Protocol of the Session on June 9, 2010

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wesentlicher Inhalt dieses Gesetzentwurfs ist vor allem: Wie verschaffen wir beruflich qualifizierten Menschen den Zugang zur Hochschule? War um sollte z. B. eine Hebamme oder ein Pfleger nach mehre ren erfolgreichen Berufsjahren nicht noch ein Studium z. B. der Wirtschaftswissenschaften oder der Medizin aufnehmen?

Mancher Kritiker würde jetzt kritisch hinterfragen: Muss das wirklich sein? Ich würde darauf antworten: Es muss natürlich nicht sein, aber wir Liberalen sagen: Es muss möglich sein.

Immerhin wäre jemand mit fundierten betriebs- und volks wirtschaftlichen Kenntnissen und zugleich praktischen Erfah rungen und Fertigkeiten z. B. aus dem Gesundheitsbereich in der Tat ein sehr geeigneter Bewerber respektive eine geeigne te Bewerberin für eine leitende Funktion in einem Kranken haus. Der Pfleger und die Hebamme sind auch ein gutes Bei spiel dafür, wie sehr zahlreiche Betriebe ebenso wie öffentli che Einrichtungen ein überaus starkes Interesse an beruflich Qualifizierten haben, die sich dann an Hochschulen weiter qualifizieren können.

Viel ist allerdings noch nicht bekannt über den Verlauf bei den sogenannten Pionieren unter den beruflich Qualifizierten, die bereits aufgrund einer ersten Öffnungsregelung von 2006, wie vom Landtag beschlossen, an unseren Hochschulen studieren. Eine umfassende Untersuchung wäre aus Sicht der Liberalen lohnenswert: Wie ist das Studium verlaufen? Wie hoch war die Erfolgsquote? Auf welche besonderen Schwierigkeiten stießen diese Personengruppen? Aber vor allem auch: In wel cher Hinsicht hat das Studium sie persönlich und wissen schaftlich bereichert und weitergebracht?

Die Hochschulen könnten aus einer solchen Untersuchung Schlüsse ziehen, worauf sie bei der Aufnahme, Betreuung und Förderung von Studierenden, die schon mitten im Leben ste hen, in ihrem Beruf ihren Mann, ihre Frau gestanden und viel leicht auch schon eine Familie gegründet haben, besonders achten müssen.

Meine Damen und Herren, eines steht jedenfalls fest: Wenn wir die Potenziale der beruflich Qualifizierten erkennen und fördern wollen, gibt es zweifellos noch Weiteres zu tun. Dies zeigt auch die geringe Zahl derer, die sich bisher an den Hoch schulen eingeschrieben haben. Waren es im Wintersemester 2008/2009 gerade einmal 224 Personen, so waren es ein Jahr später 322 Personen. Gleichzeitig zeigen diese Zahlen aber auch einen erfreulichen Aufwärtstrend, nämlich eine Steige rung – wenn man es prozentual sieht – um immerhin 40 %. Das belegt, dass schon die Öffnung im Jahr 2006 in der Tat relativ gut angenommen wurde, Herr Staatssekretär. Es ist ein Hinweis darauf, dass wir mit dem Hochschulzulassungsge setz, wie ich meine, auf dem richtigen Weg sind. Hier kommt meines Erachtens Vor- und Begleitkursen die wichtige Funk tion zu, Wissenslücken zu schließen.

Einige Weiterbildungsträger – meine Damen und Herren, das sollten wir hier wissen – bieten bereits relativ Interessantes an, wie z. B. die Technische Akademie Esslingen, deren PreUniversity als Pilotprojekt von den südwestdeutschen Arbeit gebern finanziell und auch beratend tatkräftig unterstützt wird. Aber aus zeitlichen, finanziellen, familiären oder häufig auch aus betrieblichen Gründen kann es sich nicht jeder leisten, sei nen Beruf einfach über mehrere Jahre nicht auszuüben. Mei ne Damen und Herren, deshalb fordern wir Liberalen unsere Hochschulen auf, Teilzeitstudiengänge anzubieten, die man auch berufsbegleitend absolvieren kann.

(Abg. Johannes Stober SPD: So, wie es in unserem Antrag steht!)

Als vorbildlich ist hier z. B. die Hochschule in Aalen zu nen nen

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Stimmen Sie unserem Antrag zu!)

hören Sie zu; es ist nicht alles Tübingen –, die aktuell in ih rer Weiterbildungsakademie fünf berufsbegleitende Studien gänge im Programm hat: Allgemeiner Maschinenbau und Me chatronik – jeweils mit dem Abschluss Bachelor of Enginee ring –, Master of Business Administration und das Steuerfach – Master of Arts – sowie Vision Science and Business – Op tikwissenschaft –, bei dem als Abschluss auch Master of Arts angeboten wird.

(Unruhe)

Ich meine, das ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass es sich auszahlt, den Hochschulen Freiräume zu lassen. So entsteht ein vielfältiges Studienangebot, in dem sich auch der einzel ne Studierende mit seinen Begabungen und Schwerpunkten wiederfindet.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gute Rede! Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Dr. Birk.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Verbesse rung des Hochschulzugangs beruflich Qualifizierter und der Hochschulzulassung ist ein wichtiges Gesetz, das unterschied liche Bereiche regelt. Aber man sollte es nicht negativ über höhen, wie es hier von Teilen der Opposition getan wurde.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Zunächst einmal möchte ich über die Chancen dieses Geset zes sprechen. Wir wollen mit diesem Gesetz die Hochschul zugangsmöglichkeiten weiter öffnen, insbesondere für beruf lich Qualifizierte.

Meine Damen und Herren, uns fehlen Tausende von Ingeni euren. Die Landesregierung hat darauf eine Antwort entwi ckelt, zum einen mit dem Ausbauprogramm „Hochschule 2012“, mit dem über 20 000 neue Studienplätze bis zum Jahr 2012 geschaffen werden sollen.

Als zweiter wichtiger Bereich kommt hinzu, dass wir mit dem heute vorliegenden Gesetz die Voraussetzungen schaffen wol len, um beruflich Qualifizierten, die Talent und Motivation ha ben, ein Studium zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, es ist angesichts des heutigen Tages, angesichts der Demons trationen zur Bildung eine sehr gute Botschaft, dass gerade das Land Baden-Württemberg weiterhin das Bundesland mit der größten Durchlässigkeit im Bildungsbereich bleibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ei nen zweiten Punkt ansprechen, und zwar die Frage der Chan cengerechtigkeit und Chancenausschöpfung bei den Auswahl verfahren. Zunächst einmal denke ich, dass es sinnvoll ist, dass Tests und Gespräche eingesetzt werden, um die Studier fähigkeit zu prüfen, und dass man damit auch ein Auswahlin strumentarium hat, insbesondere bei Studiengängen mit dif ferenzierten Zugangsberechtigungen sowie mit einem starken Bewerberüberhang.

Ich denke, dass unsere Hochschulen dieses Instrument auch nutzen werden. Gleichwohl möchte ich darauf verweisen, dass diese Tests natürlich auch gerade den grundgesetzlich ge schützten Zulassungsbereich betreffen. Insofern, glaube ich, ist es sinnvoll und geboten, dass das Ministerium im Wege der Rechtsaufsicht zu entscheiden hat, ob und inwieweit davon abgewichen werden kann.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen, der im Zusam menhang mit den Universitätskliniken wichtig ist. Ich denke, wir können in Baden-Württemberg mit Fug und Recht sagen, dass wir im Bereich der Forschung und im Bereich der Kran kenversorgung in der Spitzengruppe der Bundesländer in Deutschland sind, was die Universitätskliniken betrifft.

Bei uns gibt es deshalb auch keine Privatisierungsdebatte da hin gehend, dass man Universitätskliniken seitens des Landes nicht mehr finanzieren könne – so, wie dies in anderen Län dern in der Vergangenheit der Fall war, etwa in Hessen und nun in Schleswig-Holstein –, sondern wir wollen unseren Weg in Baden-Württemberg ganz konsequent weitergehen. Das heißt zunächst einmal, dass die Universitätskliniken in BadenWürttemberg in der öffentlichen Hand weiterhin einen sehr starken Partner haben. Die Universitätskliniken benötigen dies genauso wie die Menschen, die in den Kliniken arbeiten, aber auch die Patienten sowie im Übrigen auch die Forschung und die Lehre.

Insofern wird heute hier seitens der Opposition eine Geister debatte geführt,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig! Genau! – Weitere Zurufe)

wenn im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf behaup tet wird, man wolle wesentliche Bereiche unserer Universi tätskliniken privatisieren. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren. Wir wollen unsere Universitätskliniken im bundesweiten, aber auch europäischen und internationa len Wettbewerb deutlich besser aufstellen. Deshalb geht es nicht um eine Privatisierung, sondern es geht darum, dass pri vate Krankenhausbetriebe im Wege von Beteiligungen dort, wo dies sinnvoll ist, mit unseren Kliniken kooperieren und sich verflechten, um damit gemeinsam leistungsfähiger zu sein. Das ist kein Rückzug der öffentlichen Hand, sondern es

werden Private mit hineingenommen, um damit einen Mehr wert in den Bereichen Forschung, Lehre und Krankenversor gung für Baden-Württemberg zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, liebe Frau Bauer und Frau Haller-Haid,

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Jetzt ist Frau Bauer gar nicht da!)

muss zunächst einmal das Wissenschaftsministerium diese Pläne von den Kliniken, so sie denn herangetragen werden, prüfen. Darüber hinaus haben wir im Gesetz eine Zustim mungspflicht des Wissenschaftsausschusses verankert.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja! – Abg. Wer ner Pfisterer CDU: Das haben wir gelesen!)

So, wie ich Sie in der Vergangenheit kennengelernt habe, fehlt es Ihnen auch nicht daran, dafür die entsprechende Öffentlich keit vor oder nach der Sitzung herzustellen, wenn man den Eindruck haben müsste, dass wir nicht auf dem richtigen Weg wären.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das ist ja wirklich un glaublich!)

Ich bin der Meinung, bei diesem Thema sollten wir wirklich die Kirche im Dorf lassen. Um es anders auszudrücken: Ge ben Sie diesen Kooperationsmöglichkeiten eine Chance. Dann werden Sie sehen, dass wir auf diesem Gebiet die Kliniken in Baden-Württemberg gemeinsam weiterbringen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zur Prü fungspflicht durch den Rechnungshof sagen. Hier folgen wir einer Empfehlung des Finanzausschusses, und zwar derge stalt, dass wir ab einer Unternehmensbeteiligung von 25 % ei ne Hinwirkungspflicht im Hinblick auf das Prüfungsrecht des Rechnungshofs einführen wollen.

(Abg. Johannes Stober SPD: Es wird unattraktiv, wenn der Rechnungshof prüft!)

Dies ist ausreichend, weil erstens ohnehin jede Beteiligung einer Wirtschaftsprüfung und damit der Rechnungsprüfung unterliegt. Zweitens sollten wir auch aufpassen, meine Damen und Herren, dass wir gerade auch bei Minderheitsbeteiligun gen unterhalb der 50-%-Schwelle unsere Kliniken und Uni versitäten attraktiv genug halten, damit auch Partner aus der privaten Wirtschaft mit in Kooperationen einsteigen können.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Ich denke, damit ist hinreichend Vorsorge getroffen. Ich glau be auch, dass wir damit auf einem guten Weg sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nochmal einmal zum Thema „Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte“ zurückkehren. In diesem Zusam menhang ist es natürlich nicht nur damit getan, dass man for

mal die Voraussetzungen dafür schafft, dass Berufstätige in Baden-Württemberg ein Hochschulstudium aufnehmen kön nen. Im Übrigen wird der Regelzugang weiterhin die fachge bundene Hochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife sein. Viel wichtiger ist es jetzt, dass wir gerade diejenigen, die über den beruflichen Weg zu einem Studium kommen, quali fiziert und obligatorisch im Hinblick auf ihren Studienwunsch beraten.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Vor allem müssen wir in Baden-Württemberg – das haben wir in den letzten Monaten erfolgreich auf den Weg gebracht – Studienmodelle unterschiedlicher Geschwindigkeiten einfüh ren.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)