Protocol of the Session on June 9, 2010

Herr Untersteller, wie so oft liegt die Wahrheit in der differenzierten Betrachtung. Wir haben uns, was das Thema „Kürzung der Förderung des EEG“ angeht, als Landesregie rung positioniert. Dank der Initiative Baden-Württembergs konnte der Bundesrat im März seine Stellungnahme abgeben, was sonst nicht möglich gewesen wäre, weil unterschiedliche Diskussionen in den Ländern dazu geführt haben, dass es für keinen einzigen Antrag eine Mehrheit gegeben hat. BadenWürttemberg ist dort aktiv geworden. Dieses Thema „Maxi mal 10 %“ war der Antrag Baden-Württembergs.

Zum Zweiten: Die Frage des Marktanreizprogramms schmerzt uns. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass zwar ein Teil der Haushaltsmittel gesperrt worden sind, aber nicht die kom pletten Haushaltsmittel gesperrt worden sind. Der größere Teil ist freigegeben worden; es sind 340 Millionen € freigegeben worden, 115 Millionen € sind gesperrt. Ich würde mir wün schen, sie würden entsperrt. Ich bin auch entsprechend aktiv geworden, nicht nur beim Bundesumweltminister, sondern auch beim Bundesfinanzminister. Darüber hinaus sind wir als B-Länder-Umweltminister auch gegenüber dem Finanzminis ter aufgetreten.

Zur Entwicklung ist allerdings zu sagen: Hier handelt es sich um Förderprogramme, um die Markteinführung weiter zu ver stärken, die auf Bundesebene angesiedelt sind, bei denen ich akzeptieren muss, dass die Bundesregierung vor dem Hinter grund der schwierigen Haushaltssituation der Auffassung ist, dass sie dies so machen will. Mein Eindruck ist, dass zumin dest bei dem einen oder anderen – zumindest was das Markt anreizprogramm angeht – noch nicht das letzte Wort gespro chen ist.

Mir fällt aber auf – das ist mir auch wichtig –, dass es man chen gibt, der Gefahr läuft, Umwelttechnik immer nur unter dem Gesichtspunkt Energie zu sehen. Klar ist, dass das The ma „Energie, Energieeffizienz, erneuerbare Energien“ e i n wichtiger Teil ist. Darüber hinaus gibt es aber weitere wichti ge Teile. Es geht auch um das Thema Kreislaufwirtschaft und damit einhergehend um die Fragen: Wie können wir Produk te in Zukunft eigentlich so gestalten, dass sie lebenszyklus mäßig gesehen werden? Wie können wir dort weiter voran kommen? All das, was wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht haben, ist dort offensichtlich noch nicht ganz so erfolgreich, wie wir es uns wünschen würden, obwohl wir in diesen Technologien weiter vorangehen.

Das zweite Thema ist das Thema Luftreinhaltung, das zuneh mend an Bedeutung gewinnen wird.

Das dritte Thema – das ist mir ein Anliegen – ist das Thema Rohstoff- und Materialeffizienz, bei dem wir deutlich voran kommen müssen. Wir tun so, als wären Rohstoffe ohne Ende vorhanden. Beim Thema Energie debattieren wir über die Endlichkeit, beim Thema Rohstoffe jedoch nicht. Ich glaube, dass derjenige für die Zukunft aufgestellt ist, dem es gelingt, die Produkte, bei denen Rohstoffe und insbesondere seltene Metalle notwendig sind, so herzustellen, dass deren Notwen digkeit minimiert wird. Genau das ist das, was wir an Schwer punkten setzen wollen – nicht nur den einen Schwerpunkt, sondern auch die anderen.

Deswegen: Natürlich ist es auch weiterhin notwendig, in den Bereichen der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energi en entsprechend voranzukommen. Aber ich weise auch dar auf hin, dass nicht allein dies für die Umwelttechnik das Ent scheidende ist.

Eine weitere Frage des Herrn Abg. Untersteller.

Frau Ministerin, ich bin mit Ihnen durchaus einig darin, dass es nicht nur um Energie technologien geht. Aber es stellt sich die Frage: Wenn das Thema Luftreinhaltung, das Sie angesprochen haben, so wich tig ist – es ist wichtig, und zwar insbesondere auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, der CO2-Minderung usw. –, warum hat dann gerade die baden-württembergische Landes regierung bei den Bestrebungen der letzten Jahre auf EU-Ebe ne, wenn es darum ging, strenge Grenzwerte für den CO2-Aus stoß von Kraftfahrzeugen einzuführen, die Bremse hineinge hauen? Warum hat man nicht gesehen, welche Chancen für den Automobilstandort darin stecken würden, mit den stren gen Grenzwerten hier Vorreiter für zukunftsträchtige Fahr zeugtechnologien zu sein?

Lieber Herr Untersteller, zum einen halte ich es für falsch, zu behaupten, wir hätten auf die Bremse getreten. Wir haben versucht – –

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wissen Sie, nicht alles, was die Grünen fordern, ist das, was jetzt unbedingt sofort umgesetzt werden muss. Ich bitte um Verständnis: Es ging darum, abzuwägen. Einerseits geht es in der Tat um die Frage, wie es uns gelingt, ein Signal für not wendige Innovationen zu setzen. Erstaunlicherweise gibt es heute Sprünge in diesen Bereichen der Automobilindustrie, bei denen uns vorher gesagt worden ist, sie seien nicht mög lich.

Was die Reduzierung seit Einführung der CO2-Grenzen an geht, bin ich ganz nahe bei Ihnen. Uns war es wichtig, CO2Grenzwerte zu haben. Uns war andererseits aber auch wich tig, dass diese im Durchschnitt realistisch sind. Darum ging es in der Diskussion. Ich möchte aber von uns weisen, wir hät ten auf die Bremse getreten.

Im Übrigen freue ich mich über jede Entwicklung und stelle, wenn Sie mir das gestatten, fest, dass die Chefs der Automo

bilkonzerne zwischenzeitlich grüner geworden sind als die Grünen

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das geht nicht!)

und offenbar auch grüner geworden sind als die Umweltmi nisterin. Denn wenn Sie denen zuhören, glauben Sie, dass in den Autohäusern übermorgen Elektrofahrzeuge bester Bauart stehen – was aber nicht der Fall ist.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Man muss auch nicht alles glauben!)

Deswegen merkt man, dass auch diese etwas aus dieser De batte gelernt haben. Das freut mich.

Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass uns die Elek tromobilität noch vor einige Herausforderungen stellt, denen wir uns mit viel Freude widmen, denen wir auch mit großer Freude entgegensehen und bei denen ich der festen Überzeu gung bin, dass wir mit Beginn der Arbeit der e-mobil BadenWürttemberg auch sehr schnell die Meinungsführerschaft in Deutschland übernehmen werden.

Eine weitere Frage, Herr Abg. Hofelich für die SPD-Fraktion.

Jetzt bin ich beim Zuhören doch auf eine Frage gestoßen, weil es in die Umweltpolitik geht, was ja auch nett ist.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das finde ich net nett!)

Oder „net nett“ ist. – Aber das Thema war, dass eine neue Agentur vorgestellt wird, Frau Ministerin.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Roadmovie!)

„Road to nowhere“, Manhattan Transfer. – Was machen Sie eigentlich mit der 1 Million €? Das kann zu wenig oder auch zu viel sein. Das ist nicht ganz klar geworden. Der einzige Hinweis, den Sie gebracht haben, bezog sich auf die verstärk te Öffentlichkeitsarbeit, die Sie dann machen müssen.

Dann habe ich etwas von einem Atlas gehört. Kommt es jetzt zu einer Bewegung bei der Personalausstattung? Wird es Per sonal für das Ganze geben? Wie wird das Geld zwischen Pro jekten und Personal aufgeteilt? Was passiert mit der 1 Milli on € pro Jahr, Frau Ministerin? Das ist mir nicht ganz deut lich geworden, doch das soll eigentlich im Zentrum stehen.

Herr Hofelich, der Nachtragshaushalt wird erst ein gebracht. Insofern werde ich nicht schon jetzt sagen, wie ich das Geld, über das von Ihnen jetzt noch nicht entschieden wor den ist, dann tatsächlich ausgebe.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Nein, ich kann es erst dann ausgeben, wenn der Nachtrags haushalt tatsächlich auch verabschiedet worden ist.

Scherz beiseite. Es geht darum, Strukturen zu schaffen. Die Erstellung des Umwelttechnikatlas kostet natürlich auch et was. Dabei geht es dann auch um die Fragen: Wo sind Stär ken, die wir stärken wollen? Wo sind Schwächen, wo wollen

wir also stärker werden? Gemeinsam sollen Ideen entwickelt werden. Wir streben ganz bewusst die Einbeziehung und die Integration von Wirtschaft, von Wissenschaft und von Ver bänden an. Es gibt bereits heute beim Landesverband der Ba den-Württembergischen Industrie ein Umwelttechniknetz werk. Darüber hinaus gibt es vor allem die Fragen, wie es ge lingt, Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu schaffen, und was in diesem Bereich gemacht werden muss.

Wir haben das noch nicht festgelegt, aber ich vermute, dass wir zumindest ein klein wenig Personal hineinnehmen müs sen, weil das Ganze ansonsten nicht vorangetrieben werden kann. Wir werden aber versuchen, es dann sehr schlank zu machen. Aber trotzdem ist klar, dass das natürlich auch damit einhergeht.

Keine weiteren Wort meldungen? – Vielen Dank, Frau Ministerin.

Wir kommen jetzt zu den Fragen der Opposition. Die SPDFraktion hat das Wort. Für die Frage an die Regierung darf ich Herrn Abg. Kaufmann das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Sie kennen das Windkrafturteil des Ver waltungsgerichts Stuttgart. In diesem wurde der Regionalplan der Region Heilbronn-Franken für nichtig erklärt, und zwar mit der Begründung, dass zu wenig Flächen für Windkraftan lagen ausgewiesen würden.

Nun wissen Sie alle, dass Baden-Württemberg bei der Aus weisung von Windkraftanlagen und hinsichtlich der Wind energie insgesamt beim Ranking der Bundesländer auf dem letzten Platz liegt, und wir alle wissen auch, wie sehr die Lan desregierung versucht hat, hier zu bremsen. Das fing mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes an. Da wurde diese unsägliche Schwarz-Weiß-Lösung gefunden, nach der einzel ne Vorranggebiete ausgewiesen wurden, und alles andere war automatisch Ausschlussgebiet für die Windkraft. De facto war das eine Verhinderungsplanung. Das war, wie Sie auch selbst erklärt haben, von der Landesregierung politisch so gewollt.

Nun liegt in diesem Urteil wohl eine ganz andere Dynamik. Denn sinngemäß lautet der Tenor des Urteils:

Die Planungsträger dürfen sich mit einer bloßen Feigenblatt planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hin ausläuft, nicht begnügen. Ferner ist die Entscheidung des Bun desgesetzgebers, Windkraftanlagen im Außenbereich grund sätzlich zu privilegieren, auch im Rahmen der Regionalpla nung zu beachten. Bei der Abwägung sind die öffentlichen Belange so zu gewichten, dass für die Windenergienutzung im Planungsgebiet tatsächlich in substanzieller Weise Raum geschaffen wird. Das ist in fast keinem Regionalverband der Fall. Die Zulässigkeit von Windkraftanlagen darf nur dann ausgeschlossen werden, wenn ein schlüssiges Gesamtkonzept vorhanden ist, keine Abwägungsfehler vorliegen und die Pla nung im Ergebnis der Nutzung der Windenergie in substan zieller Weise Raum schafft.

So weit der Tenor des Urteils. Diesen Anforderungen genüg te der zitierte Regionalplan nicht. Deshalb liegt in dieser Rechtsauffassung auch eine gewisse Dynamik, weil sich dies auch auf andere Regionalpläne beziehen kann.

Daher frage ich die Landesregierung: Wie gehen Sie mit dem Urteil um? Wie bewerten Sie die Rechtsauffassung, die darin zum Ausdruck kommt? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Urteil?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann, ich sage es ganz offen: Ich bin über das Urteil des Verwaltungsgerichts Stutt gart alles andere als unglücklich. Ich bin sogar froh darüber; denn darin wird deutlich, dass das, was ich, wie Sie wissen, in der Vergangenheit immer gesagt und angemahnt habe, rich tig ist: Wenn wir mehr Windkraft haben wollen – wir wollen auch in Baden-Württemberg mehr Windkraft –,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

dann ist es notwendig, dass die Regionalverbände jetzt versu chen, Versäumnisse aus der Vergangenheit dadurch zu repa rieren, dass in den Regionalplänen neue Vorranggebiete aus gewiesen werden. Nichts anderes will auch dieses Urteil, Herr Kollege Kaufmann. Wenn man versucht, das Urteil auf das zu komprimieren, was wirklich darin steht, dann ergibt sich zu nächst einmal, dass der Teilplan Windenergie als solcher in nerhalb des gesamten Regionalplans nichtig ist und insofern neu aufgelegt werden muss.

Übrigens – nur am Rande –: Dass es mit diesem Urteil jetzt ausgerechnet die Region Heilbronn-Franken erwischt hat,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Müsste Ihnen zu denken geben! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP)

ist insofern fast bedauerlich, weil es keine andere Region gibt, die in der Vergangenheit so viele Windkraftanlagen

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

ausgewiesen und auch tatsächlich gebaut hat, wie es in der Region Heilbronn-Franken der Fall war.