Krankgemeldet sind Herr Abg. Andreas Glück, Herr Abg. Bernd Hitzler, Herr Abg. Gerhard Kleinböck, Herr Abg. Sieg fried Lehmann und Herr Abg. Peter Schneider.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Frau Staats rätin Gisela Erler sowie ab 13:30 Uhr Herr Minister Peter Friedrich.
Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen, liebe Kol legin Graner, sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute. Die Blumen kommen später.
Regierungserklärung – Heimat, High Tech, High Speed – die Chancen der Digitalisierung für Baden-Württemberg nutzen
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Aussprache über die Regierungserklärung haben die Fraktionen freie Redezeit ver einbart.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! „ZF Fried richshafen kauft TRW“, „Apple bringt Gesundheitsmanager fürs Handgelenk heraus“, „Taxifahrer gehen gegen Uber auf die Straße“, „Nacktfotos von Prominenten aus der Cloud ge stohlen“, „Daimler baut in Immendingen Teststrecke für au tonomes Fahren“ – derartige Nachrichten sind für uns mitt lerweile so alltäglich geworden, dass wir sie heute oft gar nicht mehr im Gesamtzusammenhang wahrnehmen: als Zei chen eines historischen Wandels, als Ausdruck der zunehmen den Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, sich diesen Wandel in seiner Dynamik noch ein mal zu vergegenwärtigen.
Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Schlüsselinno vationen, die alles Bestehende umgewälzt und Fortschritt ge bracht haben. Manchmal kam dieser Wandel auf leisen Soh len, manchmal mit brachialer Kraft. Denken Sie an den Buch druck, der Wissen für alle zugänglich machte und zu einer Art „Urknall der Moderne“ führte. Oder denken Sie an die Erfin dung der Dampfmaschine, die die erste industrielle Revoluti on einleitete.
Auch die digitale Revolution, die wir derzeit erleben, wird die Art und Weise, wie wir produzieren, wie wir konsumieren, wie wir arbeiten und wie wir leben, grundlegend verändern. Neben Arbeit, Kapital und Rohstoffen werden Daten zu ei nem zentralen Produktionsfaktor.
Bereits heute können wir an fast jedem Ort der Welt fast jede Information erhalten, vom Sofa aus Pizza bestellen, Geld überweisen, Reisen buchen, das günstigste Angebot für einen Gebrauchtwagen finden, gigantische Datenmengen um den ganzen Globus schicken, über Ländergrenzen hinweg gemein sam an Projekten arbeiten.
Doch das war erst der Anfang. Der Wechsel der IP-Standards zeigt an, in welche Richtung die Reise geht: Der bisher gülti ge Standard sieht rund 8,5 IP-Adressen pro Quadratkilometer Erdoberfläche vor. Unter dem neuen Standard wird es nach Berechnungen von Fraunhofer 667 Billiarden IP-Adressen pro Quadratmillimeter Erdoberfläche geben. Mit anderen Worten: Die Welt wird immer digitaler, die Vernetzung schreitet mas siv voran, Schritt für Schritt entsteht ein digitales Abbild der Realität – und dazu noch in Echtzeit.
Inzwischen ist die Digitalisierung in der Industrie angekom men, in Branchen, für die Deutschland weltbekannt ist und bei denen Baden-Württemberg eine Spitzenstellung einnimmt. Ich spreche von Kernbranchen wie dem Automobilbau, dem Maschinenbau, der Elektrotechnik, der Medizintechnik oder der Energiebranche.
Die Stichworte lauten „Internet der Dinge“ und „Industrie 4.0“ als Teil des Internets der Dinge. Dabei geht es um die Ver schmelzung von Software und Hardware, um die Ausstattung von Geräten und Komponenten mit Sensoren, Funkchips, ei nem „digitalen Hirn“, und um deren Vernetzung.
Das bedeutet, dass alle Prozesse in und zwischen den Unter nehmen „durchdigitalisiert“ und vernetzt werden, sodass die Unternehmenssoftware z. B. automatisch nachbestellt, wenn die Rohstoffvorräte schwinden. Es bedeutet, dass meine Hei zung den Raum aufwärmt, wenn ich auf dem Nachhauseweg bin, dass ein Maßanzug zum Preis von Stangenware zu haben
sein wird oder dass ältere Menschen mithilfe autonom fahren der Autos länger als bisher selbstständig bleiben können. Man ches davon ist schon Realität, anderes noch Zukunftsmusik.
Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg hat hervorra gende Ausgangsbedingungen, um die Chancen der digitalen Revolution zu nutzen. Unser Mittelstand ist Weltspitze. In je dem zweiten Dorf gibt es bei uns einen Hidden Champion. Baden-Württemberg ist führend unter denjenigen Staaten und Regionen Europas, die die besten Voraussetzungen für die Fa brik der Zukunft bieten.
Die Unternehmen in unserem Land sind nicht nur Teil des Wandels, sie treiben ihn auch im internationalen Maßstab ent scheidend voran und gestalten ihn mit.
Mit jährlichen Ausgaben von 19,5 Milliarden € investiert Ba den-Württemberg mehr als ein Viertel des Investitionsvolu mens ganz Deutschlands. Das sind über 5 % des Bruttoin landsprodukts, während der Durchschnitt in Deutschland knapp 3 % beträgt.
Bei den IKT-Patentanmeldungen liegen wir doppelt so gut wie der Bundesdurchschnitt. Und nun stärken wir die Hochschu len noch einmal mit zusätzlich 1,7 Milliarden € und machen den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg topfit für die Zukunft.
Unser Land hat eine vielseitige und gesunde Wirtschaft. Das schließt aber auch in der Zukunft Strukturprobleme nicht aus. Darauf müssen wir uns einstellen.
Lothar Späth hat in seiner Amtszeit wichtige Impulse gesetzt, um unser Land zukunftsfähig zu halten, beispielsweise durch die Gründung des Forschungszentrums Informatik.
Seine Worte sind heute ebenso gültig wie damals. Nur die He rausforderung hat sich geändert. Heute liegt sie in der forcier ten digitalen Revolution unserer Wirtschaft – oder, wie es das „Handelsblatt“ vor einigen Monaten auf eine Formel brachte, als Google den Heizungssteuerungsspezialisten Nest kaufte: „Google gegen Bosch“.
Es geht bei der Digitalisierung allerdings nicht nur um Wirt schaft und Arbeit. Es geht auch um Bildung und Wissenschaft, um die Bedeutung der digitalen Revolution für den ländlichen Raum, um ihre Bedeutung für die Erhaltung unserer natürli chen Lebensgrundlagen, und es geht – daran hat uns der dies jährige Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhan dels, Jaron Lanier, am Wochenende noch einmal eindringlich erinnert – auch um gesellschaftspolitische und kulturelle Fra gen; es geht um unsere Menschen- und Bürgerrechte und die Gefahr, einen gläsernen Menschen zu schaffen.
Deshalb will die Landesregierung den digitalen Wandel zum Wohle aller gestalten und nimmt ihn nicht nur als wirtschafts politische, sondern gerade auch als gesellschaftspolitische Aufgabe an. Die Landesregierung hat bereits im Koalitions vertrag zentrale Leitlinien für die Gestaltung der Digitalisie rung verankert, beispielsweise in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur. Sie hat in der Folge zeit zahlreiche Dialogprozesse mit unabhängigen Experten aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Verbänden ini tiiert und auf dieser Basis eine Vielzahl wichtiger Konzepte und Maßnahmen entwickelt. Dafür möchte ich dem ganzen Kabinett danken.
Mein ganz besonderer Dank gilt dabei meinem Stellvertreter Minister Schmid, Ministerin Bauer und Minister Bonde, die mit den Strategien Forward IT, E-Science und der Breitbandinitiative II wichtige Beiträge leisten, um unser Land auf Zu kunftskurs zu halten.
Nachdem diese Konzepte und Maßnahmen nun zu einem Großteil das Umsetzungsstadium erreicht haben – übrigens anders als bei der Digitalen Agenda der Bundesregierung –, ist es an der Zeit, die Gesamtstrategie der Landesregierung zu skizzieren. Dabei werde ich mich auf fünf Punkte konzentrie ren.