Protocol of the Session on July 28, 2010

Die Gegenfinanzierung, die die SPD jetzt bietet, trägt sich des halb nicht, weil uns das meiste, was wir zusätzlich einnehmen würden, sofort wieder weggenommen würde.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Sie mahnen immer wieder an, Sie wollten unsere Sparvor schläge hören. Ich kann nur sagen: Haben Sie noch ein biss chen Geduld. Der Herr Ministerpräsident hat heute Morgen erst gesagt: Die Vorschläge werden im Herbst sehr konkret kommen – zusammen mit der Fortschreibung der mittelfris tigen Finanzplanung. Wir haben das auch über einen Antrag als Abschnitt II in die Beschlussempfehlung Drucksache 14/6661 aufgenommen.

Hören Sie also auf, nach Sparkonzepten zu rufen, zumal Sie selbst immer nur Konzepte zur Aufgabenvermehrung vorle gen

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: So ein Quatsch! Sie müssen einmal zuhören!)

und Ihre Gegenfinanzierungen oft mehr als windschief sind.

(Abg. Eugen Schlachter GRÜNE: Das ist gelogen!)

Das muss man deutlich sagen.

Es ist auch interessant, dass über den Antrag der SPD, mit dem sie durch eine Personalaufstockung in der Steuerverwaltung Steuermehreinnahmen generieren will, exakt die Mittel er bracht würden, die Sie auf der anderen Seite wieder für Aus gaben benötigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wissenschaftlich ermittelt kann das Ganze nicht sein, und Sie wollen alle Mittel wirklich wieder ausgeben und eben nichts davon zur Konsolidierung verwenden.

Herr Kollege Rust, wenn Sie die Mitarbeiter in der Steuerver waltung entlasten wollen, dann gibt es eigentlich nur ein Kon zept, nämlich Steuervereinfachung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Das wäre auch für die Bürger das Richtige.

(Zurufe von der SPD und den Grünen)

Aber das, was wir aus den während der letzten Haushaltsbe ratungen von Rot und Grün vorgelegten Anträgen kennen – Stichworte Gebührenfreiheit für das letzte Kindergartenjahr, Abschaffung der Studiengebühren; in den vom Länderfinanz ausgleich profitierenden Ländern gibt es solche Gebühren nicht –, das finden wir jetzt 1 : 1 in der Koalitionsvereinba rung von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen. Ich sage das deut lich; das scheint schon Ihr Markenzeichen zu sein.

Wir sehen dort auch gleich die Antwort auf die Frage, wie RotGrün das Ganze umsetzt – nämlich mit einer deutlichen Er höhung der Nettokreditaufnahme von 6,5 Milliarden € auf 9 Milliarden €.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 9 Milliar den €!)

Vergleichen Sie diesen Betrag einmal mit dem Betrag, den wir aufnehmen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wollen Sie sich jetzt für Ihre 4,6 Milliarden € noch loben, oder was? – Ge genruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Offensichtlich ist auch das Ihr Markenzeichen. Erinnert sich noch jemand hier im Saal an den folgenden Satz unseres frü heren Finanzministers Peer Steinbrück? Steinbrück hat am 3. September 2007 gesagt:

Ich erwarte einen ausgeglichenen Bundeshaushalt spä testens 2011, und wenn es früher wird, machen wir eine Flasche Wein auf.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Bei einer Flasche können nicht so viele mittrinken!)

Ich hätte gern mitgetrunken, aber auf den ausgeglichenen Haushalt warten wir bis heute.

Im Gegenteil: Statt wie Baden-Württemberg in Zeiten besse rer Steuereinnahmen den Haushalt zu konsolidieren und in den Jahren, in denen es gut lief, eben keine neuen Schulden aufzunehmen, hat er munter zusätzliche Schulden draufge setzt, wofür die jetzige Koalition die Zinsen zahlen und die Tilgung erbringen muss.

So viel zu sozialdemokratischer Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Von der Opposition kann man an diesem Punkt also nichts ler nen. Wir wollen Zukunftssicherung durch Bildung und Gene rationengerechtigkeit durch Haushaltskonsolidierung.

Ihren Vorschlag, Herr Kollege Rust, eine Enquetekommissi on zum Thema Zukunftslasten einzusetzen, würde ich aus drücklich unterstützen. Herr Kollege Rust, ich würde Ihnen

(Abg. Ingo Rust SPD unterhält sich mit Abg. Peter Hofelich SPD.)

wenn Sie zuhören –

(Abg. Peter Hofelich SPD: Entschuldigung!)

auch noch eines vorschlagen. Unser Haushalt ist ehrlich. Dass er unehrlich sei, wie Sie unterstellen, stimmt nicht. Der Haus halt ist ehrlich. Aber er sagt in dieser Form einfach nicht al les aus.

(Lachen des Abg. Eugen Schlachter GRÜNE – Zu ruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Deswegen sollten wir, wenn wir uns mit den Zukunftslasten befassen – Moment; das ist das System, das seit Jahrhunder ten so gehandhabt wird; das ist eben so –, auch darüber dis kutieren und im Land doppische Elemente einführen, die auch solche Werte deutlich zeigen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: So ein Quatsch! Im Leben nicht!)

Das würde ich in einer solchen Enquetekommission gleich mitbearbeiten wollen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Was ist der Staats haushalt eigentlich? Werner Finck hat einmal definiert, der Staatshaushalt sei „ein Haushalt, in dem alle essen möchten, aber niemand Geschirr spülen will“. Da hat er durchaus recht. Wir haben uns bemüht, wieder sauber aufzuräumen, wenn wir gegessen haben, vor allem auch nicht zu viel zu essen. Dann entsteht auch nicht so viel schmutziges Geschirr.

Wir wollen aber Zukunft durch Bildung. Dafür stehen im heu te zu beschließenden Nachtrag konkret die vorgezogene Ab senkung des Klassenteilers an den Grundschulen, die Bereit stellung von Mitteln für die Einstellung von weiteren Päda gogischen Assistenten – eben auch für die Grundschulen –, die Umsetzung des Programms „Singen – Bewegen – Spre chen“. Wir ermöglichen außerdem die Aufstockung des Aus bauprogramms „Hochschule 2012“ von früher 16 000 Studi enanfängerplätzen auf jetzt 20 000 Studienanfängerplätze.

Zwei weitere Einfügungen kamen im Rahmen der Ausschuss beratungen im Bildungsbereich dazu: zum einen ein Leertitel in allen Einzelplänen zur Sicherung von Belegplätzen für die Betreuung der Kinder von Landesbediensteten in Einrichtun gen kommunaler, freier oder privatgewerblicher Träger oder der Kinderbetreuung in anderen Räumen. Diese Maßnahme ist haushaltsneutral, weil die Mittel von den Häusern an an derer Stelle eingespart werden. Sie ist aber ein ganz wichti ger Schritt für Väter und Mütter zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Land wird hier beispielhaft aktiv. Für das Justizministerium hatte unsere Fraktion Vergleichba res bereits im Februar im Haushalt verankert.

Ebenso wurden dort – das ist der zweite Punkt, der noch da zukommt – bereits Mittel bereitgestellt und wurde durch Jus tizminister Goll als Integrationsbeauftragtem des Landes ein Projekt der Bosch Stiftung und der Breuninger Stiftung kofi nanziert, das sich besonders an Eltern von Schülern mit Mig rationshintergrund wendet. Es ist erfreulich, dass es künftig auch im Kultusministerium ein Programm „Integration durch Bildung“ geben wird. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Umsetzung in enger Abstimmung mit dem Integrations beauftragten der Landesregierung erfolgt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Weiter schafft der Nachtrag die Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen zur Amokprävention zügig umgesetzt werden können, die der Landtag aufgrund der Empfehlungen seines Sonderausschusses beschlossen hat. 30 Schulpsychologen können schon zum kommenden Schuljahr eingestellt werden. Das flächendeckende Gewaltpräventionsprogramm nach Dan Olweus wird ebenfalls eingeführt und damit ein Programm umgesetzt, das das weltweit am besten evaluierte Antigewalt programm ist. Nachhaltig und flächendeckend wird es seine Wirkung auch in Baden-Württemberg entfalten.

Schließlich werden die Strafverfolgungsbehörden und die Ge richte durch zusätzliches Personal in erheblichem Umfang verstärkt, um den Vollzug der bestehenden Gesetze im Be reich des Onlinejugendschutzes nachhaltig zu verbessern. Das ist wichtig, weil diesbezüglich auch bei Eltern und Lehrern noch häufig Informationsbedarf besteht, was man überhaupt darf und was nicht. Deswegen muss da sauber nachgehakt werden.

Auf der Grundlage der im Nachtrag ausgebrachten haushalts rechtlichen Ermächtigungen können die Handlungsempfeh lungen zeitnah und unkompliziert umgesetzt werden.

Dieselbe Vorgehensweise gilt auch für die Umsetzung der Empfehlungen unserer Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft“, die im Moment aktiv ist. Im Nachtrag findet sich ein Leertitel mit entsprechenden Ausga benermächtigungen in Höhe von bis zu 10 Millionen €. Ers te Umsetzungsideen werden bereits erarbeitet.

Der Nachtrag verstärkt ferner die Aufwendungen des Landes im zentralen Handlungsfeld Klimaschutz. Auch das ist für uns ein wichtiges Thema.

Die Dienstrechtsreform wird morgen Gegenstand unserer Be ratungen sein. Ein wesentlicher Teil, nämlich das Strukturpro gramm zur Schaffung einer leistungsgerechten Besoldung, wird schon jetzt in diesem Nachtrag verankert. Vorgesehen

sind Stellenhebungen in einer Größenordnung von knapp 40 Millionen €.

Schwerpunkte sind dort gelegt, wo dringender Nachholbedarf besteht – es wurde schon erwähnt –: bei der Polizei, der Jus tiz, der Steuerverwaltung und – auch das war uns besonders wichtig, auch wenn die GEW das anschließend wieder anders kommunizieren wird – im Bereich der Fachlehrer und der technischen Lehrer. Dort geht es um eine Gleichstellung: Wo vergleichbare Arbeit geleistet wird, soll auch eine vergleich bare Bezahlung erfolgen. Die Voraussetzungen für eine leis tungsbezogene Besoldung werden dadurch deutlich verbes sert. Das ist der beste Weg, Leistungsorientierung zu fördern. Die entsprechenden Mittel waren ja bereits im Urhaushalt bei den globalen Mehrausgaben für Personal enthalten.

Fazit, meine Damen und Herren: Manfred Rommel hat ein mal formuliert, Finanzpolitik sei die Auseinandersetzung zwi schen jenen Leuten, die eine Mark haben und zwei ausgeben wollen, und jenen anderen, die wissen, dass das nicht geht. Wir gehören zur zweiten Kategorie, handeln verantwortlich und stellen gerade in schwieriger Zeit den Staatshaushalt so auf, dass damit eben nicht die Zukunft aufgefressen wird, son dern dass auch künftigen Generationen Handlungsspielraum bleibt.