Protocol of the Session on May 6, 2010

Im Klartext, um es noch ein bisschen deutlicher zu sagen, heißt dies: Nicht die Schwankungen an sich sind das Problem der Kommunen, was die finanzielle Belastung anlangt. Das Grundproblem ist hauptsächlich die FDP.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Lachen bei der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Herr Finanzminister, es ist Ihre oberste Aufgabe als Finanz minister des Landes, sich gegen jegliche Bestrebungen zur Wehr zu setzen, die die finanziellen Grundpfeiler der Kom munen schwächen; das betrifft die eigenen Steuereinnahmen, die sinken, natürlich auch bei der Gewerbesteuer; das sind die Einkommensteueranteile, und das sind auch die Finanzzuwei sungen, die sie enthalten. Deshalb erwarten wir von Ihnen, dass Sie sich allen Angriffen, die diese Einnahmen schwächen oder gar ganz beseitigen wollen, vehement widersetzen.

Unbestrittenermaßen – Herr Groh, das wurde angesprochen, darin sind wir uns einig, das bestreitet doch niemand ernsthaft – gibt es ein Problem auf der Ausgabenseite der Kommunen. Das ist überhaupt keine Frage. Ich nenne als Stichwort die steigenden Unterkunftskosten.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Es ist das Thema Grundsicherung, das die Kommunen belas tet. Das sind aber auch – das muss man ganz offen ansprechen – die Bereiche der frühkindlichen Erziehung und Betreuung, welche die Kommunen letztendlich zum großen Teil zu schul tern haben. Dies hängt nicht so sehr mit der Maßnahme an sich zusammen, sondern das hängt damit zusammen, dass wir in diesen Bereichen ganz einfach steigende Fallzahlen haben, die kräftig zu Buche schlagen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Was ist die Antwort der Regierenden im Land und im Bund auf diese Herausforderung? „Steuersenkungen“ ist die Ant wort. Steuersenkungen!

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! Richtig!)

Den Gipfel dieser ganzen Situation setzt dann noch der Vor sitzende der FDP im Bund auf, indem er sagt, all dies – die Finanzsituation der Kommunen – hätte mit der Steuerpolitik der Regierung überhaupt nichts zu tun.

(Heiterkeit der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Da muss ich ganz einfach sagen: Herr Westerwelle soll sich den Themen zuwenden, von denen er etwas versteht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Welche sind das? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die gibt es nicht! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Gibt es nicht! – Wei tere Zurufe von der SPD: Welche? – Gibt es nicht!)

Von diesem Thema versteht er mit Sicherheit nichts.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb erwarten wir jetzt in der Stellungnahme der Landesregierung eine klare Aussage dazu, wie sich die Landesregierung – ich habe kei ne Ahnung, ob der Finanzminister in der Lage ist, die Mei nung der Landesregierung kundzutun;

(Abg. Manfred Groh CDU: Jetzt hören Sie einmal!)

sie wird ihm ja vom Ministerpräsidenten und von Herrn Rül ke abgesprochen – die Umgestaltung, die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer vorstellt. Dabei sind wir durchaus ge sprächsbereit. Das ist überhaupt keine Frage. Vor allem erwar ten wir auch eine Aussage dazu, wie Sie die Meinung der Lan desregierung von Baden-Württemberg in die bundespolitische Diskussion einspeisen wollen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Sckerl.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Anständig bleiben!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt keinen Zweifel – das sehen auch wir so –: Die Finanzlage der Kommunen ist dramatisch – das wurde auch am Montag bei der Pressekon ferenz des Finanzministers deutlich –, selbst in den Bereichen der kommunalen Eigenbetriebe, Beteiligungen usw. Das wur de auch heute Morgen in den Veröffentlichungen des Statisti schen Landesamts über die Finanzsituation der baden-würt tembergischen Kommunen im Jahr 2009 deutlich.

Die Frage ist: Wie lautet die richtige Antwort? Immer dann, wenn es eine Krise gibt, kommt die FDP und will sich als Ret ter der Kommunalfinanzen gerieren. Das hatten wir in der Ge schichte dieser Republik schon mehrfach. Zum Glück sind diese Versuche immer gescheitert. Ich bin sicher, sie werden auch dieses Mal scheitern. Denn eines muss Ihnen doch auf fallen: Bei all Ihren hartnäckigen Versuchen, die Gewerbe steuer abzuschaffen, hebt aus der kommunalen Familie weder im Land noch außerhalb des Landes jemand die Hand. Im Ge genteil: Wenn die FDP/DVP in Stuttgart oder die FDP in Ber lin vor die Mikrofone tritt und eine Reform der Gemeindefi nanzen verkündet, dann schrillen in den bundesdeutschen Rat häusern die Alarmglocken. So ist die Realität.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Heiderose Berroth und Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

So reden auch die Kämmerer. Wenn man mit Kämmerern landauf, landab redet, wird eine besorgniserregend große Ver unsicherung über die erneut losgetretene Debatte deutlich.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wenn Sie kommen, ist das auch kein Wunder!)

Ihre drei Hauptelemente in aller Kürze:

Über die Steuersenkung haben wir jetzt hinreichend disku tiert. Herr Rülke, ich meine, angesichts der Daten der heuti gen Steuerschätzung muss dieses Märchen zu Ende sein. Rü cken Sie davon ab, kann ich nur fordern.

(Beifall bei den Grünen)

Denn jetzt ist auch klar: Diese klingenden Mehreinnahmen, die die Krise bewältigen und die Steuerkassen der Kommu nen wieder füllen, wird es nicht geben. Wir haben Wachstums raten von 1,4 % und dennoch in den nächsten Jahren sinken de Steuereinnahmen. Also, dieses Märchen ist endgültig zu Ende.

Ihr Vorschlag Nummer 2 ist alter Wein in neuen Schläuchen: Abschaffung der Gewerbesteuer und Erhöhung der Körper schaftsteuer, kommunales Hebesatzrecht auf Einkommen- und Körperschaftsteuer. Nebenbei bemerkt: Der FDPler, der mu tig vor dem Mikrofon steht und Steuererhöhungen für Unter nehmen fordert, ist eine Mogelpackung. Das Gegenteil ist der Fall. Ich sage Ihnen auch, warum. Die derzeitige durchschnitt liche Steuerbelastung eines Unternehmens beträgt inklusive der Gewerbesteuer 30 %. Wenn ich die Gewerbesteuer her ausnehme, die sonstigen Verrechnungen berücksichtige und dann die Körperschaftsteuer auf 25 % erhöhe, bleiben 5 % Differenz zugunsten der Personengesellschaften und der Ka pitalgesellschaften.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Sehr gut!)

Die würden um 5 % ihrer bisherigen Steuerbeiträge zur Kom munalfinanzierung entlastet.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was ist mit der Einkommensteuer?)

Das ist ein weiteres Steuersenkungsmodell für Unternehmen zuungunsten der Kommunen und zuungunsten der Bürgerin nen und Bürger, meine Damen und Herren. Das ist die Wahr heit.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP)

Schließlich FDP-Vorschlag Nummer 3: Zuschlag und auch höhere Anteile bei der Umsatzsteuer. Hier bin ich dafür, dass Sie erst einmal unter sich klären, was Sie eigentlich wollen. Im Beschluss des FDP-Bundesparteitags ist eher nebulös von einem höheren Anteil der Kommunen die Rede. Darüber kann man ja diskutieren. Die kommunalen Landesverbände sagen: Wenn es um eine zusätzliche Einnahmesicherung geht, disku tieren sie gern mit Ihnen darüber. Sie von der FDP wollen aber dafür die Streichung der Gewerbesteuer.

Aber letztlich wissen Sie nicht, was Sie wollen. Ihr Parteivor sitzender und Außenminister sagte bei einem Auftritt im Fern sehen am 18. April 2010

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was Sie so alles gucken!)

das muss man wissen, wenn man heute eine solche Debat te führt –, der neueste Vorschlag der FDP sei ein kommuna les Hebesatzrecht auf die Umsatzsteuer. Hoppla! Da haben sich mir endgültig die Nackenhaare gesträubt.

(Lachen bei der FDP/DVP)

Das muss man sich einmal vorstellen, meine Damen und Her ren: Es gibt unterschiedliche Umsatzsteuern für gleiche Leis tungen,

(Beifall bei den Grünen)

für Waren des täglichen Bedarfs, für Lebensmittel usw., weil die Kommunen ein eigenes Zuschlagsrecht auf die Umsatz steuer erhalten. Stellen Sie sich einmal das Ergebnis in die sem Land vor: ein Einkaufstourismus ohnegleichen, ein Kampf um Steueranteile.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie sollten sich einmal einen Fernsehtechniker holen!)

Herr Rülke, ich wäre sehr dafür, Sie würden heute einmal für klare Verhältnisse sorgen und zumindest diesen völlig unso liden Vorschlag aus der Welt räumen. Denn da kann man sich nur noch am Kopf kratzen und fragen: Was ist eigentlich bei der FDP los? Chaos pur!

Über höhere Umsatzsteueranteile für die Kommunen als zu sätzliche Einnahmequelle kann man gern reden. Aber auch hier gilt: Vorsicht vor Mogelpackungen. Unter dem Strich sa gen die Fachleute – das ist alles nicht neu, was sie sagen –: Alles, was Sie vorschlagen, führt zu einer gigantischen Um verteilung zulasten der Kommunen, zulasten der Bürgerinnen und Bürger, heizt den Konkurrenzkampf zwischen den Städ ten an, führt zur Stadtflucht aus den Großstädten – eine Ent wicklung, die wir im Moment gar nicht brauchen können – und treibt die Städte in die Entsolidarisierung. Deshalb Nein zu dieser FDP-Umverteilungspolitik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Finanz minister Stächele.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Der freischaffen de Künstler der Landesregierung!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir spüren immer mehr, dass die Tagesordnung des Landtags von dem bestimmt wird, was infolge von Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt werden muss. So auch das heutige Thema, die Frage der Ge meindefinanzen.