Protocol of the Session on October 16, 2014

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache über den Gesetzentwurf hat das Prä sidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Dr. Stolz.

Die CDU-Fraktion begrüßt die einhellige Zustimmung auch im Vorfeld. Die Einwände sind alle ausgeräumt. Kirchen und Verbände haben Stellung ge nommen und bejahen dieses Gesetz. Wir begrüßen dieses Ge setz ebenfalls. Wir denken, das Vorhaben wird der Bedeutung dieses Datums gerecht. Es wird ja immer darauf hingewiesen, dass die Reformation ein weltgeschichtliches Ereignis war, das Folgewirkungen auf Kultur und Gesellschaft hat und un ser Verhältnis zwischen Politik und Religion bis heute prägt.

Vielleicht darf man doch, obwohl es vielleicht selbstverständ lich erscheint, die einen oder anderen Kernsätze nennen, auch wenn wir kurz vor der Mittagspause stehen. Denn ich glaube, auch Selbstverständlichkeiten im Verhältnis zwischen Staat und Religion müssen immer wieder bewusst gemacht werden. Es muss immer wieder hinterfragt werden, wie man damit um geht.

Für Luther lag die Verantwortung für das Seelenheil zunächst beim Einzelnen, bei seinem Glauben und seiner Kenntnis der Bibel, und nicht bei der Kirche und auch nicht bei der Obrig keit. Genau diese Aufwertung des Einzelnen und seines Ge wissens hat nicht nur die Religion, sondern auch unsere Ge sellschaft und Politik bis heute geprägt. Liberale Demokratie und Menschenrechte bauen – nicht nur, aber ganz zentral – auf dieser Grundlage auf.

Wenn wir in die Welt schauen – auch im Vergleich zu den Re ligionen und Gesellschaften, die diese Grundlage nicht haben –, dann wissen wir, dass dieses Thema auch sehr aktuell ist. Es wird uns auch bewusst, was wir da an guter Grundlage be sitzen.

Die Reformation war auch Ausgangspunkt der Kirchenspal tung. Die politische Landschaft Deutschlands und Europas ist davon geprägt worden, bis hin zum 30-jährigen Krieg. Das hat das Verhältnis zwischen Politik und Religion, Staat und Kirche bestimmt. Die Lehre aus diesen Glaubenskriegen war, dass Glaubensfragen von staatlicher Herrschaft zu trennen sind. Der Einzelne sollte in der Wahl seiner Konfession frei sein; der Herrscher konnte Gesetzestreue einfordern, aber kein Glaubensbekenntnis. Wenn wir in die Welt schauen, sehen wir die ganz aktuelle Bedeutung dieser Gedanken.

Unser Staat ist trotzdem kein atheistischer, kein religions feindlicher Staat. Der liberale Staat der Gegenwart kann und darf heute nicht mehr beanspruchen, Fragen der Religion und der Weltanschauung für alle Bürger allgemeingültig zu beant worten. Aber er muss den Raum geben und Rahmenbedingun

gen schaffen, damit Fragen der Werte und ihrer Letztbegrün dung in der Gesellschaft auch Platz haben. Manche sagen heu te: Diese Wertevoraussetzungen, die der Staat braucht, sind heute immer weniger religiös begründet.

Manche wollen religiöse Fragen deshalb möglichst überhaupt aus dem öffentlichen Leben ausschließen. Ich halte das für grundfalsch. Mag auch die Bedeutung der Institution Kirche abgenommen haben, die Bedeutung von Religion und die Be deutung des christlichen Glaubens ist für die meisten in unse rer Bevölkerung hoch, nur die Formen haben sich geändert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb darf die Politik religiöse Grundlagen unserer Gesell schaft nicht vernachlässigen und auch nicht beiseiteschieben. Dazu gehört z. B., dass sie das subsidiäre Wirken der Glau bensgemeinschaften in der Gesellschaft wertschätzt und auch ermöglicht. Das reicht hin zu den Wohlfahrtsverbänden, das reicht hin zu den Privatschulen; da könnte man schon auch konkreter werden und auch immer wieder kritisch hinterfra gen, ob diese Wertschätzungen und diese Rahmenbedingun gen in ausreichendem Maß gegeben sind.

Gedenktage sollten nie allein Tage des Rückblicks sein. Sie sollen auch Anlass sein, darüber nachzudenken, wie das Ge wonnene und Erlebte für die Zukunft nutzbar gemacht wer den kann. Ich denke an die Eigenverantwortung, die Luther eingefordert hat. Die Eigenverantwortung des Einzelnen droht in unserem Wohlfahrtsstaat durchaus zu verkümmern, wenn sich der Staat in überbordender Fürsorge vieler Belange des Einzelnen annimmt und ihn in einem immer enger werdenden Netz von Vorschriften in die Bevormundung treibt und, an dersherum, Eigenverantwortung in einer Fülle von Ansprü chen gegenüber anderen immer weniger gefragt scheint.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Ende.

Ich bin sofort fertig. – Ich den ke, es lohnt sich, in der Politik auch parteiübergreifend darü ber nachzudenken. Vielleicht kann das Feiern der Reformati on auch entsprechende Impulse in die Politik hineingeben. Mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz wird zumindest das Fei ern gesichert, aber für inhaltliche Impulse in beide Richtun gen gibt es noch viele Möglichkeiten. Da sind durchaus auch die Landesregierung und die Fraktionen gefragt, sich gegen seitig Impulse zu geben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Halder das Wort.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Die religiöse Vielfalt in Baden-Württemberg nimmt zu, die christlichen Kirchen verlieren Mitglieder. Gleichzeitig dis kutieren wir heute darüber, den Reformationstag im Jahr 2017 zum einmaligen gesetzlichen Feiertag zu erheben.

Provokativ könnte man die Frage stellen, ob die Politik diese gesellschaftliche Entwicklung übersieht. Meine klare Antwort ist: Nein. Die Reformation ist nicht bloß von großer religiö ser Bedeutung. Der Thesenanschlag von Martin Luther 1517 stellt auch ein bedeutendes gesellschafts- und kulturprägen des Ereignis in Deutschland und darüber hinaus dar. Aus die sem Grund halten wir es für wichtig und richtig, den 500. Jah restag des Thesenanschlags zu würdigen und ihn zum einma ligen gesetzlichen Feiertag im Jahr 2017 zu erheben.

(Beifall der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Die Reformation steht für Freiheit im Glauben, Aufklärung und Menschenrechte. Diese Themen sind in Zeiten, in denen religiöse Minderheiten, beispielsweise in Syrien und im Irak, verfolgt werden, aktueller denn je. Deshalb halte ich eine Aus einandersetzung mit Luther und der Reformation sowohl auf gesellschaftlicher und politischer Ebene als auch im Bildungs bereich für wichtig.

Mit den Themenjahren der Lutherdekade wird genau diese Verknüpfung hergestellt. Es werden die Zusammenhänge von Reformation und Freiheit, Reformation und Toleranz, Refor mation und Politik sowie Reformation und „Eine Welt“ the matisiert.

Die kritischen Fragen, die Luther vor knapp 500 Jahren auf geworfen hat, können wir auch heute noch stellen und uns mit ihnen auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung muss da bei nicht zwingend auf religiöser Ebene stattfinden; auch aus humanistischer Sicht finden sich hier zahlreiche Anknüpfungs punkte. Die kritische Hinterfragung von gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen, das Stellen kritischer Fragen, war Luthers Ausgangspunkt. Luther war auch ein Kind seiner Zeit. Dies wird in zahlreichen Äußerungen, beispielsweise sei nen Äußerungen zu den damaligen Bauernaufständen oder seinen unsäglichen Äußerungen zum Judentum, deutlich.

Die parteiübergreifende Einigkeit sowohl im Deutschen Bun destag als auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz im De zember 2012, den Reformationstag zum einmaligen gesetzli chen Feiertag zu erheben, ist für mich ein positives Signal. Wir wollen die Reformation gemeinsam als besonderes Er eignis würdigen, welches das politische, kulturelle und gesell schaftliche Leben bis heute nachhaltig geprägt hat.

Ich freue mich daher auf die Unterstützung des von der Lan desregierung vorgelegten Gesetzentwurfs.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Reusch-Frey.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland ist das Land der Reformation.

(Vereinzelt Beifall)

Kein anderes Land wird so stark und so klar und eindeutig mit der Reformation in Verbindung gebracht wie unser Land. Ost und West und eben auch der Südwesten bilden ein Ganzes.

Die Wartburg und die Schlosskirche in Wittenberg mit Mar tin Luther dort und hier bei uns Bretten mit Melanchthon, Schwäbisch Hall und Stuttgart mit Johannes Brenz, Reutlin gen mit Matthäus Alber, Konstanz mit Ambrosius Blarer, Hei delberg mit dem berühmten Katechismus und, und, und – das ist Geschichte. Das ist Geschichte pur für Baden-Württem berg, und das hat bei uns Geschichte geschrieben. Das gehört zu Baden-Württemberg und hat eine Wirksamkeit entfaltet, die bis heute prägend ist. Deshalb wollen wir gemeinsam fei ern und am 31. Oktober 2017 einen arbeitsfreien Reformati onstag begehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Meine Damen und Herren, die Reformation gehört zu unse rem Land. Der Reformation verdanken wir einen ganz ent scheidenden Impuls für den Aufbruch in unsere moderne Le benswelt. Mit dem arbeitsfreien Tag sagen wir ein besonde res Ja, ein Ja zur Demokratie und zu den Menschenrechten, zur Toleranz und kulturellen Vielfalt, zum friedlichen Mitei nander der Religionen und Weltanschauungen, zur Freiheit und Gleichheit aller Menschen wie auch zur Verantwortung des Einzelnen und vor allem zum Recht auf gute Bildung für alle. In jedem dieser Aspekte atmet der Geist der Reformati on und ist das reformatorische Erbe enthalten.

Deshalb wollen wir am 31. Oktober 2017 innehalten, uns die ser historischen Wurzeln bewusst werden, die Gegenwart be denken und in die Zukunft blicken. Reformation recht ver standen bedeutet nämlich auch immer einen ständigen Erneu erungs- und Veränderungsprozess.

Meine Damen und Herren, die Reformation hat die Kirche verändert, und das hat ihr insgesamt gutgetan wie auch der Gesellschaft. Aus der Reformation ist nicht nur die evangeli sche Kirche hervorgegangen, die Reformation hat auch die katholische Kirche verändert und manches in Bewegung ge setzt, viel mehr als manche denken. Deshalb steht es den Kir chen gut an, das Gemeinsame zu betonen, das Miteinander hervorzuheben und dann 2017 wirklich ökumenisch zu feiern.

Dass da jemand arbeiten müsse, ist also keine Ausrede. Der 31. Oktober 2017 wird bundesweit arbeitsfrei sein, denn wie es aussieht, macht auch das bisher noch eher schwankende Berlin mit. Der bundesweit arbeitsfreie Reformationstag setzt ein deutliches Signal. Hoffentlich hört man es bis nach Rom. Vielleicht kommt sogar der Papst zum 500. Reformationsju biläum nach Deutschland.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Haben Sie ihn schon eingeladen?)

Ein arbeitsfreier Reformationstag für unser Bundesland hat auch wirtschaftliche Auswirkungen. Gerade deshalb gilt es hervorzuheben, dass Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid ohne Zögern das Okay dafür gegeben hat –

(Staatssekretär Ingo Rust: Sehr gut! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Weil Herr Rust da bei ist!)

wohl auch, weil er um die Bedeutung der protestantischen Ar beitsethik weiß,

(Staatssekretär Ingo Rust: Richtig!)

die sich im Mittelstand und in den anderen Unternehmen bei uns sowie im Fleiß der Menschen wie auch im Erfindergeist auswirkt und zeigt. Dass von der evangelischen Kirche der Vorschlag für einen arbeitsfreien Tag zum 500. Jubiläum des Reformationstags kam, zeigt, dass Protestanten nicht nur ar beiten können, sondern dass sie auch ordentlich feiern wol len.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus der SPD-Frak tion kam schon am 25. Januar 2013 die Initiative für einen ar beitsfreien Reformationstag. Jetzt liegt ein entsprechender Ge setzentwurf vor, der von allen Fraktionen befürwortet wird. Das ist sehr gut. Ein Dank geht an Innenminister Reinhold Gall für die sorgfältige Ausarbeitung des Gesetzentwurfs. Wir sind damit so rechtzeitig dran, dass sich Kirche, Gesellschaft und die Wirtschaft darauf einstellen können. Der 500. Refor mationstag kann wirklich ein denkwürdiger Tag werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich hätte, Herr Präsident, in der Tat die se Debatte auch für einen möglichen Fall für das gestern erst mals erprobte Dreiminutenmodell gehalten, nicht etwa weil die Bedeutung des Themas gering wäre, sondern weil wir uns ja nun wirklich komplett einig sind. Auch in der Durchfüh rung wird es wahrscheinlich das Innenministerium nicht über fordern.