Es ist doch manchmal das konkrete Problem, dass die Jungen sagen: „Wenn die Alten da sitzen und etwas miteinander machen, ist das nicht unser Ding.“
Letzte Bemerkung: Gerade das Pflegeheiminvestitionsprogramm, Frau Altpeter, ist ein klassisches Beispiel, von dem ich einfach sagen muss: Das war einmal richtig. Aber inzwischen haben wir andere Probleme. Wenn wir mehr ambulante Versorgung der älteren Menschen wollen – die Betroffenen wollen es, die Angehörigen wollen es –, dürfen wir doch nicht immer weiter den Bau von neuen klassischen Pflegeheimen fördern. Vielmehr müssen wir überlegen, ob es nicht neue Möglichkeiten gibt.
Dass dazu das Heimrecht demnächst an der einen oder anderen Stelle möglicherweise geändert werden muss, ist auch klar. Aber es ist in der Tat so, dass die Hauptprobleme im Leistungsrecht liegen. In der Pflegeversicherung wird eben
nach wie vor die stationäre Pflege finanziell wesentlich stärker honoriert. Damit werden teilweise auch falsche Anreize gesetzt.
Da lassen wir uns als Land aber nun überhaupt nichts nachsagen. Wir haben nämlich im Bundesrat eine Initiative eingebracht, um genau dies zu ändern. Das heißt nicht, wir wollten die Pflegeversicherung abschaffen, wie Sie es angedeutet haben. Vielmehr wollen wir sie umgestalten.
Deshalb ist es in der Tat so: Ihre Anfrage ist sehr, sehr verdienstvoll. Aber es ist für eine abschließende Bewertung der Tätigkeit des Kabinettsausschusses „Demografischer Wandel und Seniorinnen/Senioren“ meiner Meinung nach noch viel, viel zu früh. Sie dürfen sicher sein, dass wir diese Enquete nicht nur angestoßen haben. Vielmehr wollen wir unser ganzes Engagement dafür aufbringen, für Jüngere und für Ältere die Konsequenzen, die wir als notwendig erkannt haben, in reales politisches Handeln umzusetzen.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Altpeter, als ich Ihnen zugehört habe, habe ich mich gefragt, warum Sie diese Anfrage eigentlich gestellt haben, nachdem Sie jetzt hier im Plenum jede qualifizierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema verweigern. Ich habe von Ihnen nur Altbekanntes gehört.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Mari- anne Wonnay SPD: Da sind wir jetzt aber gespannt auf all das Neue!)
Eine weitere Vorbemerkung: Wenn Sie sagen, man habe eine Frau Staatsrätin installiert, möchte ich erwidern: Mein Job ist ein Ehrenamt. Er ist ein Null-Euro-Job. Das möchte ich an dieser Stelle auch einmal betonen.
Ich möchte mich dennoch mit der gebotenen Ernsthaftigkeit – das hatte ich eigentlich von Ihnen als Antragstellerin erwartet – mit dem Thema auseinandersetzen.
Die Bedeutung des demografischen Wandels ist hier im Hause jeder und jedem von Ihnen bekannt. Auf BadenWürttemberg hat diese Entwicklung vielfältige Auswirkungen. Die Entwicklung läuft bei uns aber besser oder anders als in anderen Bundesländern, weil wir auch vom Binnenzuzug profitieren, weil die Dramatik bei uns sozusagen weniger drastisch ausfällt als anderswo. Aber auch wir sind von der Alterung der Bevölkerung massiv betroffen.
Die Besonderheit hier ist: Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das immerhin noch einen geringen Geburtenüberschuss zu verzeichnen hat. Aber das verdeckt nicht, dass es auch hier an Kindern mangelt. Ich denke, es ist unsere Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, eine Gesellschaft zu schaffen, die es jungen Menschen ermöglicht, Ja zum Kind zu sagen.
Beide Trends, das heißt der Geburtenrückgang und die Alterung der Gesellschaft, verändern das Gesicht BadenWürttembergs. Unsere Aufgabe ist es, diesen Wandel zu gestalten und die Folgen planerisch zu steuern.
Der Landtag hat dieses Problem und die Bedeutung der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung ja erkannt. Die Enquetekommission, der Auslöser dieser Großen Anfrage, hat auch in intensiven Beratungen und Anhörungen den Handlungsbedarf aufgezeigt. Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung dem Landtag für diese sehr umfassende, profunde und kompetente Grundlagenarbeit gedankt. Daraus ist der Katalog entstanden, über den wir heute sprechen und der für die Landesregierung in dieser Legislaturperiode die Orientierungslinie sein wird.
Die Arbeit in der Enquetekommission – ich habe den Eindruck, dass heute eine totale Schieflage entsteht – erfolgte in weiten Bereichen fraktionsübergreifend und war in den Empfehlungen übrigens auch von großer Übereinstimmung getragen. Es ist richtig, dass es Minderheitsvoten gab. Ich habe sie mir jetzt noch einmal angesehen. Aber sie standen nicht im Zentrum dessen, was wir heute hier gehört haben.
Ich wollte eigentlich im Geiste dieser Zusammenarbeit in der Enquetekommission jetzt auch an die Umsetzung ihrer Empfehlungen gehen. Ich glaube, nur auf diesem Wege, nämlich im Geiste einer Gemeinsamkeit, können wir auch der Ernsthaftigkeit und der Bedeutung des Themas gerecht werden. Es gibt wohl kein Handlungsfeld, das für eine parteipolitisch zugespitzte Profilierung weniger geeignet ist als dieses.
Die SPD begründet ihre Anfrage mit der Sorge, die Landesregierung werde die Empfehlungen nicht oder nur eingeschränkt umsetzen. In der Verantwortung, die ich trage – Sie dürfen mir glauben, dass ich sie ernst nehme –, versichere ich, dass wir nichts weniger anstreben als dies.
Die Empfehlungen sind in Gänze sinnvoll. Eine möglichst umfassende Verwirklichung ist auch für die Zukunftssicherheit unseres Landes notwendig. Das ist das optimale Ziel, das wir vor Augen haben.
Ich will aber nach allem, was heute gesagt worden ist, auch ein grundsätzliches Wort dazu sagen. Die Ehrlichkeit – auch Ihre Ehrlichkeit, unser aller Ehrlichkeit – verlangt von jedem von uns, zu erkennen, dass hier ein Zielkonflikt vorhanden ist. Dieser Zielkonflikt besteht darin, dass wir in dieser Legislaturperiode die Nettonullverschuldung, die Haushaltssanierung fraktionsübergreifend als unser ehrgeizigstes Ziel anstreben. Sie können nicht einerseits sagen,
das Ziel der Nettonullverschuldung 2011 finde in diesem Haus breiteste Zustimmung, und andererseits so handeln, als ob es niemand merkt, wenn wir keine Schulden mehr machen.
Meine Damen und Herren, wenn ich seit der Befassung mit diesem Thema ein Gebot aus der Generationengerechtigkeit ableite, dann besteht dieses darin, keine weiteren Schulden zu machen.
Ohne Eingrenzung der Neuverschuldung und auch ohne langfristige Rückführung von Schulden marschieren wir zulasten der nachfolgenden Generationen in den blockierten Staat. Wir begeben uns sämtlicher Handlungsspielräume. Dann brauchen wir über die Gestaltung des demografischen Wandels gar nicht mehr nachzudenken.
Die Große Anfrage hat aus dem Bündel der Handlungsempfehlungen einen Schwerpunkt auf die Politik für ältere Menschen gelegt. Das halte ich für gut, wichtig und notwendig. Seniorenpolitik ist Zukunftspolitik, weil wir in eine Seniorengesellschaft hineinlaufen. Aber das ist nur ein Teil der Gestaltung des demografischen Wandels.
Im Tagesgeschäft wird von uns erwartet, dass wir – das Gesamtpaket vor Augen – entscheiden, abwägen und Prioritäten setzen. Prioritäten zu setzen heißt aber auch, Posterioritäten zu benennen, insbesondere in der Gewichtung der Empfehlungen sowie beim Ablauf und im Zeitraster ihrer Umsetzung. Dazu gehört auch, dass wir festlegen, in welcher Reihenfolge wir was machen. Es ist zutiefst unehrlich, so zu tun, als könnten wir alle Empfehlungen gleichzeitig und in kürzester Zeit umsetzen.
Zunächst einmal zur strategischen Ausrichtung: Die Bedeutung des Themas wurde bereits in der Koalitionsvereinbarung festgelegt. Dies setzte sich bei der Regierungsbildung fort, und zwar in der Verortung: Staatsrätin – direkt beim Ministerpräsidenten angesiedelt –, Landesbüro Ehrenamt und – sozusagen zur Abfederung – Kabinettsausschuss „Demografischer Wandel“.
Wir haben diesen Kabinettsausschuss Ende August konstituiert und werden Ende Oktober die erste Arbeitssitzung haben und eine Arbeitsagenda auflegen.
Dieses Bündel – Regierungserklärung, Koalitionsvereinbarung, Staatsrätin und Kabinettsausschuss – zeigt, dass die Landesregierung dieses Thema ganz oben auf ihrer Agenda sieht. So wie wir uns des Themas Kinderland annehmen, sehen wir unsere Verantwortung auch im Bereich des demografischen Wandels.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje, schlechter Ver- gleich! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Kinder- land ist abgebrannt!)
Nun in aller Kürze zu den einzelnen Punkten; ich kann nur Stichworte nennen. Herr Kollege Noll ist schon auf das Thema „Ältere Arbeitnehmer und Beschäftigungsfähigkeit“ eingegangen. Dies betrifft alle Arbeitnehmer, aber besonders die gering qualifizierten.
Wir gehen vom Leitbild des lebenslangen Lernens aus – nicht nur für Ältere. Das ist eine Kultur, die schon in der Jugend implementiert werden muss.
Wir gehen auch davon aus, dass wir gut daran tun, dem Grundsatz der Subsidiarität zu folgen. Demzufolge sehen wir die Verantwortung zuallererst in den Betrieben und Unternehmen. Das heißt nicht, dass der Staat nichts tut. Im Gegenteil, unter der Führung des früheren Wirtschaftsministers Döring ist sehr viel gemacht worden, gerade im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist ja auch bes- ser!)
Es sollte nicht in erster Linie daran gedacht werden, dass der Staat Angebote macht, sondern wir sollten in der Wirtschaft Verantwortungsgefühl implementieren. Es gibt 20 Projekte; darüber können Sie sich lustig machen oder auch nicht. Antragsberechtigt sind gerade auch kleine und mittlere Unternehmen. Wir haben dafür Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds, Ziel 3. Dieser Förderschwerpunkt wird auch in der Planung ab 2007 erhalten bleiben.
Was altersspezifische Arbeitsbedingungen angeht, lassen wir uns von dem Gedanken der Prävention leiten: Gesundheitsmanagement nicht erst im Alter, sondern auch schon in früheren Jahren. Hierzu hat vieles stattgefunden, z. B. ein Kongress im Januar 2006 unter der Führung des Wirtschaftsressorts: „Jugendwahn in der Gesellschaft? – Neue Chancen für Ältere“. Anwesend waren 500 Teilnehmer im Haus der Wirtschaft.
Dies mündete in ein greifbares Ergebnis: den sogenannten Altersatlas. Wir haben ein Internetportal. Dies alles sind nur punktuelle Stichworte zu diesem Bereich. Ich könnte die Aufzählung fortsetzen.
Ich muss aber auch sagen, dass vor dem Hintergrund der Verlängerung der Lebensarbeitszeit, vor dem Hintergrund, dass wir ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren beschlossen haben – es wird in den Jahren 2012 bis 2029 stufenweise bis auf 67 angehoben –, natürlich ein ganz großer Schwerpunkt gerade darauf liegen muss, ältere Arbeitnehmer fit zu halten, weiterzubilden und zu begleiten. Dieser Verantwortung kommen wir nach.