Protocol of the Session on October 11, 2006

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Rau das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Bayer hat als Mitunterzeichner des Antrags hier noch einmal sehr nachdrücklich gefordert, wir sollten so etwas wie ein planwirtschaftliches Verfahren für die Entwicklung des Bildungswesens einführen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist aber eine falsche Deutung! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Das steht in Widerspruch zu dem Verfahren, das wir in den vergangenen Jahren gewählt haben,

(Zuruf des Abg. Christoph Bayer SPD)

nämlich immer stärker eine dezentrale Entwicklung in Gang zu bringen. Eine dezentrale Entwicklung wiederum können Sie nicht zentralistisch steuern.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Die SPD schon!)

Was Sie tun können, ist, durch Rahmenbedingungen Einfluss darauf zu nehmen. Genau das haben wir auch getan. Deswegen ist es für mich eine ganz grundsätzliche Frage, ob Sie zu einer Art der Bildungspolitik zurückwollen, wie wir sie etwa mit dem Verfahren zur Erarbeitung der neuen Bildungspläne, die eigentlich die Grundlage jeder Schulentwicklung über viele Jahre hinweg sind, zur Anwendung gebracht haben.

Sie wissen, was wir alles vorhaben: die Umsetzung der neuen Bildungspläne, den Ausbau der Ganztagsschulen, die Entwicklung der Schulstandorte, die Stärkung der Frühförderung und natürlich den weiteren Ausbau im Bereich der beruflichen Bildung, weil dieser Bereich ja eine ausgesprochene Erfolgsgeschichte des baden-württembergischen Bildungswesens darstellt. Aber wir haben in all diesen Bereichen mittlerweile Konzepte zur Wirkung gebracht, die von unten nach oben wirken,

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

die in der einzelnen Schule, in der Kooperation von Standorten, in der Kooperation mit außerschulischen Partnern ihren Ausgangspunkt haben und die einen Bezugsrahmen z. B. in den neuen Bildungsplänen oder auch in den Ausbildungsplänen der beruflichen Bildung haben.

Deswegen werden wir keine Planung vorlegen – weil das völlig systemwidrig wäre –, die sagt: „Dieses Jahr so viele Stellen dafür, nächstes Jahr so viele Stellen für etwas anderes“, sondern wir haben insgesamt durch unsere Festlegungen Ressourcen bereitgestellt, die wir zur Steuerung bei der Entwicklung der Ganztagsschulen, zur Steuerung bei der Entwicklung der Frühförderung und zur Steuerung bei der Stärkung des ehrenamtlichen Elements in der Ganztagsbildung einsetzen werden. Aber wir tun das im ständigen Dialog mit denen, die vor Ort die Verantwortung tragen.

Dass diese Stellen bereitstehen, ist überhaupt keine Frage. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode 5 500 neue Stellen angekündigt, und wir haben dieses Versprechen gehalten. Alle sind inzwischen haushaltswirksam geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Von diesen Stellen ist keine einzige durch eine aktuelle Entwicklung im Haushalt tangiert. Ich komme darauf noch zu sprechen. Das heißt, die Festlegungen, die aus der Umwandlung von ursprünglichen k.w.-Stellen in dauerhafte Stellen erfolgt sind, die wir gemeinsam mit der Koalition vorgenommen haben, haben unverändert Gültigkeit. Wir können den Ausbau der Ganztagsschulen vorantreiben wie vorgehabt, wir können die Stärkung der Frühförderung voranbringen wie vorgehabt, und wir werden natürlich den Schulen auch die notwendige Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Bildungspläne, wie vorgehabt, zuteil werden lassen.

Frau Kollegin Rastätter, Sie haben dann angesprochen, dass wir in einigen Bereichen einen strukturellen Mangel hätten. Sie haben die Berufsschulen und die Sonderschulen genannt. Ich will Ihnen sagen – Sie haben das auch verfolgt –: Bei den Berufsschulen haben wir in den letzten Jahren ständig bessere Daten erzielt. Die Lehrerversorgung ist durch

(Minister Helmut Rau)

die Neueinstellungen in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr besser geworden. Frau Kollegin Arnold hat darauf hingewiesen: Letztlich gibt es dort Probleme, wo wir bestimmte Stellen, die verfügbar sind, nicht besetzen können, weil in einigen Fächern auch Bewerberinnen und Bewerber fehlen.

Wir haben deswegen den Seiten- und den Direkteinstieg gerade in das berufliche Schulwesen gestärkt. Das ist kein Notnagel, denn wenn Menschen mit Berufserfahrung in die beruflichen Schulen gehen, dann hat das durchaus auch ein qualitatives Element. Wir konnten hier beim Umstieg aus einer anderen beruflichen Laufbahn in die Lehrerlaufbahn eine Reihe von Erfolgen erzielen. Sie haben ja fairerweise auch erwähnt, dass wir mit der Kooperation zwischen Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen einen neuen Weg der Lehrerausbildung gerade auch für die beruflichen Schulen eingeschlagen haben. Es ist übrigens ein sehr erfolgreicher Weg.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Ja!)

Das ist der erste Lehrerstudiengang in Baden-Württemberg und bundesweit, der durch eine unabhängige Agentur zertifiziert worden ist. Das ist eine ganz erfolgreiche Geschichte. Was die FH Offenburg und die PH Freiburg hier geleistet haben, hat meine ganze Unterstützung.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das kann man auch andernorts noch machen!)

Ja, es hat ja auch an anderen Standorten bereits begonnen in der Kombination zwischen FH und PH.

Bei den Sonderschulen, Frau Kollegin Rastätter, sehe ich das allerdings etwas anders. Wir haben, wie ich aus den Statistiken der KMK ersehe, in den Sonderschulen die bundesweit mit Abstand kleinsten Lerngruppen. Wir haben dort das mit Abstand beste Schüler-Lehrer-Verhältnis: 5,2 Schüler pro Lehrer. Es gibt kein Bundesland, das dies auch nur annähernd erreicht. Die meisten befinden sich irgendwo bei sieben bis acht Schülern pro Lehrer.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Und wir geben 13 400 € – die letzte Statistik, die vorliegt, stammt von 2003 – pro Schüler in den Sonderschulen im Jahr aus. Auch das ist bundesweit der Höchstwert. Das heißt, hier stellen sich auch die Fragen: Wie sind die Ressourcen eingesetzt? Sind viele Ressourcen vorhanden? Wenn da jemand ein strukturelles Defizit herausrechnen will, dann vielleicht deshalb, weil die Rahmenbedingungen bei uns sehr viel besser gehalten werden als in anderen Bundesländern. Dann muss man sich auch die Diskussion genehmigen, ob die Rahmenbedingungen so sein müssen oder ob man sie in Relation zu denen in anderen Bundesländern bringt.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Sie haben doch die Schülerzahlen gedeckelt!)

Dann verschwindet jedes strukturelle Defizit von allein durch reines Herumrechnen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Senken wir das Niveau, dann ist es für alle wieder gleich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war natürlich klar, dass in dieser Debatte die Frage der Unterrichtsversorgung insgesamt und auch die Ankündigung zur Sprache kommen würden, dass wir in den nächsten beiden Jahren in drei Tranchen insgesamt 521 Stellen sperren – jedoch nicht wegfallen lassen, wie Sie irrtümlicherweise gesagt haben, Herr Kollege Bayer –, was angeblich die Unterrichtsversorgung beeinträchtige. Dem ist nicht so. Wir wollen jetzt einmal intellektuell redlich bleiben.

Die 5 500 Stellen sind entstanden; von ihnen verschwindet keine einzige. Über diese 5 500 Stellen hinaus haben wir aber 950 weitere Stellen durch die Deputatserhöhung auf 25 Stunden erhalten. Dies war ursprünglich nie als Beitrag zur Unterrichtsversorgung, sondern als Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts gedacht. Es stand im Zusammenhang mit der Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst und war keine isolierte Maßnahme.

(Zuruf von der SPD – Zuruf der Abg. Renate Ra- stätter GRÜNE)

Ich erkläre es Ihnen, weil ich glaube, dass man sehr wohl nachvollziehen kann, was hier stattgefunden hat. – Diese 950 Stellen haben wir im Jahr 2003 deshalb nicht beim Finanzminister abgeliefert, weil wir im Jahr 2003 eine Schülerzahlenprognose für die kommenden Jahre erhalten haben, die besagte, dass die Schülerzahlen ansteigen würden – anders, als es ursprünglich prognostiziert war.

Jetzt, im Jahr 2006, haben wir eine neue Prognose erhalten, die uns sage und schreibe schon ab diesem Jahr, ab dem laufenden Schuljahr 30 000 Schülerinnen und Schüler weniger errechnet, als wir noch vor drei Jahren vermutet hatten. Diese Differenz wird in den nächsten Jahren bis auf etwa 40 000 ansteigen. Da kann ich doch nicht einfach sagen: Wir haben für die Unterrichtsversorgung 950 Stellen außer der Reihe erhalten; wir haben jetzt aber 30 000 bis 40 000 Schülerinnen und Schüler weniger und tun nun so, als ob das überhaupt nichts zu bedeuten hätte.

Ein Teil dieser 950 Stellen wurde durch Beschluss des Landtags den Berufsschulen zusätzlich zur Verfügung gestellt. Diese Stellen verbleiben dort auch. Die übrigen Stellen haben wir jetzt jedoch gesperrt, weil es dafür keine sachliche Begründung mehr gibt.

(Lachen des Abg. Norbert Zeller SPD – Abg. Nor- bert Zeller SPD: Das gibt es doch nicht, so etwas!)

Das hat mit der Zusage für die Stellen, die wir für den Unterrichtsbereich geschaffen haben, nichts zu tun. Diese Zusage wird in vollem Umfang eingehalten. Diese Stellen stehen der Schulentwicklung in den nächsten Jahren zur Verfügung.

(Glocke des Präsidenten)

Zudem haben wir die Stellen nicht gestrichen, sondern wir haben sie gesperrt, weil wir im Jahr 2009 wieder eine Prognose erhalten. Damit können wir immer noch reagieren, falls wir im Jahr 2009 sehen, dass die Prognose von 2006 falsch war. Wir haben die Stellen nicht aus dem Haushalt genommen, sondern sperren sie für eine bestimmte Zeit.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Rau, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Rastätter?

Ja, bitte.

Frau Abg. Rastätter.

Herr Minister Rau, sind Sie bereit, zuzugestehen, dass Ihre Berechnung, die Sie jetzt vorgetragen haben, den Sachverhalt nicht völlig abbildet? Denn im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung ist ausdrücklich erklärt worden, dass die frei werdenden Lehrerstellen bei rückläufigen Schülerzahlen dem Ausbau der Ganztagsschule, der frühkindlichen Bildung, dem Ausbau der Evaluation und der Schaffung zusätzlicher Studienplätze dienen sollten.

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass diese Lehrerstellen gar nicht ausreichen, um die Bedarfe in diesen Bereichen abzudecken, und dass es deshalb nicht zu rechtfertigen ist, wenn diese Stellen nicht besetzt werden?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich stimme mit Ihnen nicht in der Bewertung überein, dass die Stellen, die aus den 5 500 rechnerisch frei werden, nicht ausreichen, um abzudecken, was an Neuerungen aufgebaut wird. Denn dies alles geschieht nicht über Nacht, sondern wir haben einen Entwicklungszeitraum, der sich zum Teil auf die gesamte Legislaturperiode oder – was die Ganztagsschulen angeht – auf die nächsten neun Jahre bezieht. Deswegen haben wir sehr wohl die Spielräume, um diese Vorhaben aus frei werdenden Stellen koordiniert zu entwickeln.

Mir war es ganz wichtig, zu zeigen, dass hier lediglich eine Gegenrechnung zu einem Bereich stattfindet, der nie als zusätzliche Ressource für den Schulbereich vorgesehen gewesen wäre, hätten wir nicht im Jahr 2003 eine nicht zutreffende Prognose erhalten, die jetzt um rund 35 000 Schülerinnen und Schüler nach unten korrigiert werden musste.

Ich sage Ihnen, wie das neue Schuljahr begonnen hat. Wir haben schon zum Schuljahresbeginn 350 Stellen gesperrt. Ich kann Ihnen sagen, wie die Meldungen zum Schuljahresbeginn sind. In den Zeitungen des Landes lese ich überall, dass sich die Unterrichtsversorgung auf einem sehr guten Niveau befindet.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Da lese ich aber etwas anderes! Sie sollten alle Zeitungen lesen! – Abg. Katrin Altpeter SPD: In meiner Zeitung steht etwas anderes! – Weitere Zurufe von der SPD)