nun angeblich Wintermärkte heißen sollen,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das hat er in Ulm auch er zählt! Beim Jahresempfang!)

oder das Märchen vom Sonne-Mond-und-Sterne-Umzug, wie der Martinsumzug jetzt heißen soll.

Lieber Kollege Wolf, das sind Zitate aus der WELT und der „Schwäbischen Zeitung“. Das, was Sie hier gesagt und getan haben, ist fahrlässig, ist gefährlich und ist verantwortungslos. Deshalb fordere ich Sie hier und an dieser Stelle auf, klar Po sition zu beziehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben das bis heute nicht geklärt. Zuletzt haben Sie im In terview am 18. Januar bei der „Schwäbischen Zeitung“ auf die Frage, wie Sie zu der Feststellung der Kanzlerin stehen, dass der Islam zu Deutschland gehört, geantwortet: „Musli me gehören zu Baden-Württemberg.“

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Richtig! So ist es!)

Lieber Kollege Wolf, ohne ein Bekenntnis zum Islam gibt es keine Muslime.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist doch Quatsch!)

Wenn Muslime zu diesem Land gehören, dann gehört auch der Islam zu diesem Land. – So viel zur Deutschkenntnis.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ein Unter schied!)

Fazit: Der Islam gehört zu Deutschland. Den Islam als Teil Deutschlands und Teil Baden-Württembergs zu akzeptieren bedeutet nicht, christliche Traditionen über Bord zu werfen. Das bedeutet nicht, Weihnachtsmärkte in Wintermärkte um zubenennen. Das bedeutet nicht, Martinsumzüge in SonneMond-und-Sterne-Umzüge umzubenennen oder jeden musli mischen Feiertag zu begehen.

„Der Islam gehört zu Baden-Württemberg“ bedeutet, den Is lam als Teil unseres Landes, unserer Gesellschaft anzusehen.

Das bedeutet, zu akzeptieren, dass unsere Gesellschaft sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten verändert hat. Das bedeutet, anzuerkennen, dass auch an deutschen Schulen islamischer Unterricht in deutscher Sprache stattfindet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da haben wir nichts dagegen!)

Das bedeutet, dass es wichtig ist, dass auch in Deutschland Imame ausgebildet werden, und das bedeutet auch, z. B. die religiösen Traditionen im Bereich der Bestattung zu akzeptie ren, was wir ja hier verändert haben.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Ich weiß nicht, was für Konflikte Sie hier heraufbeschwören, die gar nicht da sind!)

Ja, es ist gut. – Viele muslimische Mitbürgerinnen und Mit bürger sind Deutsche und verstehen sich auch als solche.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist gut so!)

Sie leben hier, sind, wie gesagt, im Fußballverein, im Kegel klub, Tanzverein und sonst irgendwo aktiv.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nicht alle!)

Es gibt natürlich auch Frauen mit Kopftuch, es gibt Menschen, die kein Schweinefleisch essen oder keinen Alkohol trinken. All das ist anders,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist aller Ehren wert!)

anders als in der christlichen Tradition. All dies kann auf den ersten Blick befremdlich sein. All dies sind aber keine Bedro hungen, all dies sind auch keine Gründe dafür, den Islam ab zulehnen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wer sagt denn so was?)

So, wie viele Muslime sich als Teil Deutschlands verstehen, sollten auch wir sie mit ihrer Religion akzeptieren. Nur durch seine vielfältige Gesellschaft ist Baden-Württemberg heute das, was es ist: ein erfolgreiches und weltoffenes Bundesland. Ich würde Ihnen empfehlen, sich auch einmal mit der Wirt schaft zu unterhalten, was sie davon hält, wenn man so eng stirnig durch die Lande zieht und solche Märchen erzählt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich wünsche mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir alle in diesem Hohen Haus heute gemeinsam ein Zeichen set zen, ein Zeichen für Toleranz, ein Zeichen für Weltoffenheit und ein Zeichen für den Islam als Teil Baden-Württembergs.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Dr. Lasotta das Wort.

Herr Präsident, werte Kol leginnen und Kollegen! Frau Aras, ich verstehe Ihre ganze Aufregung nicht. Sie beschwören Konflikte herauf, die gar nicht vorhanden sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Wenn es einen Konsens gibt, wer Teil dieser Gesellschaft ist, ist er in diesem Parlament vorhanden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die Feinde, die Populismus machen, sind draußen – das ist die AfD, das sind Leute, bei denen Kriminelle bei irgendwel chen Demonstrationen vorn stehen und die Leute aufhetzen –, aber sicherlich nicht hier im Parlament und mit Sicherheit nicht bei der Christlich Demokratischen Union, die mitten in der Gesellschaft steht und für Toleranz, für gemeinsame Wer te, für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und für Religionsfreiheit eintritt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Deswegen kann man manche Debatten einfach heraufbe schwören und angebliche Konflikte konstruieren, die mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben und vor allem Ihrem ei gentlichen Anliegen überhaupt nicht gerecht werden.

Natürlich gehören die Muslime zu Baden-Württemberg und zu Deutschland. Sie sind Teil unserer neueren Geschichte, le ben hier seit Generationen, teilweise in der dritten, vierten Ge neration, sind absolut verfassungstreu – der große, überwie gende Teil. Und sie sind in dieser Gesellschaft engagiert, sind als Krankenschwestern, als Ärzte, in der Automobilindustrie, in den Parlamenten und überall tätig, sind Teil unserer Gesell schaft und bereichern unsere vielfältige Gesellschaft. Als welt offenes, tolerantes Land betrachten wir sie als einen Gewinn. Wir freuen uns über die Muslime, die ihren Beitrag zu unse rer Gesellschaft leisten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)