Protocol of the Session on March 10, 2010

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Lieber Kollege Kretschmann, wenn Sie meinen, dass Sie mit Ihren alten Rezepten – die Sie auch nicht benannt haben –,

(Beifall bei der CDU)

dass Sie mit altem sozialistischem Gedankengut Erfolg haben können,

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

z. B. mit dem Thema Einheitsschulen,

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Zum Beispiel!)

mit der – von Ihnen nicht beantworteten – Frage nach Lösungen für die Klimaprobleme und dergleichen mehr, dann haben Sie sich getäuscht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Theresia Bauer GRÜ- NE: Alles nicht existent, oder was? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU zu den Grünen: Ihr Altsozia- listen!)

Natürlich ist eines ganz klar: Wir leben gegenwärtig in einer Zeit des Umbruchs.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Es gab einen wirtschaftlichen Einbruch mit der Folge von Haushaltseinbrüchen, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und in Baden-Württemberg niemals hatten. Wann gab es jemals einen Einbruch der Steuereinnahmen um 12 %? Wann gab es jemals eine Situation, in der es notwendig war, von heute auf morgen Systeme zu stabilisieren? Es reicht nicht, in bestimmten Bereichen, in einzelnen betrieblichen Sektoren Reparaturen durchzuführen, sondern es geht darum, ein ganzes System – in diesem Fall ist es das Bankensystem und in dessen Folge im Prinzip auch das Wirtschaftssystem – stabilisieren zu müssen. Darauf haben Sie keine Antworten gegeben.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er hat nur den Kretschmann gegeben!)

Wir haben eines getan, was andere Länder in Deutschland und auch in Europa nicht geschafft haben: Wir haben uns damals dem Globalisierungswettbewerb und seinen Regeln gestellt. Wir stehen im internationalen Wettbewerb, und wir sind, weil wir in der Wirtschaft und in den Finanzmärkten enger vernetzt sind als andere, natürlich in besonderem Maß mit in die weltwirtschaftlichen Entwicklungen involviert. Wir nehmen an den Zyklen der Weltwirtschaft deutlich stärker teil als andere Länder in Deutschland und in Europa.

Wenn es bei uns also aufgrund der weltkonjunkturellen Entwicklung ein Stück weit rückwärtsgeht, dann werden wir, sofern wir mit der nötigen Infrastruktur im Binnenbereich in der Lage sind, die richtigen Weichen zu stellen – das sind wir –, auch die Ersten sein, die beim einsetzenden Aufschwung entsprechend dabei sind.

Klar ist eines: Es waren die ungeregelten Finanzmärkte, die diese tiefe Krise verursacht haben. Eindeutig ist auch, dass für eine soziale Marktwirtschaft, die heute nicht mehr an nationalen oder europäischen Grenzen enden kann, weltweit neue Regeln an den Finanzmärkten eingeführt werden müssen. Dass im Bereich des Interbankenhandels bestimmte Produkte nicht mehr handelbar sein dürfen, ist mittlerweile zwar Allgemeingut, wird jedoch von der internationalen Staatengemeinschaft noch immer nicht akzeptiert.

Wir haben als Befürworter, als die Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, meine ich, das Recht, aber auch die Pflicht, dieses System auf alle Bereiche unseres wirtschaftlichen Handelns auszuweiten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Auf diese Fragen hat Herr Mappus aber auch keine Antworten geliefert!)

Aber natürlich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Kein Wort! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Da müssen Sie zu- hören, Herr Schmiedel!)

Sie haben die zentralen Passagen offenbar überhört.

Ich bin überzeugt davon, dass Baden-Württemberg einerseits Vorbild, andererseits aber auch Erfolgsmodell ist – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Vergleich –, wenn es um die Fragen geht, wie man Krisen bewältigen kann und wie man aus Krisen wieder herauskommt. Das gilt genauso für die Frage, wie man die notwendigen Weichen

stellungen für die Zukunft, für die nächsten Jahre und Jahrzehnte vornimmt.

Wir müssen deshalb unsere Rahmenbedingungen zwar nicht gänzlich verändern, aber wir müssen sie zweifelsohne ein Stück weit – orientiert an den veränderten gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen – neu justieren. Das heißt aber auch, dass wir auf den Stärken, die wir haben, tatsächlich aufbauen müssen.

Wir gehen dabei mit gutem Beispiel voran. Wir halten – wie in der Vergangenheit – zu Recht an dem bewährten dreigliedrigen Bankensystem als eine der wichtigsten Stützen und Säulen der Wirtschaft fest. Das, was uns als selbstverständlich anmutet, ist aber im europäischen und auch schon im deutschen Maßstab längst nicht mehr selbstverständlich.

Dazu gehören allerdings auch eine klare Neuausrichtung und die Restrukturierung der Landesbank. Es ist zweifelsohne auch ein Erfolg des früheren Ministerpräsidenten Günther Oettinger, dass sich unsere Landesbank derzeit außerhalb jeder Kritik befindet, dass von den Verfahren bei der Europäischen Union zu den Landesbanken in Deutschland einzig das Verfahren zur LBBW abgeschlossen ist, dass wir die Restrukturierung konsequent angehen können und dafür sorgen können, dass die Landesbank zwar – wenn man das so sagen will – schrumpft, aber nicht im Kerngeschäft, sondern auf das Kerngeschäft schrumpft, und dass die Landesbank somit als stabiler Standortfaktor und stabiler Begleiter unserer mittelständischen Wirtschaft in Deutschland und in der Welt erhalten bleibt. Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir werden die Restrukturierung mit Augenmaß begleiten, wenn es um den Verkauf der LEG geht. Auch dort wird nicht allein die Frage nach Kosten und Erlösen eine Rolle spielen, sondern zweifelsohne wird auch der soziale Ausgleich entsprechend berücksichtigt werden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident hat zu Recht das Thema Länderfinanzausgleich angesprochen. Herr Kretschmann, ich wundere mich über Sie. Erstens wundere ich mich, dass Sie diesen Einzelpunkt nicht als einen gesamtstrategischen Punkt erkannt haben. Aber gut, das muss man von Ihnen auch nicht verlangen können.

(Heiterkeit bei der CDU – Vereinzelt Beifall – Zuruf von der CDU: Das wundert mich aber!)

Es ist doch ganz logisch. Wir haben doch mehrere Wünsche an den Bund. Aber die Frage ist: Was wollen Sie? Sind Sie mit diesem ungerechten System zufrieden? Wollen Sie sich einfach damit zufriedengeben, dass die leistungsstarken Länder, die leistungsstarken Bürger Baden-Württembergs Tag für Tag über Gebühr und überproportional geschröpft werden? Ist das Ihre Politik?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zurufe der Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP und Winfried Kretschmann GRÜNE)

Es geht nicht um die Frage der Solidarität oder der Nichtsolidarität. Wir waren solidarisch, und wir wollen und werden auch in Zukunft solidarisch sein. Aber es geht um die Frage der Gerechtigkeit in diesem Staat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja! So ist es! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wie wollen Sie das jetzt machen?)

Da erwarte ich von Ihnen als baden-württembergischem Grünen ein klares Bekenntnis zu diesem Land und nicht zur grünen Ideologie auf Bundesebene.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bravo!)

Das gilt im Übrigen auch für den Verkehr und alle Bereiche der Standort- und Infrastruktur. Was sich die Grünen in der Frage des Verkehrs leisten, das geht – aus baden-württembergischer Sicht gesprochen – auf keine Kuhhaut.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Dass es dann tatsächlich baden-württembergische Grüne sind, die sich an die Spitze der Bewegung einer Politik gegen dieses Land stellen,

(Abg. Jörg Döpper CDU: Gegen die Bahn!)

das setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es gilt doch eines: Dorthin, wo die Räder rollen, egal, ob gummibereift oder eisenbereift, muss auch das Geld fließen. Das ist der ganz entscheidende Punkt. Sie können doch nicht einfach ignorieren, dass die Verkehrsbelastung auf unseren Autobahnen mittlerweile bei 57 000 Kfz pro Tag liegt. Nur in Nordrhein-Westfalen mit 58 000 Kfz und Hessen mit 62 000 Kfz pro Tag ist die Verkehrsbelastung auf Autobahnen etwas höher. Das bedeutet eine Spitzenbelastung für unsere Autobahnen. Für die Bundesstraßen gilt, dass wir mit 13 500 Kfz pro Tag mittlerweile zu den einsamen Spitzenreitern in Deutschland zählen, gefolgt von Hessen und Nordrhein-Westfalen mit etwa 10 000 Kfz pro Tag.

Das heißt doch im Umkehrschluss ganz klar, dass wir im Bundesfernstraßenbereich einen deutlich größeren Anteil an Mitteln brauchen als in der Vergangenheit.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Dann holen Sie sie sich doch! Sie sind doch an der Regierung! – Lachen des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Wir haben in den Jahren von 2003 bis 2008 einen Anteil an den Bundesmitteln in der Größenordnung von etwa 10 % gehabt, und in einem wesentlichen Teil dieser Zeit waren Sie an der Bundesregierung beteiligt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wir haben nur 10 % der Bundesmittel erhalten, obwohl unser Anteil an der Verkehrsbelastung im Durchschnitt bei mindes tens 15 % bis 16 % liegt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die 10 % sind mehr als zu Ihrer Regierungszeit!)

Wenn man die Prognosen berücksichtigt, dann stellt man fest, dass wir in den neuen Bundesländern einen Rückgang im Bereich der Pkw-Belastung und einen ganz schmalen Anstieg im Bereich des Transports auf den Straßen zu erwarten haben, während wir in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2025 mit einem Anstieg des Pkw-Verkehrs um über 15 % und des Gütertransportverkehrs um etwa 30 % rechnen müssen.