Protocol of the Session on March 10, 2010

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deshalb bekenne ich mich für die SPD auch zur kommunalen Daseinsvorsorge: keine Privatisierung von öffentlichen Institutionen wie der LBBW. Aber auch auf kommunaler Ebene kann es nicht sein, dass immer mehr private Sicherheitsdienste die Wahrung der öffentlichen Sicherheit übernehmen müssen. Es ist Aufgabe der Polizei, für Sicherheit und Ordnung in diesem Staat zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich hat diese Landesregierung, hat Herr Mappus keine Antennen für die dynamischen Veränderungen in unserer Gesellschaft, die bezüglich der Zusammensetzung und der Vielfalt unserer Gesellschaft in den letzen Jahren rapide vonstatten gegangen sind. Sie haben noch immer Berührungsängs te; Sie haben noch immer dieses abgeschmackte Bild vom konservativen Besitzstandswahren, das Sie aufbauen wollen.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ein intellektueller Müll!)

Sie bekommen gar nicht mit, wie sich dieses traditionell weltoffene Land weiter rapide verändert.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Unruhe)

Was Sie in Ihrer Partei betreiben, ist, dass Sie mit feuchten Augen einem alten Bild von Baden-Württemberg hinterherhecheln, das mit der Realität nichts zu tun hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir gehen voraus und hecheln nicht hinterher! – Abg. Dr. Klaus Schü- le CDU: Hoffentlich wird der Spitzenkandidat!)

Sie haben ein Weltbild, das kulturell und sozial trennt und nicht zusammenführt. Sie haben ein Weltbild, das nicht auf den sozialen Zusammenhalt setzt, sondern spaltet. Dies ist die falsche Antwort in dieser Krisenzeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich sage an dieser Stelle: Vielfalt in der Gesellschaft ist keine Bedrohung, sondern eine Chance, sowohl kulturell als auch sozial und wirtschaftlich.

Vornehme Aufgabe von Politik und ihren führenden Vertretern, Herr Mappus, ist es, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu befördern, denn nichts anderes meint dieser sperrige Begriff „Integration“. Wenn wir über Integration reden, dann darf das nicht nur in akademischen Diskursen – jetzt noch durch eine Staatsrätin angereichert – geschehen, sondern da ist handfestes Handeln in diesem Land gefragt: bei der Sprachförderung,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

in der Schulpolitik,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Im Schulall- tag!)

bei der Ausbildung und bei den Arbeitsmarktchancen von Migrantinnen und Migranten. Dabei geht es um ganz Praktisches wie die Arbeit in den Sportvereinen.

Ich sage Ihnen einmal eines: Mein Sohn mit dem sperrigen Namen Oguzcan Dur, damals Sohn einer alleinerziehenden türkischstämmigen Mutter, ist in dieser Gesellschaft angekommen, als er mit sechs Jahren in den Handballverein von Nürtingen eingetreten ist. Da war es egal, ob er Türke oder ob er Sohn des angesehenen Einzelhändlers dieser Stadt ist.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Das ist in je- dem Sportverein so!)

Deshalb sage ich Ihnen: Wir werden – so wie im Sport – nur gemeinsam gewinnen. Wir werden nur gewinnen, wenn wir die Integration vorantreiben. Wenn wir das nicht schaffen, dann verlieren wir alle gemeinsam, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie der Abg. Ulrich Lusche und Günther-Martin Pauli CDU – Zu- ruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Zuruf: Sehr gut!)

Wer über diesen gesellschaftlichen Zusammenhalt redet, der darf die – sicher noch vorhandenen – Defizite nicht immer den Migrantinnen und Migranten anhängen, sondern es geht auch darum, positive Vorbilder herauszustellen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wer hat wem was wo angehängt?)

Es geht darum, dass die Menschen, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, das Rathaus als ihr Rathaus, die Schule als ihre Schule und den Elternbeirat als ihren Elternbeirat begreifen, dass sie hier heimisch werden und wir sie mit offenen Armen aufnehmen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wollen wir ja!)

Wer für sozialen Zusammenhalt ist, der muss auch die nach wie vor bestehende Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft ins Auge fassen

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das hat er doch alles schon gesagt!)

und in Angriff nehmen. Denn im Ländervergleich schneidet Baden-Württemberg bei der Gleichstellung nach wie vor miserabel ab.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Hör doch auf!)

Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen: letzter Platz; Anteil der Frauen an der Zahl der absolvierten Promotionen: vorletzter Platz; Frauenanteil in den Verwaltungsspitzen von Kommunen: vorletzter Platz.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist keine Liste von Erwin Teufel! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zu wenige Frauen in der SPD-Fraktion!)

Damit ist klar: Wir brauchen eine Landesregierung, die Gleichstellung als Querschnittsaufgabe begreift und die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernsthaft anpackt und nicht weiter dem alten Weltbild hinterherhechelt.

(Beifall bei der SPD)

Apropos Vielfalt und Berührungsängste: Lieber Herr Mappus, wie wäre es denn, wenn Sie beim nächsten Christopher Street Day mitmachten

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

und sich anschauten, wie bunt, wie schillernd und wie freudvoll diese Gesellschaft ist? Ich sage Ihnen eines, lieber Herr

Mappus: Wenn Sie nicht allein gehen wollen, weil Sie ein bisschen Angst haben, dann gehe ich mit.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zim- mermann CDU: Das ist ja noch schlimmer! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das kann ich mir gut vorstellen! – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Dabei sind Sie doch maskiert! – Gegenruf der Abg. Helen Heberer SPD: Das ist Toleranz in der Gesellschaft! – Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Regierungserklärung hat deutlich gemacht: Die Dynamik der Veränderung ist nicht auf Ihrer Seite. Sie haben keine Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft.

Wir von der SPD wollen diese Gesellschaft dynamisch verändern; wir wollen das Land voranbringen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ihr schafft es aber nicht!)

Wir bieten Ihnen an: Dort, wo Sie nicht nur ein Sammelsurium an Klein-Klein-Vorschlägen haben, sondern wo Sie den Kurs ernsthaft ändern wollen, sind wir zum Wohl dieses Lan des dabei.

(Abg. Peter Schneider CDU: Wo?)

Auch ich persönlich werde mich dafür einsetzen, dass dieses Land weiterhin vorangetrieben wird, denn wir sind in einer ernsthaften gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise. Da kann man es sich nicht leisten, nur Klein-Klein zu machen und nur an ehemals Bewährtem und an altem Denken festzuhalten. Da muss man Mut zu Neuem haben.

(Abg. Peter Schneider CDU: Wo? In Reutlingen?)

Neue Zeiten brauchen neue Antworten und auch einen neuen Ministerpräsidenten.

Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Aus Schmie- del wurde „El Schmid“!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Uli, hau rein!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten haben wir wirklich bemerkenswerte Auftritte der Opposition erlebt. Herr Kollege Schmid, das Bemerkenswerteste an Ihrer Rede war, dass Sie bei der Aufzählung dessen, was für eine intakte Kommune erforderlich ist, die Kneipe vor der Schule genannt haben.