Der Ansatz von 4,82 Millionen € wird also um die Kosten der Behindertenbeauftragten bei den Stadt- und Landkreisen ge kürzt.
In der Ausschussberatung hat das Sozialministerium gesagt, in diesem Jahr gebe es voraussichtlich 200 000 bis 400 000 € Ausgabereste. Die Behauptung, die Personalkostenerstattung sei in der mittelfristigen Finanzplanung so vorgesehen wor den, trifft nicht zu. Das zeigen zum einen die Ansätze im Staatshaushaltsplan 2013/2014. Noch aussagekräftiger ist aber der Bericht über die Beratung des Finanz- und Wirtschafts ausschusses am 23. November 2012, Drucksache 15/2609:
Mit keinem Wort wurde auf die Finanzierung von Behinder tenbeauftragten bei den Stadt- und Landkreisen eingegangen. Entweder hat man einen gesonderten Haushaltstitel verges sen, oder aber die Öffentlichkeit sollte falsch informiert wer den und es findet eine fast schon skandalöse Umschichtung statt.
Statt innovativer Projekte zur Umsetzung der Inklusion wer den jetzt Behindertenbeauftragte bei den Stadt- und Landkrei sen finanziert, die bereits im Einsatz sind, und zwar mit viel Erfolg.
Unser Ansinnen in unserem Antrag war es, diese budgetier ten Mittel in voller Höhe für Inklusionsprojekte in den Stadt- und Landkreisen zu verwenden, statt in bereits vorhandene personelle Strukturen zu geben. Dieses Gesetz hat zur Folge, dass es künftig weniger konkrete Maßnahmen geben wird.
Die FDP/DVP-Fraktion wird aus den genannten Gründen dem angesprochenen Teil des Gesetzes nicht zustimmen können. Allen anderen Abschnitten werden wir zustimmen. Wir bean tragen deshalb eine abschnittsweise Abstimmung.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Jahr 2009 gilt in der Bundesre publik die UN-Behindertenrechtskonvention. Zentrales Hand lungsprinzip dieses völkerrechtlichen Vertrags ist die Inklusi on. Dabei geht es in erster Linie um einen Paradigmenwech sel, nämlich weg vom Thema „Fürsorge und Integration“ hin zur Inklusion. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Behin derungen selbstverständlich in allen Lebensbereichen an der Gesellschaft teilhaben, genauso wie Menschen ohne Behin derungen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention beeinflusst daher maß geblich die Politik der Landesregierung für Menschen mit ei ner Behinderung, und sie erfordert zwangsläufig eine Neuori entierung des Landes-Behindertengleichstellungsgesetzes, denn mit der UN-Behindertenrechtskonvention wird ein neuer Blick auf das Thema Behinderung etabliert.
Deshalb war es uns auch wichtig, das im Entwurf vorliegen de Gesetz auf den Weg zu bringen. Damit wird der Begriff der Behinderung ebenfalls neu definiert. Denn die Behinderung besteht aus einer Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbezogenen Barrieren. Oder einfacher gesagt: Man ist nicht behindert, man wird behindert.
Wenn Sie in diesem Zusammenhang das im Entwurf vorlie gende Gesetz auf die Frage reduzieren, ob kommunale Behin dertenbeauftragte nun ehrenamtlich oder hauptamtlich finan
ziert werden oder was der richtige Weg sei, und mühsam ei nen scheinbaren Streit konstruieren, dann wird das allem Möglichen gerecht, aber nicht dem Anliegen der Menschen mit einer Behinderung und nicht dem Anliegen des vorliegen den Gesetzentwurfs.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich sagen: Diese Schimäre von der Hin- und Herschieberei der Haushaltsmit tel, die eben konstruiert wurde, entspricht mitnichten der Re alität. Das Geld für die Ausstattung der kommunalen Behin dertenbeauftragten wurde nicht abgezwackt oder nicht zulas ten von Inklusionsprojekten verwendet, sondern das Geld war von Anfang an für die Novellierung des Landes-Behinderten gleichstellungsgesetzes vorgesehen.
Lieber Herr Haußmann, wenn Sie hier schon so mit den Ti telgruppen um sich werfen, dann sollte Ihnen doch auch klar sein, dass man im Haushalt nicht die Gelder einstellen kann, wenn eine gesetzliche Grundlage noch nicht vorhanden ist.
Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, fällt kein ein ziges Inklusionsprojekt im Land weg. Im Gegenteil: Durch unser Gesetzesvorhaben werden weitere Inklusionsprojekte erst recht gefördert. Dafür brauchen wir auch die kommuna len Behindertenbeauftragten, denn wir wollen die Interessen der Menschen mit einer Behinderung vor allem auf der kom munalen Ebene stärken. Gerade auf der kommunalen Ebene ist eine wirksame Vertretung besonders wichtig, denn schließ lich werden hier die meisten Entscheidungen getroffen, die das Lebensumfeld und den Alltag der Menschen mit einer Be hinderung prüfen.
Später. Sie wissen ja, Kol lege Raab, dass ich schlecht Nein sagen kann. Deswegen ma chen wir das später.
Doch was ich sagen will: Mit dem Gesetz werden Weichen gestellt für das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung. Darum ist es auch wichtig, dass die Interessen vertretung der Menschen mit einer Behinderung vor Ort ge währleistet wird. Baden-Württemberg – Kollege Poreski hat es erwähnt – ist damit bundesweit das erste Land, das eine sol che Verpflichtung gesetzlich verankert.
Bislang, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt das Lan des-Behindertengleichstellungsgesetz nur sehr eingeschränkt für die Kommunen. Aber die Anforderungen der UN-Behin dertenrechtskonvention gelten auch für das Verwaltungshan deln auf kommunaler Ebene. Deshalb werden die Kommunen mit dem vorgelegten Gesetz konsequent in den Anwendungs bereich des Gesetzes einbezogen. Damit wird eine Lücke im bislang geltenden Gesetz geschlossen.
Ich finde das besonders wichtig, weil wir starke Vertretungen der behinderten Menschen vor Ort in der Kommune und eben so einen starken Behindertenbeauftragten bzw. eine starke Be hindertenbeauftragte auf Landesebene brauchen.
Deshalb wird das Verfahren zur Bestellung der Landes-Be hindertenbeauftragten im Gesetz geregelt. Im Gesetzentwurf haben wir auch klargestellt, dass diese Person unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend tätig ist und zu dem ein Beteiligungsrecht bei Gesetzen und Verordnungsvor haben sowie die gesetzlich garantierten Ressourcen für die Aufgabenwahrnehmung erhält. Auch das war eine Forderung aus der Anhörung, die wir gern aufgegriffen haben.
Ein weiteres wichtiges Gremium der Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen ist der Landes-Behindertenbei rat. Er wurde auch in Ihren Redebeiträgen schon erwähnt. Bis her war er nicht im Gesetz verankert. Mit der Neufassung wird sich dies ändern, denn die Beteiligung der betroffenen Men schen soll gestärkt werden. Es soll mehr Transparenz geschaf fen werden.
Zudem soll mit dem Gesetzentwurf auch der Partizipation Rechnung getragen werden. Denn wer, wenn nicht Menschen mit einer Behinderung, sind Kundige in eigener Sache? Des halb sind sie auch im Beirat stimmberechtigt, während die üb rigen Mitglieder beratend tätig sind. Ich denke, damit wird Ih rem vorhin formulierten Anliegen Rechnung getragen.
Mit dem Gesetzentwurf erweitern wir auch die Möglichkeit der Verbandsklage. Eine Beweislastumkehr wird eingeführt. Das bedeutet, dass es künftig genügt, wenn Menschen mit Be hinderungen die Tatsachen beweisen, die eine Benachteili gung vermuten lassen. Dann muss die Behörde nachweisen, dass sie das Benachteiligungsverbot nicht verletzt hat. Ich denke, auch dies ist im Sinne der Teilhabe und der Partizipa tion ganz wichtig.
Im Gesetzentwurf geht es auch um Barrierefreiheit. Gemeint ist die kommunikative Barrierefreiheit. An einigen Stellen in der Anhörung wurde formuliert, dass es in § 8, in dem die kommunikative Barrierefreiheit dargestellt ist, noch Verbes serungen bedarf. Hier wurden Verbesserungsvorschläge auf genommen.
Für die bauliche Barrierefreiheit ist und bleibt die Landesbau ordnung zuständig. Das ist auch richtig so.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es freut mich, dass der Gesetzentwurf sowohl in der schriftlichen Anhörung als auch in der öffentlichen Anhörung im Sozialausschuss eine so breite Unterstützung gefunden hat. Das hat uns gezeigt, dass wir in Sachen Inklusion auf dem richtigen Weg sind.
Klar ist aber auch, dass wir das Ziel einer inklusiven Gesell schaft nicht allein mit der Neufassung des L-BGG erreichen werden. Deshalb kann das Gesetz auch kein Endpunkt sein. Wir müssen vielmehr immer wieder neu darüber nachdenken, welche Strukturen und Ressourcen wir benötigen, um Teilha be und Gleichberechtigung zu erreichen. Inklusion ist eine Aufgabe, die nicht mit der heutigen Gesetzesverabschiedung endet, auch nicht mit den Feiertagen. Inklusion muss uns viel mehr Begleiter sein bei allen politischen Vorhaben. Die Neu fassung des Landes-Behindertengleichstellungsgesetzes ist ein bedeutender Schritt in diese Richtung.
Wenn Sie uns darüber hinaus auf dem Weg zur Inklusion un terstützen wollen, weise ich darauf hin, dass die Landesregie rung die Inklusionskampagne „DUICHWIR Alle inklusive“ auf den Weg gebracht hat. Sie spricht Mitmenschen mit einer Behinderung, Menschen mit einer nicht sichtbaren Behinde rung oder Menschen ohne Behinderung an. Ich glaube, es wür de dem Parlament von Baden-Württemberg gut zu Gesicht stehen, wenn sich hier alle übergreifend beteiligen würden.
Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/5936. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, Drucksache 15/6171.
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen in Abschnitt I der Beschluss empfehlung, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sind Sie da mit einverstanden, dass ich gemäß dem Antrag von Herrn Abg. Haußmann zunächst die Abschnitte 1 bis 3 des Gesetzent wurfs, die aus den §§ 1 bis 12 bestehen, und danach die wei teren Abschnitte zur Abstimmung stelle? – Dies ist der Fall.