Protocol of the Session on November 26, 2014

wenn wir keine Debatte über Türschilder, sondern über päda gogische Konzepte führen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann fan gen Sie endlich damit an!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleiterinnen und Schulleiter in unserem Land sind ständige Gesprächspartner in dem Prozess, gemeinsam die richtigen Antworten zu finden.

Wir wissen alle, dass auch und gerade die Realschulen sich großen Herausforderungen gegenübersehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Eine der Herausforderungen lässt sich sehr gut in Zahlen aus drücken. Im Schuljahr 2013/2014 hatten an den Realschulen Baden-Württembergs gut 24,3 % der Schülerinnen und Schü ler eine Haupt- oder Werkrealschulempfehlung, gut 57 % ei ne Realschulempfehlung und gut 18,4 % eine Gymnasialemp fehlung. Das Thema Heterogenität ist für die Realschulen ein Thema, das sie schon in der Vergangenheit als tägliche Rea lität wahrnehmen konnten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Natürlich wurde dies durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung verstärkt. Aber es ist nicht da durch entstanden. Deswegen haben sich doch zu Recht alle Schularten bereits in der Vergangenheit über den Umgang mit Heterogenität, über die Veränderung ihrer pädagogischen Kon zepte viele Gedanken gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ziemlich ein deutig: Die Realschule von heute kann nicht mehr die Real schule von vor 20 Jahren sein, und sie ist es auch nicht mehr, wenn sie ihren Schülerinnen und Schülern weiterhin gerecht werden will, wenn sie weiterhin eine Erfolgsgeschichte sein will, wie sie es in der Vergangenheit war.

Bereits im Frühjahr 2013 habe ich in meiner Regierungser klärung zur regionalen Schulentwicklung dargelegt, dass wir für die Zukunft der Bildung in Baden-Württemberg ein Zwei säulensystem brauchen, weil es die richtige Antwort auf die demografischen Veränderungen ist, wenn wir in der Fläche des Landes starke, qualitätsvolle und stabile Schulstrukturen vor allem auch bei den weiterführenden Schulen haben wol len.

Wenn wir dies anerkennen, dann müssen wir zwingend auch die Frage beantworten, wie sich die Pädagogik in unseren Schulen auf diese neue Situation des Zweisäulensystems ein stellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich diesen Weg zum Zweisäulensystem als einen eigentlich im Konsens zu gehenden bezeichnen darf, dann wundern mich schon Ihre dif fusen Äußerungen, die bis heute eben keine Antwort erken nen lassen, auch kein Konzept, das auch nur ansatzweise in sich stimmig wäre.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Andere Pädago gik!)

Wenn ich dann in Ihre Fraktion blicke und Besuche in Wahl kreisen Ihrer Abgeordneten mache, wo mir stolz gezeigt wird und ich vor Ort höre, dass die Weiterentwicklung zu einer Ge meinschaftsschule, dass intelligente Lösungen auch im Ver bund zwischen Haupt-, Werkrealschulen und Realschulen

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

und die Perspektive, sich auf integrativem Weg weiterzuent wickeln, von den Lehrkräften, von den Eltern, von den kom munal Verantwortlichen als richtige Lösung betrachtet wer den, dann wundert mich Ihr Auftritt, Herr Kollege Wacker, den Sie heute wieder einmal abgeliefert haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der war sehr gut!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich

(Abg. Georg Wacker CDU: Kein Applaus!)

zusätzlich Ihre Veröffentlichungen anschaut,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Kommen Sie noch zum Thema? Das ist ja unerträglich! – Zu ruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

hat man den Eindruck, Sie wollten das Schulartenportfolio be liebig auffächern und am liebsten jedem potenziellen Wähler seine eigene Schulart ins Wohnzimmer bauen. Eine Verbund schule, eine regionale Verbundschule oder eine differenzierte Realschule – Bezeichnungen über Bezeichnungen, aber nie mand weiß genau, was Sie meinen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die SPD be antragt eine Realschuldebatte, und der Minister sagt nichts dazu!)

Gleichzeitig würden Sie natürlich auch noch jedem gern ver sprechen, dass er seine Haupt- und Werkrealschule behalten kann. Ich frage Sie an dieser Stelle: Ab wann können wir mit Ihnen einen echten Diskurs

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es sind Fragen ge stellt! Die können Sie beantworten!)

über die pädagogischen Herausforderungen in unseren Schu len führen? Wann gelangen Sie darüber hinaus,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Warum fragen Sie uns? Sie sind der Handelnde!)

eine Debatte über Türschilder zu führen? Wann schaffen Sie es endlich, Ihren gebetsmühlenhaft vorgetragenen Vorwurf der Ideologie,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hat das der Zeller geschrieben? – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

der Verblendung und Ungleichbehandlung hinter sich zu las sen? Sie haben keine Antworten, Sie bleiben in der Polemik hängen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen ist es für mich der richtige Weg gewesen, in den vergangenen einein halb Jahren intensive Gespräche darüber zu führen, wie auch an den Realschulen – der Problemdruck an den Realschulen dürfte unbestritten sein – die richtigen Antworten auf die ver änderten Herausforderungen gefunden werden können. Des wegen freut es mich, dass wir insbesondere mit der Arbeits gemeinschaft der Realschulrektoren, die gut drei Viertel aller

Schulleiter dieser Schulart vertritt, und auch mit der Gewerk schaft Erziehung und Wissenschaft in einem äußerst konst ruktiven Dialogprozess Überlegungen angestellt haben, wie wir die Realschulen auf diese Herausforderungen vorbereiten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da halte ich es für durchaus naheliegend, dass man sich das, was an Vorschlägen auch aus diesen Bereichen kommt, sehr genau anschaut und prüft.

Um auf die Fragen von Herrn Kollegen Dr. Kern zu antwor ten: Einer der Vorschläge war – das kann nicht verwundern; die CDU hat nämlich einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet –, dass man in den Klassen 5 und 6 in einer Orientierungsstu fe

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist in Ordnung! Inhalte! Zu den Inhalten sollen Sie etwas sagen!)

die Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet, und zwar auf den unterschiedlichen Niveaus. Wenn Sie Schüler in verschiedenen Niveaus integrativ unterrichten, dann brauchen Sie, um Binnendifferenzierung durchzuführen, auch unter dem Ziel, zieldifferent zu unterrichten, zwingend einen anderen pä dagogischen Ansatz als einen rein auf den Lehrer zentrierten Ansatz.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Wie ist es mit dem Sitzenbleiben?)

Dann brauchen Sie Elemente des individuellen Lernens.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Lassen Sie mich doch Frage für Frage beantworten. Keine Schnappatmung. Zuhören!

Wir brauchen Antworten auf die Frage, wie wir Schülerinnen und Schüler dann möglicherweise auf unterschiedliche Ziele vorbereiten können. In diesem Fall glaube ich, dass die Ar beitsgemeinschaft der Realschulrektoren und auch die GEW dies zu Recht als den richtigen Weg bezeichnen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Niemand hat die Ab sicht, die Realschule abzuschaffen!)

Wenn es um die Frage von Versetzungsentscheidungen geht, dann ist es – das ist auch ein Vorschlag der AG der Realschul rektoren und der GEW – für mich relativ plausibel, dass eine Versetzungsentscheidung zum Ende der Klasse 5 ausgesetzt wird, weil die Klassen 5 und 6 als Orientierungsstufe gemein sam zu sehen sind. Dann wird eine Schülerin bzw. ein Schü ler am Ende von Klasse 6 unter Geltung der normalen Multi lateralen Versetzungsordnung – diese gilt weiterhin – in die nächste Klasse versetzt, und zwar auch mit dem Hinweis da rauf, ob die Versetzung auf Basis des grundlegenden Niveaus, also des Hauptschulniveaus, oder auf Basis des mittleren Ni veaus, also des M-Niveaus, erfolgt. Auf diese Weise findet ei ne entsprechende Niveaudifferenzierung statt. Denn – das ist auch klar; es ist ebenfalls Gegenstand der Gespräche gewe sen – wenn es auch weiterhin Noten geben soll – Sie wissen, dass es auch andere Leistungsmessverfahren gibt als Noten –

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ach? Tatsächlich?)

und wenn auch weiterhin die Multilaterale Versetzungsord nung gelten soll, dann müssen Sie diese auch anwenden. Dann muss diese auch umgesetzt werden.

Es gibt in pädagogischer Hinsicht natürlich gewisse Zwänge, beispielsweise was die Frage einer Niveauzuweisung angeht. Aber – das muss auch klar sein – ein Ziel von Bildungspoli tik – da sind wir uns wohl alle einig – liegt darin, dass wir Schülerinnen und Schülern Durchlässigkeit gewährleisten müssen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die haben wir schon lange!)

und zwar Durchlässigkeit bezogen auf Leistungssteigerungen, die Schülerinnen und Schüler durchaus auch nach Klasse 4 oder nach Klasse 6 aufweisen können. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich es für den richtigen Weg,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

dass wir in der Weiterentwicklung der Realschule das Kind, den Jugendlichen ins Zentrum der Betrachtung stellen.