Protocol of the Session on April 15, 2010

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das haben wir vor einigen Jahren schon gemacht!)

Ich weiß es. Deshalb gehe ich jetzt nur auf die Kunstberei che, die Gegenstand dieser Anfrage sind, und nicht auf die an deren Kunstbereiche ein. Das wollte ich damit erklären.

Im Vergleich mit anderen Ländern belegen wir bei der Anzahl der Veranstaltungen und bei der Besucherauslastung die obe ren Plätze. 14 Bühnen in Baden-Württemberg bieten mit

knapp gleich vielen Veranstaltungen für nahezu ebenso viele Besucher gutes Theater, wie es z. B. in Bayern 20 Bühnen ver mögen. Das heißt, es ist insgesamt effizient, bei hohem künst lerischem Anspruch.

Dabei profitieren die großen Mehrspartenhäuser auch durch das Zusammenwirken der eigenen Sparten. Es sei mir die Be merkung erlaubt, dass von den sieben erwähnten Dreisparten häusern in Baden-Württemberg eines in Wirklichkeit vier Sparten betreibt, nämlich das in Mannheim als bundesweit größtes Vierspartenhaus in kommunaler Trägerschaft.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das war nicht anders zu erwarten! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das muss ich als Mannheimerin hier einmal sagen.

Die Schieflage zeigt sich jedoch in einem Bereich, der die Zu kunft unserer Theater auch wesentlich bestimmen wird, näm lich in der Partizipation und der Gewinnung des Nachwuch ses. So erfahren wir, welches kulturpolitisch wichtige Ziel die Landesregierung damit verfolgt, dass – wohlgemerkt: offen bar nur durch die Unterstützung der Regierungsfraktionen – für die Jahre 2007 und 2008 zusätzliche Mittel in Höhe von 80 000 € für die kulturelle Bildung von Jugendlichen im The aterbereich zur Verfügung gestellt werden. 80 000 € für 19 Bühnen! Es sei die Frage erlaubt, wie die Mittel verteilt wer den, um überhaupt einen sichtbaren Nutzen damit zu erzielen. Mit Verlaub: Das, was da geschieht, ist zu wenig. Es ist ein Nasenwasser, bei dem einem allenfalls die Tränen kommen.

Jedoch soll künftig die Zusammenarbeit zwischen Schulen und professionellen Theatern verstärkt gefördert werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Das kommt noch. – Hierfür sind zusätzliche Mittel von 100 000 € aus dem Sonderprogramm „Stärkung der Kunst in der Fläche“ für ganz Baden-Württemberg vorgesehen. Noch so ein Tropfen auf den heißen Stein. Sind das möglicherwei se sogar die Mittel, die aus dem Topf für die freie und Laien szene genommen werden? Das ist mir noch nicht ganz klar. Welche Programme sind für die Städte vorgesehen – diese Frage stellt sich –, und welche Strukturen sind für diese Ein zel- und Modellprojekte überhaupt vorgesehen?

Gleichzeitig entnehmen wir der Antwort der Landesregierung, dass es regelmäßig zusätzliche finanzielle – ich möchte es so nennen – Sahnehäubchen für ohnehin schon gut subventio nierte Häuser gibt, und zwar durch die Landesstiftung. Ich be tone: Das sei wirklich allen von Herzen gegönnt, aber das zeigt natürlich auch eine Schwerpunktsetzung der Landesre gierung auf.

Es werden künstlerische Projekte mit einer zusätzlichen Son derförderung von 7,9 Millionen € durch die Landesstiftung unterstützt, und damit setzt man Schwerpunkte – aber einsei tige. Sie behaupten aber, dass Sie Schwerpunkte im Kinder- und Jugendbereich setzen. Das können Sie doch nicht ernst meinen. Bei dem wichtigen kulturpolitischen Ziel, das die Landesregierung auf dem Feld der kulturellen Bildung ver folgt, kann man Ihnen gar nicht glauben, dass Sie mit diesen Beträgen Schwerpunkte setzen, vor allem nicht, wenn man sich folgende Zahlen ansieht.

Machen wir ein Rechenbeispiel: Nach Angaben des Statisti schen Landesamts werden für Kultur in Baden-Württemberg insgesamt 350 Millionen € ausgegeben, 1 % der Gesamtaus gaben des Landes überhaupt. Das entspricht 33 € pro Jahr und Einwohner. Die in den Kulturausgaben enthaltenen 117 Mil lionen €, die für die Theater ausgewiesen sind, entsprechen 11 € pro Einwohner. Stelle ich dem die 180 000 € für die Kin der- und Jugendarbeit im Theaterbereich gegenüber, über die ich eben gesprochen habe, dann komme ich auf 1,6 Cent pro Einwohner, also 0,016 €.

Rechnen wir jetzt einmal andersherum: Angenommen, wir gä ben 10 Cent pro Einwohner für diese wichtige Aufgabe aus. Dann wären das 1 125 000 € für die Kinder- und Jugendar beit. Würden wir 1 € pro Einwohner ausgeben, kämen wir auf eine Summe von 11 250 000 €. Das sind die Beträge, die ei ne Schwerpunktsetzung erahnen ließen. Ich möchte an Sie ap pellieren, sich an dieser Größenordnung zu orientieren.

Das Problem ist aber: Diese Haltung wird sich vermutlich dann rächen, wenn den Häusern künftig die Besucher weg bleiben. Das könnte schon in zehn oder 15 Jahren der Fall sein, nämlich dann, wenn die nicht mehr kommen, die heute auch nicht eingebunden sind.

Für uns stellt sich ganz einfach die Frage, mit welchen Mit teln und welchen Angeboten die Theater ihre eigene Zukunft sichern können. Dies gelänge durch das Erschließen neuer Be suchergruppen, z. B. mit Angeboten der aktiven Mitgestaltung für Kinder und Jugendliche, mit speziellen Vorstellungsfor men für sie, aber auch durch Angebote für und mit Migran ten. Im Übrigen gilt es unter dem Vorzeichen des demografi schen Wandels, auch das Stammpublikum zu halten. Senio ren sind nicht mehr so gern sehr spät am Abend unterwegs. Auch da muss man sich etwas Neues einfallen lassen.

Bei diesen Aufgaben muss das Land die Bühnen unterstützen; denn es hat dabei eine wichtige Gestaltungsaufgabe. Nehmen Sie das jetzt entschlossen in die Hand, bevor es zu spät ist, und verbessern Sie die Rahmenbedingungen für die theater pädagogische Arbeit an den Bühnen nachhaltig! Wir fordern das schon lange.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die Antwort der Landesregierung macht deutlich, dass wir in Baden-Württemberg in der Tat eine sehr vielfältige und lebendige Theaterlandschaft mit sehr vielen engagierten Kulturschaffenden vor Ort haben. Wir können uns in dieser Frage sicherlich mit vielen oder sogar allen Bundes ländern messen.

Von der Kollegin Heberer wurde aber zu Recht der Bereich der kulturellen Bildung angesprochen. Es gibt zwar viele Ein zelprojekte, und in vielen Theatern wird etwas gemacht. Alle haben ein Bewusstsein dafür. Aber der Bereich der kulturel len Bildung muss – – Ein Thema dieser Anfrage war ja: Wie geht es mit der Kunstkonzeption II weiter? Herr Staatssekre tär, wir waren uns fraktionsübergreifend und auch mit Ihrem

Haus einig: Der Bereich der kulturellen Bildung muss ein, wenn nicht sogar der Schwerpunkt bei der Fortschreibung der Kunstkonzeption werden. Deswegen kann ich mich den Wor ten meiner Vorrednerin anschließen. Wir müssen da ein kla res Konzept, eine klare Vorgabe des Landes haben.

Die Theater sind da auch schon in der Warteschleife. Sie war ten. Sie brauchen natürlich auch eine gewisse finanzielle Un terstützung. Wir alle wissen, wie schwierig das derzeit ist. Wir müssen in den nächsten Jahren wahrscheinlich eher darum kämpfen, dass wir die Summen, die jetzt im Kulturbereich ste cken, beibehalten können. Das müssen wir auch fraktionsüber greifend tun, wenn wir daran denken, welch wichtigen Bei trag die Kultur zu unserem Gemeinwohl, für unsere Gesell schaft leistet.

Aber gleichzeitig müssen wir versuchen, innerhalb des finan ziellen Rahmens, der uns zur Verfügung steht, die kulturelle Bildung zu einem ganz wichtigen Schwerpunkt zu machen. Da reichen einzelne Maßnahmen an den Schulen oder an den einzelnen Theatern nicht mehr aus.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinweisen, dass die Kulturausgaben pro Kopf seit 1990, sprich seit Inkrafttreten der jetzt geltenden Kunstkonzeption, im Grunde gleich geblieben sind. Wir haben zwar aufgrund des sen, dass die Bevölkerungszahl bei uns weiter zugenommen hat, mehr Geld ausgegeben, aber pro Kopf gerechnet sind wir auf demselben Stand. Da gilt es natürlich zu überlegen, wie es weitergeht.

Herr Staatssekretär, lassen Sie mich noch einige Ausführun gen zur Kunstkonzeption machen, weil sie ein Teil dieser An frage ist. Neben der kulturellen Bildung ist es meiner Ansicht nach sehr wichtig, darüber zu reden, wie man auch der Zer splitterung der Zuständigkeiten auf die Ministerien ein Ende bereitet. Der Kunstbeirat hat in seinen Empfehlungen eben falls darüber gesprochen. Es sind viel zu viele Ministerien mit diesem Thema beschäftigt. Die Kulturschaffenden müssen sich, eine einzige Institution muss sich teilweise an zwei, drei Ministerien wenden. Diesem Zustand müssen wir, Herr Staats sekretär, alle gemeinsam ein Ende bereiten. Ich glaube, Sie können sich darauf verlassen, dass Sie hierbei die Unterstüt zung aller Fraktionen dieses Hauses haben werden.

(Abg. Christoph Palm CDU: Das möchte ich schon selbst sagen!)

Ganz wichtig ist mir noch Folgendes – wir haben heute in die sem Haus schon über das Thema Migration gesprochen –: Wie bekommen wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Kultureinrichtungen? Bisher beschränkt sich das kul turelle Engagement teilweise auf – so sage ich einmal – Fol kloreveranstaltungen, bei denen die Folklore der Länder, aus denen die Migranten stammen, gepflegt wird. Das ist sehr sinnvoll, das ist wichtig, aber es muss mehr werden. Wir müs sen die Migranten auch in unsere Kultureinrichtungen brin gen. Deswegen sollte auch das ein Schwerpunkt unserer zu künftigen Kunstkonzeption sein.

Wie Sie wissen, sind wir von der Fraktion GRÜNE sehr dar an interessiert, dass es einen akademischen Unter- oder Über bau – je nachdem, wie man es nennen möchte – gibt. In dem Gespräch, Herr Staatssekretär, zu dem Sie freundlicherweise

eingeladen hatten, waren wir uns einig, dass es dafür Ansatz punkte in Ludwigsburg gibt, die wir ausbauen müssen. Es muss nicht in Ludwigsburg sein, es kann auch an einer Uni versität des Landes sein. Aber in Ludwigsburg haben wir jetzt damit angefangen. Für uns ist es auch ein ganz wichtiger An satz und eine ganz wichtige Veränderung gegenüber der Kunstkonzeption I, dass wir diesen Unter- oder Überbau schaffen, wo immer er sich dann auch befinden soll.

Ein letzter Punkt, den ich noch erwähnen möchte und der auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht, ist: Es wird immer nur über Zuschüsse geredet. Da bin ich Ihnen, Herr Staatssekretär, sehr dankbar, dass Sie in der Antwort noch ein mal auf diese wissenschaftliche Studie hinweisen, wonach je der Euro, der hier von der öffentlichen Hand – in diesem Fall vom Land – in die Hand genommen wird, dazu führt, dass vier weitere Euro in der jeweiligen Kommune ausgegeben wer den. Das heißt, Kultur ist ein wichtiger Standortfaktor, den man nicht unterschätzen darf. Schon deswegen ist es sinnvoll, die Kultur weiterhin in diesem Stil, zumindest im selben Um fang wie bisher, zu fördern.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Helen Heberer SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Birk.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Theater tut in der Regel gut – nicht immer, aber meistens.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Abg. And reas Hoffmann CDU: Außer im Landtag! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Eine Gesellschaft ohne Kunst und Kultur wäre – das wissen wir – nicht überlebensfähig. Insofern freut es mich auch, dass hier übereinstimmend festgestellt wurde, dass unsere Thea terlandschaft in Baden-Württemberg sehr lebendig, vielfältig und dezentral ist

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Trotz des Rechnungs hofs!)

und dass sie vor allem auch mit vielen interessanten Projek ten ein breites Publikum erreicht.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Kein Wunder, bei ei nem solchen Staatssekretär!)

Ich bin der FDP/DVP für die Große Anfrage dankbar, weil durch die Antwort deutlich wird, wie sich unsere Theaterland schaft in den letzten Jahren entwickelt hat. Zwar datiert diese Anfrage bereits aus dem Jahr 2008, aber man kann natürlich auch im Jahr 2010 noch wunderbar über das Theater debattie ren. Das können wir heute tun.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das können wir auch noch in zehn Jahren!)

Wir stellen fest, meine sehr geehrten Damen und Herren – auch Sie von der Opposition müssen das akzeptieren –, dass

die Haushaltsjahre 2008, 2009 und auch 2010 für das Theater in Baden-Württemberg gute Jahre waren bzw. sind.

(Abg. Helen Heberer SPD: Mit den genannten Ein schränkungen!)

Ich möchte daran erinnern, dass wir die Etats nicht nur gehal ten, sondern auch ausgebaut haben. Denken wir nur an den Anteil des Landes bei den tarifbedingten Personalmehrkos ten, die im Bereich der kommunalen Theater mit 2 Millionen € zusätzlich zu Buche schlagen; denken wir an die Projekt- und Konzeptionsförderung für die Kleintheaterlandschaft mit zu sätzlich immerhin 700 000 €, und denken wir vor allem auch an die deutliche Erhöhung der Haushaltsmittel für die freien Theater. In Baden-Württemberg stehen jetzt 1,5 Millionen € für die freien Theater zur Verfügung.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf die Ausfüh rungen von Ihnen, liebe Frau Heberer, kommen. Sie haben auch auf die Bedeutung der kulturellen Bildung hingewiesen. Dabei sind Sie aus meiner Sicht jedoch etwas zu kurz gesprun gen. Ich gebe Ihnen recht: 180 000 € – es sind immerhin 180 000 €, die wir als Projektmittel für die kulturelle Bildung zur Verfügung haben – würden nicht ausreichen. Wenn man jetzt aber einmal die gesamten Etats unserer Staatstheater, un serer Landesbühnen, unserer kommunalen Theater, unserer Klein- und Figurentheater und auch der freien Theater im Hin blick auf die Fragestellung der kulturellen Bildung und ins besondere des Kinder- und Jugendtheaters mit berücksichtigt, dann kommt man auf einen weitaus höheren Betrag. Ich sage das nicht, um mich dadurch zu entlasten, sondern einfach, um aufzuzeigen, dass auf diesem Gebiet schon sehr viel läuft und dass wir dies in den nächsten Jahren noch deutlich ausbauen müssen.

Das Land hat das Theater und die Schulen vor allem dadurch vorangebracht, dass wir zunächst überhaupt einmal eine In formationsplattform eingerichtet haben. Es gibt nun die Inter netplattform „Theater und Schule“. Damit ist es für jedes The ater, aber auch für jede Schule in Baden-Württemberg mög lich, in der Projektarbeit zusammenzukommen; es ist mög lich, das Theater an die Schulen zu bringen und die Schüle rinnen und Schüler ins Theater hineinzubringen.

Das Theater ist gerade bei Kindern und Jugendlichen für die Förderung von Kreativität, für die Förderung von sozialer Kompetenz durch alle Schularten hindurch sehr gut geeignet. Insofern stellen wir auch fest, dass das Interesse unserer The ater an dieser Aufgabe, an dieser Arbeit sehr groß ist.