Bei dieser Entwicklung haben wir als Land eine starke Ge stalterrolle, denn der Landtag entscheidet über zahlreiche In frastrukturmaßnahmen und hat darüber hinaus über den Bun desrat Einfluss auf Entscheidungen auf Bundesebene.
Die Alterung der Gesellschaft wird nicht nur auf dem Arbeits markt sichtbar werden. Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns erwarten wird, können wir derzeit in manchen Lan desteilen in den neuen Bundesländern beobachten. Dort, wo junge Menschen reihenweise ihre Heimat verlassen, weil sie vor Ort keine Ausbildungs- und Berufschancen sehen, wird deutlich, wie stark sich auch das ganze Umfeld verändert. Das betrifft die Frage der Verfügbarkeit eines öffentlichen Perso nennahverkehrs, wohnortnaher Schulen, die soziale Infra struktur mit Kindergärten, niedergelassenen Ärzten, Kliniken, Pflegeheimen, ambulanter Pflege und vieles mehr – kurz: Es ist eine Abwärtsspirale. Auch die Gestaltung der Innenstädte, besonders aber auch der Dörfer muss dieser Entwicklung an gepasst werden. Dazu brauchen wir weitere Ansätze, um den Standort Baden-Württemberg weiter attraktiv halten zu kön nen.
Bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht, sage ich: Die Tat sache, dass immer mehr Menschen ein höheres Lebensalter erreichen können – wie dies in unserem Land besonders der Fall ist –, ist ohne Frage begrüßenswert. Wir haben der Me dizin, den geänderten Lebensbedingungen und dem wachsen den Gesundheitsbewusstsein viel zu verdanken. Auch die in dividuelle Wahlfreiheit über das eigene Lebensmodell und die daraus resultierende häufige Berufstätigkeit qualifizierter Frauen ist im Interesse unserer Wirtschaft und auch der be troffenen Frauen und deren Familien sehr erfreulich.
Wir haben in diesem Hause gemeinsam viele Weichen dafür gestellt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbes
sern. Dennoch sind nicht viel mehr Kinder geboren worden, und das können wir kurzfristig nicht mehr ausgleichen. Des halb müssen unsere Anstrengungen noch intensiver in kon krete Maßnahmen münden, die den Mut junger Paare stärken, sich auf Kinder einzulassen. Unser Land, unsere Gesellschaft muss noch kinderfreundlicher werden.
Wenn wir die Vielfalt Baden-Württembergs mit einer ausge wogenen Mischung aus Mittelstand, großen Unternehmen, Landwirtschafts- und Forstbetrieben sowie kleinen Hand werksbetrieben, Handel und Dienstleistung mit verdichteten Räumen und landschaftlichen Reizen der schwächer besiedel ten ländlichen Gebiete erhalten wollen, müssen wir auch künf tig dafür sorgen, dass auch in ländlichen Räumen die Infra struktur erhalten und weiter gestärkt wird, die die Lebensqua lität der Menschen auf hohem Niveau erhalten kann.
Wir brauchen also im ländlichen Raum Kindergärten und Schulen. Wir brauchen dort auch eine wohnortnahe qualifi zierte ärztliche Versorgung mit guter Erreichbarkeit, sei es mit niedergelassenen Ärzten, Kliniken oder Sondereinrichtungen, und nicht zuletzt finanzierbare Wohnbaumöglichkeiten und einiges mehr.
Wir brauchen aber auch für die Menschen, die unseren Wohl stand erarbeitet haben, wohnortnahe Pflegeeinrichtungen, wenn schon die geforderte Flexibilität der Jüngeren bei der Arbeitsplatzwahl den Generationenvertrag durchlöchert. Wir brauchen auch auf dem Land attraktive Verkehrsverbindun gen und damit Firmen mit attraktiven Arbeitsplätzen, die sie für die dort lebenden Menschen anbieten können. Wir brau chen auch im ländlichen Raum Breitbandnetze für schnelles Internet und auch künftig eine flächendeckende Landwirt schaft und vieles mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich könnte die Auf zählung beliebig fortsetzen. Als Landtag können wir dazu wei tere und wichtige Akzente setzen.
Für den Schluss habe ich mir die Themen „Gesellschaftliche Entwicklung“ und „Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“ aufgehoben. Wo Menschen zusammenleben, gibt es je nach Ausgangslage unterschiedliche Interessen. Politik muss für die Menschen da sein, und wir müssen versuchen, deren un terschiedliche Interessen zusammenzuführen oder auszuglei chen. Maßstab darf hier nicht die Dominanz des Stärkeren sein, sondern wir brauchen hierzu ein ausgewogenes Werte system; ansonsten würden wir dem Trend hin zu einer Ellen bogengesellschaft Vorschub leisten.
Politik muss also Rahmenbedingungen für vielfältige Lebens bereiche schaffen, Rahmenbedingungen, die unser Menschen bild respektieren.
Wie uns die Nachkriegsgeschichte lehrt, ist es für die Politik aber nicht immer einfach, frühzeitig gesellschaftliche Weiter entwicklungen aufzunehmen und diese sensibel zu bewerten, sich damit auseinanderzusetzen und mit den richtigen Kon zepten darauf zu reagieren. Ziel unserer Arbeit muss daher – bei allen gegensätzlichen Auffassungen über den Weg – sein, die Rahmenbedingungen der verschiedensten Bereiche so zu koordinieren und zu verknüpfen, dass ein gedeihliches Mitei nander aller Menschen in Baden-Württemberg ermöglicht wird. Agieren ist besser als Reparieren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in diesem Sinn ge meinsam an die Arbeit in unserem 15. Landtag von BadenWürttemberg gehen.
Nach § 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags werden die Geschäfte, solange der Landtag nichts anderes beschließt, nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung des vorange gangenen Landtags geführt.
Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass der 15. Land tag die Bestimmungen der Geschäftsordnung des 13. Land tags einschließlich der als Probelauf zur Umsetzung des in terfraktionellen Antrags Drucksache 14/1550 zur Inneren Par lamentsreform und Geschäftsordnung getroffenen Maßnah men vorläufig weiter anwendet. Ein Exemplar dieser Ge schäftsordnung mit Anlage 1 – Offenlegungsregeln –, Anla ge 2 – Richtlinien für die Fragestunde – und Anlage 3 – Pro belauf – sowie weiteren wichtigen Regelungen liegt auf Ihren Tischen.
Die Fraktionen sind weiter übereingekommen, die Geschäfts ordnung noch in einigen Punkten – bezüglich der Zahl der Präsidiumsmitglieder, der Zahl der Schriftführerinnen und Schriftführer sowie der Zahl der Mitglieder des Notparlaments – zu modifizieren. Der Vorschlag zu diesen Modifizierungen liegt Ihnen ebenfalls vor (Anlage 1).
Wer der vorläufigen Übernahme der modifizierten Geschäfts ordnung zustimmt – ich denke, Sie haben Einblick genommen –, den oder die bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Machen wir die Gegenprobe. – Keine Gegenstimmen. Enthal tungen? – Es gibt auch keine Enthaltungen.
Meine Damen und Herren, gemäß § 3 Abs. 4 der Geschäfts ordnung muss zunächst die Beschlussfähigkeit des Landtags festgestellt werden. Ich bitte Frau Abg. Kurtz, den Namensaufruf vom Rednerpult aus vorzunehmen.
Zuvor möchte ich noch erwähnen, meine Damen und Herren: Bitte erheben Sie sich beim Aufruf Ihres Namens kurz, und antworten Sie mit „Hier“ oder mit „Ja“, wie Sie wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist noch eine Abge ordnete oder ein Abgeordneter im Saal, der oder die nicht auf gerufen worden ist? – Das ist nicht der Fall. Der Namensauf ruf ist beendet.
Meine Damen und Herren, der Namensaufruf hat ergeben, dass 137 Abgeordnete anwesend sind. Ich stelle also fest: Der Landtag ist beschlussfähig.
Als Wahlkommission für die Wahl der Präsidentin/des Präsi denten und der stellvertretenden Präsidenten berufe ich nach § 4 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags die Damen und Herren Abg. Dr. Bullinger, Heberer, Lindlohr, Locherer und Lusche.
Herr Präsident! Namens der CDUFraktion schlage ich Herrn Abg. Willi Stächele für das Amt des Landtagspräsidenten vor.
Sie haben den Vorschlag ge hört, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen. Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, nach § 4 Abs. 2 der Geschäftsord nung wird der Präsident in geheimer Wahl gewählt. Um die ser Vorschrift nachzukommen, darf ich Sie bitten, die Tele fonzellen auf der von mir aus gesehen rechten Seite des Ple narsaals als Wahlkabinen zu benutzen. Ein Mitglied der Wahl kommission – Herr Abg. Lusche, wenn Sie das bitte überneh men würden – nimmt vom Rednerpult aus den Namensaufruf vor, der in § 97 a der Geschäftsordnung vorgeschrieben ist. Die aufgerufenen Abgeordneten bitte ich, sich zur rechten Sei te des Plenarsaals zu begeben. Sie erhalten dort von einem Mitglied der Wahlkommission einen amtlichen Stimmzettel und einen Wahlumschlag.
Füllen Sie bitte den Stimmzettel in einer der Wahlkabinen aus, indem Sie den Namen des Abgeordneten, den Sie zum Präsi denten wählen wollen, auf den Stimmzettel schreiben. Sie sind an den Wahlvorschlag nicht gebunden. Der Stimmzettel darf aber nur einen Namen enthalten. Wenn Sie den Wahlvorschlag ablehnen, füllen Sie den Stimmzettel bitte mit „Nein“ aus. Nicht beschriebene Stimmzettel oder solche, auf denen „Ent haltung“ vermerkt ist, gelten als Stimmenthaltung. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stim men erhält. Werfen Sie den Stimmzettel bitte im Wahlum schlag in die hier am Rednerpult bereitstehende Wahlurne. Ein weiteres Mitglied der Wahlkommission wird in einer Namens liste festhalten, welche Abgeordneten gewählt haben.
Die Mitglieder der Wahlkommission bitte ich, ihre Stimme am Schluss abzugeben. Ich als Alterspräsident werde meine Stimme hier vom Platz aus abgeben dürfen.
Meine Damen und Herren, nachdem nun auch die Damen und Herren der Wahlkommission ihre Stimme abgegeben haben,
darf ich fragen: Ist jemand im Saal, der seinen Stimmzettel noch nicht abgegeben hat? – Ich sehe niemanden. Das ist al so nicht der Fall.
Ich schließe die Wahlhandlung und bitte die Wahlkommissi on, das Wahlergebnis festzustellen. Sie können währenddes sen gern im Saal bleiben und Ihre Plätze wieder einnehmen.
Auf Herrn Abg. Stächele entfielen 109 Stimmen. Mit Nein haben 15 Abgeordnete gestimmt. Zwölf Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Auf einen anderen Namen entfiel eine Stimme. Somit war keine Stimme ungültig.
Die Vertreter der Wahlkommission haben mich gebeten, mit zuteilen, dass man bei nachfolgenden Wahlen die Wahlum schläge bitte nicht zukleben möge.