Protocol of the Session on July 29, 2010

Ich darf für die Landesregierung Herrn Innenminister Rech das Wort erteilen.

Vielen Dank. – Herr Präsi dent, meine Damen und Herren Kollegen! Gute Reformen sind immer oder jedenfalls zuallermeist die Frucht mühsamer Arbeit des Entgegenkommens und des schrittweisen Vorwärts gehens. Das gilt auch und gerade für diese Dienstrechtsreform. Deren Entwurf liegt jetzt vor. Die Zeit, die wir bisher für den Reformprozess gebraucht haben, war, denke ich, gut inves tiert, weil wir unser Dienstrecht mit diesem Gesetz zukunfts fähig machen werden.

(Unruhe)

Ich will Ihnen die Ziele der Reform in aller Kürze darstellen. Mit dieser Reform verfolgen wir vier zentrale Ziele.

Erstens wollen wir die Attraktivität des öffentlichen Dienstes sichern und weiter stärken.

Zweitens gilt es, das Leistungsprinzip zu stärken. Gerade in Zeiten des Aufgabenwandels und der knapper werdenden per sonellen Ressourcen brauchen wir mehr denn je leistungsbe reite, engagierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitar beiter. Ihnen wollen wir auch in Zukunft attraktive Beschäf tigungsbedingungen und natürlich berufliche Perspektiven bieten.

Drittens – das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen – wollen wir die Durchlässigkeit zwischen dem öffentlichen Dienst und der Wirtschaft verbessern und die Eigenverantwortung des

Dienstherrn stärken. Dies dient der Erweiterung des persön lichen Horizonts und erleichtert auch den Wissenstransfer, und zwar den Transfer in beide Richtungen.

Viertens soll die Dienstrechtsreform auch zur Entbürokrati sierung beitragen, indem wir die Zahl der gesetzlichen Vorga ben reduzieren.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das ist richtig! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE deutet auf den Um fang des vorliegenden Gesetzentwurfs.)

Herr Kollege Oelmayer, dass dies ein umfangreiches Werk geworden ist, ändert nichts an der Zielsetzung, die ich eben formuliert habe. Ich denke, dieses Ziel werden wir auch errei chen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das fällt mir halt beim Thema Entbürokratisierung ein!)

Ja, gut. Ich gebe es zu. Der Gesetzentwurf umfasst mehre re Hundert Seiten.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Mit Begründung!)

Mit Begründung, ja.

Das Beteiligungsverfahren mit den Gewerkschaften, den Be rufsverbänden und den kommunalen Landesverbänden war von Anfang an bis zum Schluss durchaus und durchweg von guter Zusammenarbeit geprägt, auch wenn man für manches gern noch mehr Zeit gehabt hätte, um darüber zu diskutieren. Zahlreiche Anregungen wurden aufgegriffen und in den Ge setzentwurf eingearbeitet.

Hierfür will ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. Auch Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege Stächele, gilt mein ausdrücklicher Dank für die außerordentlich gute und rei bungslose Zusammenarbeit mit Ihrem Haus. Ohne diese Art der Zusammenarbeit hätten wir das Mammutwerk in so kur zer Zeit nicht auf die Beine stellen können.

Wir werden mit dieser Dienstrechtsreform nicht nur Applaus ernten. Das ist mir klar. Die Erwartungen, die in die Dienst rechtsreform gesetzt werden, sind groß, und sie sind je nach Interessenlage durchaus unterschiedlich. Sie, Herr Kollege Schmid und Herr Kollege Schmiedel, haben dieser Tage die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Anpassung des Landes personalvertretungsgesetzes an die Rechtsprechung des Bun desverfassungsgerichts, die – wie wir wissen – längst überfäl lig ist, kritisiert. Die Entscheidung des Bundesverfassungsge richts stammt aus dem Jahr 1995.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist schon arg lang her!)

Baden-Württemberg – ich sage es ganz ungeschminkt – ist in zwischen eines der letzten Länder, die noch nicht alle erfor derlichen Konsequenzen in ihrem Recht nachvollzogen ha ben.

Dennoch wird von manchem gern das Zerrbild gezeichnet, die Mitbestimmungsrechte der Personalräte würden abgebaut und die Beschäftigteninteressen würden nicht ernst genommen. Das ist falsch, meine Damen und Herren.

Richtig ist Folgendes: Wir schätzen die Mitbestimmung der Beschäftigten und bekennen uns zu den Mitbestimmungsrech ten. Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse. Wir bleiben in al len Fällen, die wir neu regeln müssen, bei der Mitbestimmung. Wir halten auch an der höchstmöglichen Form der Mitbestim mung fest, die das Verfassungsrecht überhaupt zulässt.

Nur in besonderen Ausnahmefällen der uneingeschränkten Mitbestimmung kann die Entscheidung der Einigungsstelle unbeachtet bleiben – dann, wenn die Auswirkungen auf das Gemeinwesen die Regierungsverantwortung wesentlich be rühren. Dabei spreche ich vom Evokationsrecht. Nach dieser Definition stellt das eine sehr hohe Hürde dar.

Das, was wir regeln, ist in der Praxis schon längst Realität.

(Zustimmung des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wendet schon seit Langem das Personalvertretungsgesetz nach den Vorgaben des Bun desverfassungsgerichts an. Wir passen also lediglich den Ge setzeswortlaut sprachlich an die Rechtswirklichkeit an.

Lassen Sie mich kurz auf die wichtigsten Themen des Gesetz entwurfs eingehen. Dies ist zum einen die Anhebung der Pen sionsaltersgrenzen. Die Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand der Beamtinnen und Beamten sollen wirkungs- und zeitgleich zu der Erhöhung des Renteneintrittsalters angeho ben werden. Die Regelaltersgrenze soll in 18 Schritten von 65 Jahren auf 67 Jahre angehoben werden. Diese schrittweise An hebung gilt auch für Lehrerinnen und Lehrer, die dann zum Ende des Schuljahrs in den Ruhestand treten, in dem sie das 66. Lebensjahr vollendet haben.

Parallel dazu ist die Anhebung der Sonderaltersgrenze für Po lizei, Feuerwehr und Justizvollzug von 60 Jahren auf 62 Jah re vorgesehen.

Dafür wollen wir eine Kompensation sowie Ausgleichsmaß nahmen vornehmen, die wie folgt aussehen: Bei Wechsel schichtdienst oder Schichtdienst gibt es zusätzliche Freistel lungstage. Wer wegen Dienstunfähigkeit nicht mehr weiter ar beiten kann, soll nicht schlechtergestellt werden als bisher. Wir haben deshalb für diese Beamtengruppen ein besonderes versorgungsrechtliches Referenzalter für die Bemessung des Versorgungsabschlags bei 60 Jahren vorgesehen.

Damit es möglichst erst gar nicht zur Dienstunfähigkeit kommt, ergreifen wir Maßnahmen zur Gesundheitspräventi on. Dafür haben wir für die gesamte Beamtenschaft 6 Milli onen € zur Verfügung gestellt. Polizei-, Feuerwehr- und Straf vollzugsbeamte, die weiterhin mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen wollen, können dies auf Antrag tun. Sie müssen aber – wie andere Beamte, die auf Antrag vorzeitig in den Ruhestand gehen – einen entsprechenden Versorgungsabschlag in Kauf nehmen.

Wir haben eine Offensive für eine freiwillige Weiterarbeit ge startet. Mit dieser Offensive wollen wir eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit bis zum 68. Lebensjahr attraktiv machen. Beamtinnen und Beamte können damit ihre Versorgung auf bessern. Wenn sie allerdings schon einen Höchstversorgungs satz erreicht haben, erhalten sie einen Besoldungszuschlag von 10 %. Auch eine Teilzeitbeschäftigung in Kombination

mit einer Teilpension ist möglich. Dadurch wird ein gleiten der Übergang in den Ruhestand erleichtert.

Ich möchte hervorheben, dass wir bereits heute im öffentli chen Dienst besonders familienfreundliche Regelungen ha ben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen wir gleichwohl weiter verbessern. Das ist uns sehr wichtig.

Zur Betreuung minderjähriger Kinder und zur Pflege von pfle gebedürftigen Angehörigen ermöglichen wir es, künftig in un terhälftiger Teilzeit, allerdings mit einem Mindestbeschäfti gungsumfang von 30 % der regelmäßigen Arbeitszeit, zu ar beiten.

Der Freistellungsanspruch zur Betreuung kranker Kinder soll in Anlehnung an den sozialrechtlichen Freistellungsanspruch der Beschäftigten auf jährlich sieben Tage pro Kind und ma ximal 18 Tage pro Jahr erweitert werden. Alleinerziehenden soll ein doppelt so großer Freistellungsanspruch eingeräumt werden.

Noch einige Worte zur Besoldung. Wir nehmen für Verbesse rungen in diesem Bereich trotz der schwierigen Haushaltsla ge – das muss ich an dieser Stelle nicht weiter erläutern – rund 40 Millionen € in die Hand. Wir schaffen neue Amts- und Stel lenzulagen. Ich nenne beispielsweise die Amtszulage für Kon rektoren an bestimmten Grund- und Hauptschulen. Darüber hinaus sollen bestehende Zulagen wie etwa die Gitterzulage für Justizvollzugsbeamte erhöht werden.

Zudem sind im Nachtragshaushalt Stellenhebungen – und zwar in erheblicher Anzahl – vor allem für die unteren und die mittleren Besoldungsgruppen enthalten. Das wird sich bei spielsweise sehr, sehr positiv im Polizeibereich auswirken. Dort gab es bislang extrem hohe Beförderungswartezeiten; diese werden sich dadurch ganz wesentlich verkürzen.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Der Polizeisprecher nimmt dies anerkennend zur Kenntnis.

(Heiterkeit des Abg. Thomas Blenke CDU)

In der Tat tun wir damit einen großen Sprung. Dazu gäbe es jetzt vieles zu sagen, aber wir sind bei der Einbringung des Gesetzentwurfs. Deshalb will ich es dabei belassen.

Aber noch eines: Das bisherige System des lebensaltersab hängigen Besoldungsdienstalters – ein schwieriger Begriff – soll durch Erfahrungsstufen ersetzt werden, die sich an der Dienstzeit orientieren.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Auch gut!)

Das Endgrundgehalt in den Besoldungsgruppen A 5 und A 6 soll erhöht werden. Alle Beamten des bisherigen einfachen Dienstes, der entfallen soll, erhalten künftig ebenso wie die Beamten des mittleren Dienstes eine Strukturzulage.

Wir haben – ich glaube, das war schon lange Einvernehmen in diesem Haus – bei der Polizei das Eingangsamt in Besol dungsgruppe A 7 so gut wie überhaupt nicht mehr. Nur weni ge Beamte, die aus der Bereitschaftspolizei kommen, werden noch in Besoldungsgruppe A 7 eingestuft. Die anderen wer den im Eingangsamt nahezu vollständig in Besoldungsgrup

pe A 8 eingestuft. Da gibt es also schon wesentliche Verbes serungen, die draußen spürbar ankommen, die aber auch not wendig waren.

Zu den Alterssicherungssystemen – das war der vierte und letzte Punkt – will ich noch Folgendes sagen: Baden-Würt temberg übernimmt mit dieser Einführung einer Trennung der Alterssicherungssysteme bundesweit eine Vorreiterrolle. Das hat noch kein anderes Bundesland bislang geschafft oder ist es angegangen. Wir wollen die Mobilität zwischen privatem und öffentlichem Bereich fördern, und wir wollen den Wech sel in die Wirtschaft und auch wieder zurück erleichtern, um eben den Austausch von Erfahrungswissen im allseitigen In teresse zu verbessern. Künftig sollen Beamtinnen und Beam te, die freiwillig aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, ih re bis dahin erdienten Ansprüche auf Altersversorgung mit nehmen können, und anstelle der Nachversicherung in der ge setzlichen Rentenversicherung wird künftig ein Altersgeld ge zahlt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es werden auch Rückstellungen gebildet!)

Richtig, Frau Kollegin Berroth.

Es gibt noch einen Bereich, der von der Regelungsdichte her gern in den Verdacht gerät, ein alter Zopf zu sein: Das ist das Laufbahnrecht. Mit der Dienstrechtsreform wollen wir das Laufbahnrecht modernisieren und flexibilisieren. Im Landes beamtengesetz sollen künftig nur noch die zur Sicherung der Mobilität der Beamten notwendigen Rahmenregelungen ge troffen werden. Auf die bisherige Laufbahnverordnung kann völlig verzichtet werden.

Wir wollen vielfältigere Zugangsmöglichkeiten für den Ein stieg in eine Laufbahn und auch eine Anpassung an die neue Studienstruktur – Bachelor und Master sind die Stichworte –, was natürlich notwendig ist.