Protocol of the Session on November 12, 2014

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein, freie Redezeit!)

Ich will Sie einmal fragen: Was ist denn mit den angeblichen Wahlgeschenken, wenn man genau hinschaut? Was steckt da hinter? 1,2 Milliarden € Zuführung für Beamtenpensionen: Halten Sie das für ein Wahlgeschenk? 480 Millionen € für den Abbau des Sanierungsstaus: Ist das ein Wahlgeschenk? 300 Millionen € Risikovorsorge oder jetzt 200 Millionen € Risi kovorsorge für Flüchtlinge: Ist das für Sie ein Wahlgeschenk? Nein, das ist das Notwendige für das Land, und das liegt ge nau auf der Linie der bisherigen Haushalte. Wahljahr hin oder her, wir bleiben unserer Linie treu: Konsolidieren, Sanieren, Investieren. Genau dies gilt auch für den Doppelhaushalt 2015/2016.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

An einem Punkt will ich jetzt schon noch einmal ansetzen, weil die steigenden Ausgaben für die Unterbringung von Flücht lingen natürlich auch für den Haushalt an Bedeutung gewin nen. Unsere Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlin gen haben sich im Vergleich zum Beginn unserer Regierungs zeit mindestens verfünffacht. Diese Ausgaben sind aber eine humanitäre Notwendigkeit. Ich würde mir wünschen, dass es

uns gelingt, bei diesem Thema die bisherige Tonlage in der Landespolitik und in diesem Landtag zu halten. Deshalb war ich verwundert, Herr Hauk, als Sie angefangen haben, das wohltarierte System der Rückführung von abgelehnten Asyl bewerbern infrage zu stellen. Denn Sie haben gesagt, auf der einen Seite gebe es die anerkannten Asylbewerber – die blei ben natürlich –, und auf der anderen Seite gebe es bei den ab gelehnten diejenigen, die abgelehnt seien, und diejenigen, die geduldet seien. Das war Ihre Aussage.

(Abg. Peter Hauk CDU: Nein! Dann haben Sie nicht zugehört!)

Doch. Sie haben nur von den Geduldeten gesprochen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch nicht wahr!)

Sie wollen, dass die Abgelehnten konsequent zurückgeführt werden.

(Zuruf: Hört, hört! – Zuruf von der CDU: Ja, und oh ne Duldung!)

Ja, diejenigen, die kein Bleiberecht haben. Dabei möchte ich Sie auf eine feine Nuance hinweisen, weshalb das Ab schieben nicht so einfach ist. Es gibt zahlreiche Menschen, die kein Bleiberecht und keine Duldung haben, sondern ein individuelles humanitäres Abschiebehindernis aufweisen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Mi nisters Reinhold Gall – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Ich frage Sie: Wollen Sie die abschieben? Ja oder nein?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nennen Sie mal die Zahlen! Wie viele sind es überhaupt? Das ist eine ent scheidende Frage! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist egal!)

Das ist die Gretchenfrage für die CDU-Flüchtlingspolitik: Wollen Sie dieses System der individuellen Abschiebehinder nisse aufgrund von Krankheit, Schule, Ausbildung infrage stellen?

(Zurufe von der CDU)

Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Zurufe von der CDU)

Das ist der Grund, weshalb die Zahl der Rückführungen in al len Bundesländern das aktuelle Niveau erreicht hat. Ich kann Sie nur davor warnen – denn ich sehe Ihre erneute Erregung bei dem Thema –,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja, genau! Herr Röhm ist völlig erregt!)

den bisherigen Konsens in dieser Frage aufgrund von popu listischen, kurzfristigen Vorteilen infrage zu stellen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein, wir wollen nur wissen, wie viele es sind!)

Ich sage Ihnen – Ihre Reaktion zeigt mir das ganz genau –, dass Sie aufpassen müssen. Herr Hauk ist sozusagen einschlä

gig bekannt, was Koalitionsspekulationen mit der AfD anbe langt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Mi nisters Reinhold Gall)

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Diskussion Einzug in die Landespolitik hält. Vielmehr sollten wir uns klar zur hu manitären Verantwortung Baden-Württembergs bekennen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Mi nisterpräsidenten Winfried Kretschmann – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sie sind gegen die Rückfüh rung! – Glocke der Präsidentin)

Ich finde es ganz großartig, dass Sie da weitermachen. Denn das zeigt mir, wes Geistes Kind Sie in dieser Frage sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein! Ich lasse mich von Ihnen nicht mundtot machen! – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der Herr Minister.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich möchte das noch einmal eindeutig klarstellen: Diese Landes regierung hält an dem bewährten rechtlichen System fest,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da verwahren wir uns dagegen!)

das einerseits die Duldung, andererseits die individuellen, hu manitär begründeten Abschiebehindernisse beinhaltet, und selbstverständlich werden diejenigen, bei denen keine solchen Hindernisse zum Tragen kommen oder die keine Duldung ha ben, rückgeführt. Das macht Herr Innenminister Gall genau so wie seine Vorgänger. Das ist völlig normales Verwaltungs handeln. Da gibt es gar kein Vertun.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich halte fest, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Opposition, insbesondere die CDU, hat trotz einer 65-minü tigen Suada ihres Fraktionsvorsitzenden wenig zum Haushalt gesagt. Wir, die Landesregierung, haben nach dieser Debatte allen Grund, an unserem Dreiklang aus Konsolidieren, Sanie ren und Investieren festzuhalten. Wir haben die Fakten auf den Tisch gelegt. Von Ihnen kommt nur ein verbales Bekennt nis zu Einsparungen, kommen aber keine konkreten Vorschlä ge. Deshalb ist klar: Die Verbalsparer sitzen nach wie vor in der Opposition, die Realsparer, die Haushaltssanierer, die für eine solide Haushaltspolitik einstehen, sind an der Regierung und werden es hoffentlich noch lange bleiben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Mi nister Reinhold Gall, Rainer Stickelberger und Franz Untersteller – Zuruf: Jawohl!)

Damit Sie sehen, dass wir es ernst meinen, empfehle ich Ih nen einen Blick in die mittelfristige Finanzplanung, die in der Tat um die Ergebnisse der November-Steuerschätzung über arbeitet werden wird.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der 11. 11. war doch gestern!)

Insofern möchte ich kurz darstellen, wie sich die mittelfristi ge Finanzplanung für die Jahre 2017 und 2018 zeigt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Mündlich!)

Wir haben einen haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf für die Jahre 2017 und 2018 in einer Größenordnung von rund 1,5 Milliarden €. Legen Sie mich jetzt nicht auf 100 Millio nen € mehr oder weniger fest. Es geht mir nur um die Grö ßenordnung. Es sind 1,5 Milliarden €. Sie haben eine mittel fristige Finanzplanung mit einem haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf von fast 3 Milliarden € hinterlassen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: So ist es! – Zuruf von der CDU: Bei deutlich geringeren Steuereinnah men!)

Sie hatten noch die Chuzpe, bei 3 Milliarden € haushaltswirt schaftlichem Handlungsbedarf einfach eine Null in Ihre Fi nanzplanung hineinzuschreiben, weil es sich besser darstel len lässt. Genau damit haben wir aufgehört. Wir machen eine solide mittelfristige Finanzplanung, und deshalb steht auch für die Jahre 2017 und 2018 trotz der Nullneuverschuldung im Jahr 2016 ein mittlerer Betrag in der Planung. Der Minis terpräsident hat bereits im Sommer immer wieder gesagt, in den Jahren 2017 bis 2018 werde ein Betrag in der Größenord nung von maximal einer halben Milliarde auszugleichen sein, um die Nettokreditaufnahme auf null zu bringen, und zwar jenseits des haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarfs. Ge nau so steht es jetzt in der mittelfristigen Finanzplanung.

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen – darin besteht auch der Ehrgeiz dieser Landesregierung –: Wenn es irgendwie möglich ist, wollen wir selbstverständlich auch in den Jahren 2017 und 2018 die Nettonull erreichen. Denn der Weg zur Nettonull, die dann für 2019 in der Finanzplanung ausgewie sen ist, ist klar vorgegeben. Ausweislich des haushaltswirt schaftlichen Handlungsbedarfs, den wir in der mittelfristigen Finanzplanung darlegen, haben wir schon eine mächtige Weg strecke zurückgelegt. Deshalb ist diese mittelfristige Finanz planung im Unterschied zu Ihrem Vorschlag eine seriöse und angemessene Planung, die den Weg zur Nettonull klar auf zeigt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn wir die Zahlen auf den Endpunkt des Finanzplans 2020 projizieren, dann eröffnet uns die Nettonull im Jahr 2019 so gar die Möglichkeit, in niedriger dreistelliger Millionenhöhe im Jahr 2020 Schulden zu tilgen. Es ist dann Aufgabe der Po litik, abzuwägen, ob man dann wirklich Schulden tilgt oder mehr investiert. Das muss dann der Landtag für das Jahr 2020 entscheiden.

Das zeigt doch aber an, dass diese mittelfristige Finanzpla nung weggeht von der Logik des Strohfeuers, einmal eine Net tonull zu erreichen, und hin zu der Logik der Schuldenbrem se des Grundgesetzes, den Haushalt strukturell bis zum Jahr 2020 ausgleichen zu können. Wenn wir das ein Jahr früher

schaffen, ist es umso besser. Dann können wir 2020 überle gen, was wir mit den Tilgungsspielräumen anfangen. Das zeigt doch aber an, dass wir ausgehend von Ihrem haushaltswirt schaftlichen Handlungsbedarf, von Ihrem strukturellen Defi zit in Höhe von 2,5 Milliarden € ein mächtiges Stück voran gekommen sind.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Allein durch höhere Steuereinnahmen!)

Wir wollen diesen Weg konsequent weitergehen.