Protocol of the Session on April 14, 2010

Herr Kollege Dr. Noll, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja, ich bin gleich fertig.

Wir werden im Ausschuss sicherlich noch einmal über das ei ne oder andere diskutieren. Aber ich glaube, wir haben eine „schlanke“ Veränderung vorgenommen, die im Interesse der Menschen, die in unseren Heimen leben müssen, aber auch von deren Angehörigen und der Betreiber eine gute Grundla ge für die weiteren Beratungen darstellt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor. Es ist vorgeschlagen, den Gesetz entwurf zur Änderung des Landesheimgesetzes zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stim men dem zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Umweltministeriums – Investitionen in Hochwasser schutzmaßnahmen in 2009 – Drucksache 14/3863

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Umweltministeriums – Investitionen in Hochwasser schutzmaßnahmen in 2009 und 2010 – Drucksache 14/5563

c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr – Planungsstand und Kostenentwicklung des Integrier ten Rheinprogramms (IRP) – Drucksache 14/5921 (ge änderte Fassung)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung der Anträge unter den Punkten 6 a und 6 b für die SPD fünf Minuten, für die Begründung des Antrags unter Punkt 6 c für die Fraktion GRÜNE fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Abg. Kaufmann das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über den Hoch wasserschutz am Oberrhein wird aktuell durch die „Kies-Af färe“ überlagert. Es ist in der Tat erstaunlich, wie aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen die Realisierung einer Hoch wasserschutzmaßnahme verzögert wurde. Dabei ist die schlep pende Umsetzung des Hochwasserschutzprogramms zwischen Basel und Mannheim schon seit Jahrzehnten ein Trauerspiel. Man kommt sich fast komisch vor, alljährlich feststellen zu müssen, dass es nicht richtig vorwärtsgeht.

Die derzeitige Debatte über Spenden, Schotter und Geschie be wird sicher weitergehen, auch wenn die Landesregierung unlängst auf ihrer Klausurtagung grünes Licht für den Hoch wasserrückhalteraum Weil-Breisach gegeben hat. Aber die fast täglichen Äußerungen der Landesregierung zur „Kies-Affä re“ haben mittlerweile schon den Charakter von Wasserstands meldungen. Offensichtlich steht Ihnen das Wasser schon bis zum Hals, nachdem bereits ein Staatssekretär abgetaucht ist.

Meine Damen und Herren, Spatenstiche und Ankündigungen von grünem Licht für bestimmte Bauabschnitte sind immer schnell gemacht. Dabei entsteht für diese Einzelvorhaben ei ne medial sehr wirksame Begleitkampagne, die aber dann doch verdeckt, um was es insgesamt geht. Mit unserem An trag haben wir daher versucht, die anstehenden Investitionen in den Hochwasserschutz zu beleuchten.

Was uns in diesem Zusammenhang jedoch nach wie vor fehlt und was wir dringend brauchen, sind transparente Ablauf- und Finanzierungspläne über einen längeren Zeitraum hinweg mit klaren Zielen und Fristen, meine Damen und Herren.

Die Landesregierung hat am 23. März dieses Jahres versucht, eine Bilanz zum Hochwasserschutz vorzulegen, und der Mi nisterpräsident wird dazu wie folgt zitiert:

In den Hochwasserschutz angelegtes Geld ist gut inves tiert, weil mit dem Ausbau der Rückhalteräume effektive Schadensvorsorge geleistet wird.

Meine Damen und Herren, dem ist uneingeschränkt zuzustim men.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Denn wir wissen, dass bei Extremhochwasser am Rhein der potenzielle Schaden nahezu das Zehnfache der notwendigen Vorsorgeinvestitionen ausmacht. Der Ministerpräsident hätte aber auch noch dazusagen müssen: „Wir wissen: In der Ver gangenheit wurde zu wenig getan.“

Zum Glück gab es in den letzten Jahren bei uns kein schwe res Jahrhunderthochwasser. Nur durch Zufälle des Wetterge schehens hat es beim letzten Mal die Elbe und nicht den Rhein getroffen. Wir alle wissen, dass in Karlsruhe, Mannheim/Lud wigshafen und auch weiter rheinabwärts Milliardenschäden möglich sind, dass Hunderttausende Menschen in Mitleiden schaft gezogen werden können, wenn so etwas wieder eintritt. Deshalb haben die Investitionen in den Hochwasserschutz ei nen hohen Nutzen.

Warum aber kommen wir in Baden-Württemberg nur im Schneckentempo voran? Warum kann beispielsweise auch ein Staatssekretär offensichtlich schalten und walten, und im Staatsministerium erfährt man erst über Berlin, dass man end lich zu einer Entscheidung kommen muss, die überfällig ist?

Meine Damen und Herren, ich will daran erinnern: Hochwas serschutz am Rhein ist keine freiwillige Aufgabe. Dieser Hochwasserschutz entspricht einer internationalen Verpflich tung, entspricht Verträgen, die wir mit Frankreich abgeschlos sen haben, und zwar bereits im Jahr 1982. Die vertragliche Frist zur Wiederherstellung des Schutzes gegen ein 200-jähr liches Hochwasser ist bereits 1990 abgelaufen. Nur so viel zum zeitlichen Verzug.

Das Rahmenkonzept für das Integrierte Rheinprogramm wur de 1988 erstellt. Dabei geht es, wie Sie alle wissen, um 13 Maßnahmen. In über 20 Jahren haben wir erst drei Vorhaben realisiert, wobei beim Polder Söllingen der Probebetrieb noch aussteht. Auf der linksrheinischen Seite dagegen hat Frank reich seine Verpflichtungen erfüllt, und in Rheinland-Pfalz sind die meisten Rückhalteräume bereits im Bau.

Wenn die Landesregierung nach 22 Jahren feststellt, dass bis her 40 % des geplanten Retentionsvolumens erreicht wurden, ist dies keine Erfolgsmeldung. 40 % in 22 Jahren heißt: Bei gleichem Tempo brauchen wir noch 33 Jahre, um endlich den geforderten Schutz vor einem Extremhochwasser zu erhalten. Das ist keine Beruhigung für die betroffenen Rheinanlieger; denn angesichts des Klimawandels werden die Extremsitua tionen immer häufiger.

Nun hat sich auch der Rechnungshof verschiedentlich zum Thema Hochwasserschutz gutachterlich geäußert. Das war zum einen bei der Beurteilung des Wirtschaftlichkeitsgutach tens zur Verwendung des Kiesmaterials aus dem Raum WeilBreisach im Rahmen der Geschiebezugabe. Da hatte die Be auftragung des Rechnungshofs meines Erachtens aber eher ei ne Alibifunktion, um zu kaschieren, dass eine Kabinettsvor lage lange verschleppt wurde. In der Sache kam da auch nichts Neues heraus.

Aber die jüngste Beratende Äußerung des Rechnungshofs vom 9. April ist in unserem Kontext wichtig, weil sie sich aus

führlich mit der Finanzierung des Hochwasserschutzes, näm lich des Integrierten Rheinprogramms, beschäftigt. Der Rech nungshof hat die bisherigen Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass die bislang jährlich zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel zukünftig nicht ausreichen. Das ist eine klare Sprache: Wir können so nicht weitermachen. Die Rechnungsprüfer konsta tieren eine immense Finanzierungslücke.

Um bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts, also bis 2030, die notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen am Rhein zu re alisieren, was im Interesse des Hochwasserschutzes nötig und geboten ist, müssten die jährlichen Haushaltsmittel hierfür verdreifacht werden. Der Investitionsbedarf beläuft sich nach den Berechnungen des Rechnungshofs auf rund 1 Milliarde €, wobei auf das Land 450 Millionen € entfallen. Dazu schreibt der Rechnungshof klar und deutlich – ich zitiere –:

Die bisherigen Finanzierungsraten von 10 Millionen € jährlich

für das IRP –

reichen für den angestrebten Hochwasserschutz bei Wei tem nicht aus. Das Land muss vielmehr je nach Baufort schritt Tranchen von 20 bis 40 Millionen € pro Jahr ein planen und sicherstellen.

Meine Damen und Herren, das ist eine gewaltige Herausfor derung. Das erforderliche Geld muss haushaltsrechtlich gesi chert und kontinuierlich bereitgestellt werden.

Daher empfiehlt auch der Rechnungshof, Ablauf- und Finan zierungspläne zu erstellen und sie entsprechend dem Stand der Umsetzung jährlich projektscharf fortzuschreiben.

Mit unseren beiden Anträgen wollen wir – wie bereits in den vergangenen Jahren – dieses Thema auch zukünftig aufgrei fen, um ihm gerecht zu werden. Die Diskussion wird also wei tergehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: Sehr gut!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Dr. Splett das Wort.

Herr Präsident, sehr geehr te Damen und Herren! Wir sind uns darin einig, dass Hoch wasserschutz wichtig ist, um Risiken für menschliches Leben zu vermeiden, um wirtschaftliche und auch um ökologische Schäden zu vermeiden, die z. B. bei der Überschwemmung von Gewerbegebieten sonst unvermeidbar wären. Der Blick auf die ökonomischen Risiken von Hochwasserereignissen – mein Vorredner hat es schon gesagt – macht klar, dass Hoch wasserschutz ökonomisch sinnvoll ist. Es wäre absurd, not wendige Maßnahmen aus finanziellen Gründen zu verschlep pen.

Die Meinungsunterschiede zwischen uns liegen also nicht in der Frage, ob Hochwasserschutzmaßnahmen ergriffen und fi nanziert werden sollen, sondern in der Frage, wie sie ausse hen sollen. Vor der Frage der Finanzierung, die bei den SPDAnträgen im Vordergrund steht, ist zunächst einmal die Fra ge zu stellen, was die richtigen Konzepte und Maßnahmen sind. Das Integrierte Rheinprogramm heißt bekanntlich „in

tegriert“, weil es den Anspruch hat, Hochwasserschutz und Ökologie zu verbinden. Aber diesem Anspruch wird es nicht mehr gerecht.

Das sogenannte Rahmenkonzept II, das Maßnahmen enthält, die der Auenrenaturierung dienen sollen, liegt in der Schub lade und wird nicht umgesetzt. Ökologie beschränkt sich in zwischen darauf, dass man gesetzliche Regelungen beim tech nisch orientierten Hochwasserschutz einhält. Ein Beispiel hierfür ist die lange Debatte über die Frage „Dammrückver legung oder Polder?“ beim Retentionsraum Bellenkopf/Rap penwört. Die Landesregierung hat sich hier für den Polder ent schieden – unter heftiger Kritik der Naturschutzverbände – und lehnt die naturnähere Dammrückverlegung ab, obwohl der Polder viel mehr kostet – nicht nur sein Bau, sondern auch sein Betrieb.

Unabhängig von dieser Variantenfrage und der Kostenfrage kommt man mit dem Planfeststellungsverfahren nicht voran. Wir werden Jahr für Jahr vertröstet. Die Stellungnahme zu un serem Antrag zur Entwicklung des Kosten- und Zeitplans beim Integrierten Rheinprogramm zeigt, dass es nicht nur beim Rückhalteraum Weil-Breisach, sondern auch bei den an deren Rückhalteräumen nur im Schneckentempo vorangeht.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Das kennen wir!)

Glaubte man im Jahr 2000 noch, bis zum Jahr 2015 im We sentlichen fertig zu sein, sagt man nun: „Vor 2028 kriegen wir das überhaupt nicht hin.“ Das heißt, innerhalb von zehn Jah ren hat sich der Zeitplan um 13 Jahre nach hinten verschoben – der Kollege hat das schon ausgeführt –, obwohl wir schon damals im Rückstand waren und eigentlich 1990 hätten fer tig sein sollen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist ein Skandal!)

Mit der Verlängerung der Planungszeiträume sind auch die Kosten gestiegen. Bei den Rückhalteräumen, für die uns ak tuelle Kostenschätzungen genannt wurden, ergibt sich eine Steigerung um ca. 25 %. Insgesamt dürften sich die Kosten damit seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt haben. Ein Kosten umfang von 1 Milliarde € ist nunmehr durchaus realistisch.

Woran liegt das alles? Beim Rückhalteraum Weil-Breisach hat das Problem ja inzwischen einen Namen; er lautet wahlwei se „Kies-Affäre“, „Schotter-Affäre“ oder „Gundolf Fleischer“.