Protocol of the Session on July 28, 2010

Das ist ein Bluff, mit dem Sie wohl den geordneten Rückzug antreten wollen. Vorher haben Sie sich noch Nachhilfe aus Nordrhein-Westfalen geholt. Die Genossen haben Ihnen das vorgemacht.

Meine Damen und Herren, der Weg der Schulreform, den Grün und Rot gehen, ist ein Holzweg. Hamburg war die Ant wort auf diesen Holzweg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Mich ärgert an dieser Debatte immer wieder, dass Sie sich auf Strukturen und auf Ihre beiden Schlagworte beschränken. Der Wert der Bildung findet bei Ihnen keinen Raum. Darüber re den Sie nicht; darüber wird kein Wort gesprochen. Wie Bil dung erworben wird, erscheint mir bei Ihnen wie eine Ware, die über den Tresen gehandelt werden kann, wobei der Tre sen für die Schulstruktur steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Auch zu den Voraussetzungen, die für Bildung notwendig sind, haben Sie nur Ihre beiden Schlagwörter zur Verfügung. Ich glaube, wenige von Ihnen kennen die Psyche von Schü lern, die in einer Klasse sitzen, in der sie ganz am Ende der Leistungsskala sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Was diese Schüler mitmachen, ist schlichtweg eine Katastro phe.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Ich selbst verfüge über 35 Jahre Schulerfahrung und habe er lebt, dass diese Kinder aufblühen, wenn sie in die Realschu le oder gar in die Hauptschule kommen, weil sie dann endlich ihrer Leistungsfähigkeit gemäß arbeiten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Die falschen Schüler an der falschen Schule, ein deutsches Phäno men!)

Dann möchte ich gern wissen, was Sie eigentlich unter „indi vidueller Förderung“ verstehen. Das haben Sie noch nie defi niert. Dazu haben Sie noch nie irgendetwas gesagt. Ich weiß nicht, ob das bedeuten soll, dass jedes Kind seinen Lehrer ne ben sich hat. Oder wie stellen Sie sich das vor?

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Oh-Rufe von Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Nein, meine Damen und Herren,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ein Fall für Frau Schick! – Abg. Reinhold Gall SPD: Mein lieber Mann! Da stimmen die Kompetenzen nicht überein, die Frau Schick heute genannt hat! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Herr Gall, halten Sie sich zurück!)

die Reduzierung auf diese Schlagworte ist ein bisschen zu ein fach. Eigentlich möchte ich wissen, worum es Ihnen wirklich geht.

Frau Kollegin Dr. Arnold hat eben schon ein Problem ange sprochen, mit dem Sie es tatsächlich zu tun haben. Ich glau be, Ihnen ist die Leistungselite nach wie vor ein Dorn im Au ge.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Alles falsch!)

Wie sonst wäre es insgesamt erklärbar, dass Sie internationa le Plätze und nationale Spitzenplätze, die Baden-Württemberg und Bayern erreichen, immer wieder herunterspielen

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

und eigentlich totschweigen? Leider machen die Medien häu fig mit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Alles falsch!)

Ja, ja. Moment. Sie zitieren sehr wohl die gesamtdeutschen Ergebnisse, aber höchst selten die baden-württembergischen und die bayerischen.

Im Übrigen darf ich einmal aus der „Zeit“ vom 12. Mai zitie ren. Die „Zeit“ beruft sich hier auf die PISA-Studie 2000. Sie steht nicht gerade unter Verdacht, besonders CDU-liebend zu sein. Sie schreibt:

Bayern und Baden-Württemberg lagen mit den Leistun gen ihrer Schüler nicht nur klar vor Hessen und Nord rhein-Westfalen, den Experimentierfeldern der SPDSchulpolitik. Die Union hatte die SPD auch in deren Lieb lingsdisziplin geschlagen – in der Gerechtigkeit. Im uni onsdominierten Süden kamen die Arbeiter- und Einwandererkinder zu besseren Ergebnissen als in den Stammlanden der Sozialdemokratie.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, warum fangen Sie bei Schülern erst im Alter von zehn oder elf Jahren an, misslungene Bil dungsbiografien reparieren zu wollen? Das ist zu spät. Mitt lerweile wissen wir es.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es ist Ihr System, das sol che Kinder hervorbringt!)

Der alte Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nim mermehr“ hat noch immer seine Gültigkeit und wurde zum Teil sogar schon wissenschaftlich untermauert.

Sie haben Ihre Idee von der Gesamtschule mittlerweile auf das Prinzip „Jede Kommune darf machen, was sie will, wie sie will, wann sie will“ reduziert.

(Zuruf von der SPD: Ob sie will!)

Das dadurch entstehende Chaos möchte ich nicht erleben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das werden Sie auch nicht erleben!)

Im Übrigen weiß ich nicht, ob Sie wissen, dass in der ersten PISA-Studie die Ergebnisse der Gesamtschulen herausgerech net worden sind. Die betreffenden Ergebnisse sind nicht ver öffentlicht worden, weil sie so schlecht waren, dass man sie nicht vorzeigen konnte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Miserabel! – Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Den Grünen empfehle ich, sich einmal im Saarland umzu schauen. Dort gibt es die ersten Rückzugserscheinungen. Die Herren heißen Kessler und Ulrich. Sie haben anklingen las sen, dass sie mit einer vierjährigen Grundschulzeit durchaus leben können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Welcher Partei gehören sie an?)

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, ohne Zweifel ist eine Verbesse rung der Situation von Kindern aus bildungsferneren Schich ten notwendig. Das ist sicher richtig. Aber wir sind da bereits auf einem guten Weg. Heute Morgen hat der Ministerpräsi dent schon Erfolge aufgezeigt, die hier in Baden-Württem berg erzielt worden sind.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Ah ja!)

Es geht nicht um die Struktur. Es geht um den Unterricht – darauf hat auch Frau Dr. Arnold schon hingewiesen – und um die Qualität der Lehrer. Vor allem geht es auch um die Kin derzeit und um die Vorschulzeit, die für diese Kinder beson ders wichtig ist. Deshalb sehen wir es als vordringlich an, den vorschulischen Bereich zu stärken. Mit dem Orientierungs plan haben wir das schon eingeleitet.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir haben die Neuordnung des Studiengangs für angehende Grundschullehrer beschlossen. Wir als CDU-Fraktion sind froh, dass die Projekte, die zur Schulreife des Kindes beitra gen sollten, jetzt gebündelt und in eine Konzeption gebracht werden.

Das wesentlichste Element dabei dürften wohl die Bildungs häuser für die Drei- bis Zehnjährigen sein, denn diese Einrich tungen leisten genau das, was wir brauchen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das längere gemeinsame Lernen?)

Das längere gemeinsame Lernen, ja.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das haben Sie doch vor hin verurteilt! Allein den Begriff haben Sie verurteilt! Schon den Begriff haben Sie infrage gestellt! – Wei tere Zurufe)

Aber unten angefangen, nicht oben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt kommt es heraus! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Bis die Drei- bis Fünfjährigen in die Schule kommen, sind sie ja nicht in einer Vorschule in diesem Sinn, sondern es bleibt ein Kindergarten.