Protocol of the Session on October 16, 2014

Es wurde dann gesagt: „Wir kommen den Kommunen entge gen.“ Es wurde aber nicht gesagt, wie weit. Es wurde auch keine etwaige Zielmarke angegeben. Dazu würden wir uns auch konkretere Aussagen wünschen.

Und letztlich: Frau Öney, Sie haben erklärt, Sie könnten sich vielleicht ein Pooling auf Kreisebene vorstellen. Das wäre auch ein Beitrag zur gegenseitigen Hilfe der Landkreise bei unterschiedlicher Belastung. Wir würden uns wünschen, dass Sie konkret formulieren, wie Sie sich das vorstellen und ob die Möglichkeit besteht, dies umzusetzen.

So viel in der ersten Runde.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Öney.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gipfeltreffen bewirken keine Wunder – das wissen wir auch –, aber sie können ver schiedene Akteure zusammenbringen und ein Forum dafür sein, Ideen zu sammeln, Maßnahmen zu konkretisieren und auch zu bündeln. Ich glaube, genau das ist mit dem Flücht lingsgipfel gelungen. Deswegen auch von mir einen herzli chen Dank an alle, die daran mitgewirkt haben und sich mit konstruktiven Ideen oder auch mit Kritik eingebracht haben. Allen voran danke ich Ministerpräsident Kretschmann, der sich nicht gescheut hat, ein so schwieriges und sensibles The ma so aktiv anzugehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Im Unterschied zu Ihnen, oder wie? Nachdem Sie es nicht so aktiv angegangen sind! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Viel zu spät! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Die Ministerin hat das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Leistungszulage! – Leb hafte Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Ich sehe vor allem drei Aufgabenschwerpunkte.

Erstens: Es geht natürlich um die Aufnahme der Menschen, die bei uns Schutz suchen.

Zum Zweiten geht es um diejenigen, die nicht nur kurzfristig da sind, sondern längerfristig da sind. Es muss uns gelingen, diese Menschen zu integrieren.

Und drittens – damit komme ich zu dem Punkt, den auch Herr Mack angesprochen hat –: Natürlich muss es bei hohen Flücht lingszahlen gelingen, die damit einhergehenden Probleme ge samtgesellschaftlich zu lösen und die damit verbundenen Las ten auch gerecht zu verteilen.

Zum ersten Punkt, der Aufnahme von Flüchtlingen: Es ist nicht nur unsere humanitäre, sondern auch unsere rechtliche Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen und menschenwürdig un terzubringen. Deshalb unternehmen wir zusammen mit den Regierungspräsidien größte Anstrengungen, die Zahl der Erst aufnahmeplätze in Baden-Württemberg zu erweitern. Das ma chen wir nicht erst seit gestern, sondern wir machen es schon seit einiger Zeit.

Ich weiß, Herr Hauk hat schon vorher darauf hingewiesen – wofür ich ihm sehr dankbar bin. Offenbar sind seine hellse herischen Fähigkeiten besser ausgeprägt als meine.

(Beifall des Abg. Marcel Schwehr CDU)

Möglicherweise erklärt das auch, warum er seine Bewerbung um die Spitzenkandidatur zurückgezogen hat.

(Lachen bei der SPD – Beifall bei den Grünen – Zuru fe, u. a. Abg. Thomas Blenke CDU: Oh Herr, schmeiß Hirn ra! – Glocke des Präsidenten)

Nach Prognosen des Bundesamts für Migration und Flücht linge benötigen wir mehr als 4 500 Plätze. Das bedeutet, dass wir neben der Einrichtung in Karlsruhe mindestens vier wei tere Landeserstaufnahmeeinrichtungen brauchen. Meßstetten wird eine wichtige Zwischenstation sein, um diesem Ziel nä herzukommen.

(Anhaltende Unruhe – Zurufe: Pst!)

Die auf zwei Jahre angelegte Einrichtung in der ZollernalbKaserne soll noch in diesem Monat in Betrieb gehen. Mit Ell wangen führen wir ebenfalls sehr konstruktive Gespräche. Ich bin Herrn Mack und auch Herrn Kiesewetter sehr dankbar, die sich auch sehr konstruktiv in den Prozess eingebracht haben.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hört, hört!)

Ellwangen soll im ersten Quartal 2015 folgen. Tübingen und Freiburg stehen in den Jahren 2015 und 2016 auf dem Fahr plan

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

und Mannheim, wenn möglich, sogar noch früher.

(Abg. Peter Hauk CDU: Und was passiert bis dahin?)

Darüber hinaus müssen wir uns natürlich auch für unvorher gesehene Notfälle rüsten, beispielsweise wenn wieder Auf nahmeeinrichtungen in anderen Bundesländern schließen. Dieser Fall trat im September ein. Das erklärt auch die hohe Zahl von 6 000 Flüchtlingen, die wir im September und im Oktober unterzubringen hatten. Für solche Fälle wollen wir zeitnah eine Reserve von etwa 3 000 Plätzen schaffen.

Als geeignete Gebäude und Flächen sehen wir natürlich die leer stehenden ehemaligen Bundeswehrkasernen, aber auch US-Liegenschaften, wie wir sie in Heidelberg, in Mannheim und in Schwetzingen haben. Die leer stehenden Gebäude sind zumindest in einem ordentlichen Zustand und könnten schnell für die Aufnahme gerüstet werden.

Die betreffenden Städte könnten uns helfen, einen Puffer für Notlagen zu schaffen. Es geht hier nicht – das betone ich – um

dauerhafte Lösungen, sondern es geht wirklich nur um Aus weichquartiere für den Notfall.

Neben den Plätzen an sich brauchen wir auch bei den Inte rimslösungen die Infrastruktur, die Betreuung und die nötige Technik. Diese Aufgabe gehen wir in stabsmäßiger Verwal tungsorganisation auf Ebene der Ministerien und des Regie rungspräsidiums Karlsruhe an.

Meine Damen und Herren, ich will zum zweiten Schwerpunkt kommen, zur Integration von Flüchtlingen, die dauerhaft hier bleiben. Wir müssen versuchen, bei ihnen so früh wie mög lich die Grundlagen für eine gelingende Integration zu schaf fen. Mit dem Kompromiss im Asylrecht können Flüchtlinge endlich viel früher als bisher in das Erwerbsleben einsteigen. Der Wegfall der Residenzpflicht, die Verkürzung des Arbeits verbots auf drei Monate sowie die Befristung der Vorrangprü fung auf 15 Monate sind wichtige Reformen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir stehen erst am Anfang dieser Reform. Die Gesetze sind noch gar nicht in Kraft getreten. Aber wir müssen natürlich schon Vorsorge treffen, damit die Integration gelingen kann und damit nach Jahren erzwungener Untätigkeit

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die letzten dreieinhalb Jahre!)

für Zigtausende von Asylbewerbern und geduldeten Menschen die Integration in den Arbeitsmarkt gelingen kann.

Stichworte sind dabei natürlich die Sprache und die berufli che Qualifikation. An den Schulen werden mithilfe von 200 Deputaten die Vorbereitungsklassen aufgestockt und auf Re alschulen, Gymnasien und berufliche Schulen ausgedehnt.

Gleichzeitig soll so früh wie möglich geklärt werden, auf wel cher Schulbildung die Kinder und Jugendlichen aufbauen kön nen. Das sollten wir am besten schon in der LEA erheben.

Daneben erhöhen wir auch die finanziellen Mittel für die Sprachförderung im vorschulischen Bereich. Auch dazu hat das Kultusministerium bereits Ankündigungen gemacht. Wir prüfen, wie wir das Angebot an qualifizierenden Sprachkur sen ausweiten können.

Wir wollen die Wege zu einer Arbeitsaufnahme beschleuni gen, indem wir die mitgebrachten Qualifikationen und Fähig keiten der Flüchtlinge erheben – auch das möglichst schnell schon in den LEAs oder in der vorläufigen Unterbringung.

In einem Punkt muss ich doch nach dem Bund rufen: Das Land entscheidet nicht über die Asylverfahren. Die Asylver fahren werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlin ge durchgeführt. Wenn es gelingt, das durchzusetzen, was sich die Große Koalition vorgenommen hat, nämlich die Asylver fahren auf drei Monate zu verkürzen, dann können wir tat sächlich ein zweistufiges Verfahren machen. Wenn wir wis sen, dass die Prognose besagt, dass der Flüchtling voraussicht lich in Deutschland bleibt, können wir mit den Integrations maßnahmen beginnen – nicht vorher; denn natürlich kostet auch das Geld.

Begleitend wird es ein Beratungsangebot zu Berufsqualifika tionen und Weiterbildungsmöglichkeiten geben. Es ist auch

daran gedacht, syrische Studierende und eventuell auch Stu dierende aus anderen Herkunftsländern mit einem Stipendi en- und Förderprogramm zu unterstützen. Schließlich prüfen wir, welche Fördermöglichkeiten genutzt werden können, um diejenigen zu unterstützen, die sich vor Ort um die neu an kommenden Flüchtlinge kümmern und ihnen das Einleben in die neue Umgebung erleichtern.

Meine Damen und Herren, zum dritten Aufgabenschwerpunkt, zur Lastenverteilung: Bei der Aufnahme, der Unterbringung, der medizinischen Versorgung und Betreuung sind alle staat lichen Ebenen gefordert. Wir brauchen die Solidarität zwi schen Bund und Land, wir brauchen die Solidarität zwischen dem Land und den Kommunen, aber natürlich auch innerhalb der Kommunen. Die Kosten nach dem Asylbewerberleistungs gesetz sind enorm gestiegen, und an diesen Kosten beteiligt sich der Bund bislang mit keinem Cent. Sie bleiben aus schließlich bei den Kommunen hängen bzw. bei den Ländern, soweit sie diese Ausgaben den Kommunen erstatten.

Das ist nicht hinnehmbar, und deswegen setzen wir uns natür lich auch für Verbesserungen und für Reformen auf der Bun desebene ein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn es in absehbarer Zeit schon keine Umstellung von dem überflüssigen Asylbewerberleistungsgesetz auf das normale Sozialleistungssystem gibt, dann muss sich der Bund in ange messenem Umfang an den Ausgaben beteiligen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das gilt ganz besonders für die Gesundheitskosten.

Außerdem brauchen wir eine gerechte Verteilung der hohen Flüchtlingszugänge innerhalb Deutschlands und innerhalb Ba den-Württembergs. Natürlich ist es für Länder, die nur 1 bis 3 % der Flüchtlinge aufnehmen müssen, leicht, Baden-Würt temberg oder Bayern für alle Flüchtlingsprobleme verantwort lich zu machen. Es ist jedoch nun einmal so, dass wir es hier mit anderen Zahlen, mit anderen Dimensionen zu tun haben. Deswegen fand ich es keinen schönen Akt, dass SchleswigHolsteins Ministerpräsident den baden-württembergischen Ministerpräsidenten auf eine derart unschöne Art und Weise angegriffen hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)