Ich bin sicher, dass wir in der nächsten Legislaturperio de einen großen Schritt in Richtung sechsjähriger Grund schule machen werden. Modellversuche wären mir zu we nig. Die Koalitionsvereinbarung 2011 wird kaum das jet zige Schulsystem fortschreiben.
Jetzt haben Sie aber keine Debatte mit ihm geführt und ge sagt: „Herr Noll, Sie sind ein grüner Ideologe. Einen solchen wollen wir nicht in unseren Reihen. Ihre Zeit ist vorbei.“ Sie trauen sich gar nicht, eine solche Debatte offen zu führen. Sie haben ihn vielmehr heimlich abgeschmiert. Das sind die mu tigen Recken von der FDP/DVP.
Das sind ganz sinnlose Debatten. Nehmen wir einmal ein Bei spiel, liebe Freundinnen und Freunde von der FDP/DVP.
(Abg. Reinhold Gall SPD: In Anführungszeichen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, wir hö ren!)
Diese Waldorfschulen sind Einheitsschulen. Sie gebrauchen den Begriff selbst. In diesen 56 Waldorfschulen, auf die 23 000 Schülerinnen und Schüler gehen,
wird individuelle Förderung mit Erfolg betrieben. Diese Schu len haben mehr Anmeldungen, als sie Schüler aufnehmen kön nen.
Obwohl die Eltern dazu noch erkleckliche Beiträge leisten müssen, entscheiden sie sich für ein System
des gemeinsamen Lernens bis zur Fachhochschulreife – mit Erfolg. Im Speziellen, außerhalb der Waldorfpädagogik, hän gen die Schüler noch ein Schuljahr dran, in dem sie dann das Abitur erreichen können.
Wir haben hier in Baden-Württemberg also ein erfolgreiches Modell. Es gibt nirgendwo so viele Waldorfschulen wie bei uns.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Da kann doch jeder hingehen! Sie können doch eine aufmachen! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir verbieten es doch nicht!)
Was reden Sie da von Ideologie? Sind das jetzt irgendwelche grünen Ideologen, die diese Schulen gegründet haben?
Frau Dr. Arnold hat den Waldorfschulen anlässlich ihres 90-jährigen Bestehens eine höchst innovative Konzeption be scheinigt.
Frau Berroth hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass freie Schulen häufig Pioniere der Schulentwicklung sind. Wir haben gemeinsam immerhin dafür gekämpft, dass ein Kosten deckungsgrad von 80 % nach dem Bruttokostenmodell end lich Wirklichkeit wird. Sie bekommen es mit Ihrem Koaliti onspartner nur nicht hin.
Nein, das müssen Sie sich jetzt anhören. Das alles ist Ihre Frage: Geht es hier um Ideologie, oder entscheiden sich hier Menschen für etwas?
In ganz Europa außer in Deutschland und Österreich werden Kinder nicht nach der vierten Klasse sortiert. Wer ein bisschen nachdenkt, muss sich fragen: Vier Jahre Grundschule sind ver nünftig, sechs Jahre Grundschule sind Ideologie? Eine solche Aussage ist doch völlig überspannt. Das ist doch völlig über spannt!
Als ob durch zwei Jahre mehr aus etwas Vernünftigem etwas Ideologisches würde. Das alles ist doch völlig absurd.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, das wür de uns schon interessieren! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Zehn Jahre! Sie wollen ehrlicherweise zehn Jahre!)
Ich habe gesagt: Wir haben hier noch niemals die sechsjähri ge Grundschule gefordert. Das hat einzig und allein Herr Abg. Dr. Noll hier propagiert. Wir haben das nicht gemacht. Früher war es auch einmal die SPD.
Was wollen wir? Das ist jetzt noch einmal eine Ansage an Sie als Liberale. Wir wollen, dass der Elternwille, dass der Wille von Schulgemeinschaften, dass der Wille von engagierten Kommunen vor Ort, andere Schulen zu machen – auch Basis schulen mit einem integrierten Ansatz des individuellen För derns –, möglich wird. Das müsste man gegen die CDU durch setzen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU hat in einer der letzten Debatten noch einmal sehr deutlich gesagt: „Hier wird CDU-Schulpolitik gemacht. Wer etwas anderes will, soll ei ne Privatschule gründen.“ Das war seine Aussage.
Jetzt würde ich von Ihnen als dem liberalen Koalitionspartner erwarten, dass Sie dort, wo Schulgemeinschaften, Kommu nen, engagierte Leute etwas anderes wollen, dafür eintreten und sagen: „Ja, das ist liberal, das ist einer freiheitlichen Ge sellschaft würdig. Wir wollen durchsetzen, dass solche Wün sche in einem schwarz-gelb regierten Land vor Ort auch durchgesetzt werden können.“ Das machen Sie nicht, das be kommen Sie nicht hin.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: In Hamburg hat man doch gefragt! Sie wollten das nicht!)
Ich sage Ihnen noch einmal: Man darf nicht so tun, als könne man gute Schulpolitik von oben nach unten durchdeklinieren, wie es die CDU schon immer wollte.
Vielmehr sollte man sich klarmachen: Gute Schulen machen nur engagierte Menschen von unten; nur die können das be wirken. Dafür haben wir viele Beispiele.
Es kann nicht sein, dass man in Baden-Württemberg, wenn man etwas anderes will, eine Privatschule gründen muss. Es muss in diesem Land doch möglich sein, dass die Menschen, die voller innovativer Ideen sind, die voller Leidenschaft für eine gute Pädagogik sind, die wollen, dass Gerechtigkeit herrscht, die wollen, dass Bildung nicht abhängig vom Eltern haus ist, und die dafür vernünftige Konzepte vorlegen – es gibt 60 Anträge dazu –, das machen können.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie haben sich für „von oben nach unten“ eingesetzt!)