Wir aber wollen eine neue Politik, die offen und aufgeschlossen zwischen Alternativen abwägt und die die besten Lö
Herr Ministerpräsident, Sie räsonieren über die wirtschaftliche Lage Baden-Württembergs. Sie geben das Motto aus: Wir sind Gewinner und Gestalter des Wandels. Wo, bitte, ist Ihre Analyse, auf der diese Einschätzung fußt?
Sie wollen ein Expertengutachten über zukünftige Wachstumsfelder in Auftrag geben – wieder einmal ein Gutachten.
Sie könnten einmal den 50-köpfigen Innovationsrat der Landesregierung fragen oder einen Blick in die ausführliche, 107 Seiten umfassende Clusteranalyse Baden-Württembergs werfen, die der Wirtschaftsminister in Auftrag gegeben und vorgestellt hat. Erkenntnisse gibt es genügend. Entscheidend ist, ob Sie bereit sind, diese anzunehmen und aus den Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen und zu handeln. Da können wir nach Ihrer Regierungserklärung leider wenig erwarten.
Ich sage Ihnen noch einmal: Die entscheidenden globalen wirtschaftlichen Trends – Klimaschutz und Knappheit der Ressourcen – kommen in Ihren allgemeinen wirtschaftspolitischen Ausführungen überhaupt nicht vor. Daran kann auch ein Ökotupfer wie die Technologieförderung nichts ändern.
„Umwelttechnik made in Baden-Württemberg“ soll sich in der ganzen Welt verkaufen. Wer will das nicht? Immerhin sehen Sie inzwischen wohl einen positiven Zusammenhang zwischen Umwelt und Arbeitsplätzen. Das predigen wir schon seit über 20 Jahren.
Sie wollen eine Landesstrategie „Umwelttechnik und Ressourceneffizienz“ entwickeln. Das ist auch wieder eine allgemeine Absichtserklärung. Wie soll sie aussehen? Aussagen dazu muss man von einer Regierungserklärung doch erwarten.
Was meinen Sie eigentlich mit Umwelttechnik? Im klassi schen Sinn versteht man darunter die Bereiche Abfall, Abwasser und Luftreinhaltung. Diese Bereiche sind auch sehr wichtig. Aber was ist mit erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Ressourcenschonung in der ganzen Produktions- und Dienstleistungskette?
Wollen Sie sich für bessere Bedingungen für die Windkraft einsetzen und dafür, dass das Landesplanungsgesetz und die Regionalpläne endlich überarbeitet werden? Wollen Sie das, wenn Sie für Umwelttechnik sind, ja oder nein?
Wollen Sie den Kurs der Bundesregierung, die Solarförderung drastisch zu kürzen – eine Kürzung, die am Ende nur heimischen Unternehmen schadet, sie vom Markt drängt und die Chinesen begünstigt –, mitgehen? Wollen Sie diesen Kurs mittragen oder nicht?
(Beifall bei den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Körperlich waren Sie vorhin aber schon anwe- send?)
Man sieht es beim Thema Auto, von dem der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg natürlich in hohem Maß abhängig ist. Die Branche macht Verluste, von Daimler bis zu den Zulieferern.
Natürlich hat jede Volkswirtschaft, jede exportorientierte Wirtschaft ein Auf und Ab. Aber dieses Land steckt in einem heftigen Strukturwandel. Sie sagen nicht, dass der Klimaschutz und die Knappheit unserer Ressourcen d i e Rahmenbedingungen für unsere Automobilindustrie sind, und Sie durchdringen dieses Thema Auto nicht anhand der harten ökologischen Rahmenbedingungen. Sie denken vielmehr in alten Kategorien. Wo ist Ihre Ansprache an die Autohersteller, dass der Klimawandel eine ernste Sache ist und sie schnell kleinere und leichtere Autos bauen sollten? Wo ist Ihre Ansage zu einer klaren Ordnungspolitik in dieser Frage? Das ist das Entscheidende.
Wo ist z. B. Ihr Bekenntnis, dass Sie in Brüssel bei der nächs ten Regulierung zum CO2-Ausstoß, nämlich der für leichte Nutzfahrzeuge, nicht wieder auf der Bremse stehen werden, wie es Ihr Vorgänger Oettinger bei den Pkws getan hat, sondern dass mit ambitionierten Grenzwerten unsere technologische Entwicklung gepuscht wird? Fehlanzeige!
Schauen wir uns jetzt einmal Ihre Äußerungen zur Energiepolitik an. Die Atomkraft wurde ja bereits in den Fünfzigerjahren als Illusion geboren. Es sollte eine billige Energieversorgung ohne Folgeschäden sein. Stattdessen sind Milliarden Euro Steuergelder in die Atomkraft geflossen, und wir werden noch Milliarden Euro brauchen, um den strahlenden Abfall, der in den letzten Jahren angefallen ist, zu lagern.
1,5 Milliarden € brauchen wir laut Bundesregierung mindes tens, um die Asse als Lager für schwach und mittel radioaktiven Abfall bis 2020 zu schließen.
Rund zwei Drittel des radioaktiven Inventars in der Asse stammen allein aus dem Atomkraftwerk Obrigheim. Das ist in der Verantwortung baden-württembergischer Energiepolitik, zu der Sie immer nur schweigen.
Direkt im Landeshaushalt schlagen bei uns die Kosten für die Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe zu Buche. 2,6 Milliarden € insgesamt wird die Sanierung der ehemaligen Wiederaufarbeitungsanlage mindestens kosten – einer Versuchsanlage, wohlgemerkt.
Herr Ministerpräsident, Atomkraftwerke sind Dinosaurier im Kraftwerkspark, lassen rund 70 % der erzeugten Energie als Abwärme in die Umwelt, sind nur schwer regelbar und stehen für eine intelligente Steuerung der Einspeisung in die Stromnetze nicht zur Verfügung. Diese brauchen wir aber bei einem steigenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien immer mehr.
Das war die Aussage von Bundesumweltminister Röttgen von der CDU in seinem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 6. Februar. Der Titel des Interviews war: „Wir wollen die Kernkraft ablösen“. Dieses Interview war ein Lackmustest dafür, ob die CDU hier im Land in der Lage ist, Baden-Würt temberg neu zu denken und zu gestalten. Ergebnis: Sie sind es nicht.
Stattdessen rotten Sie sich wieder mit Bayern und Hessen zusammen, um das alles zu verhindern. Ich sage Ihnen: Effizient und erneuerbar, das ist die Energieversorgung der Zukunft in Baden-Württemberg.
Was, bitte, Herr Ministerpräsident, hat die Atomenergie mit dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung zu tun, für die Sie angeblich sind? Nichts. Was bringen längere Laufzeiten von Atomkraftwerken den erneuerbaren Energien? Nur Behinderungen.
Sie müssen sich entscheiden, welchen Weg Sie gehen wollen: Mehr Atomkraft als beschlossen und schneller Ausbau der erneuerbaren Energien, das geht nicht zusammen. Sie können nicht der EnBW den Gefallen tun und für ihre Interessen kämpfen, ohne den anderen Energieerzeugern, die kein Atom im Portfolio haben, wie etwa unseren Stadtwerken, zu schaden. Es geht hier um einen harten Markt, es geht um sehr viel Geld, es geht um langfristige Investitionsentscheidungen für Unternehmen. Diese haben bisher darauf vertraut, dass der schrittweise Atomausstieg die Grundlage ist, auf der sie entscheiden. Nehmen Sie sich einmal den Alarm gegen die Laufzeitverlängerung vom Verband kommunaler Unternehmen zu Herzen. Die CDU ist doch eine Kommunalpartei.
Also: Was wollen Sie? Wollen Sie mit der längeren Laufzeit die alten Monopolstrukturen stärken, oder wollen Sie mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten? Wollen Sie den Ausbau der erneuerbaren Energien, oder wollen Sie mit Atomstrom die Netze verstopfen?
Diesen Konflikten müssen Sie sich stellen. Aber Blockade ist ja ohnehin ein „Ding“ Ihrer Energiepolitik. Seit Jahren boomt die Windkraft, aber der Anteil in Baden-Württemberg liegt bei 0,7 %. Überall gehen Sie – Ihre Basis von der CDU – gegen Windkraftanlagen vor,
(Abg. Albrecht Fischer CDU: Unwirtschaftlich! – Gegenruf von den Grünen: Was? – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Landschaftsverschandelnd!)
(Abg. Albrecht Fischer CDU: Unwirtschaftlich! – Weitere Zurufe von der CDU – Gegenrufe von den Grünen)
Ja, das ist der energiepolitische Schreier statt Sprecher der CDU. So hallt es da unten. Sie selbst haben uns geschrieben, dass wir damit bis zu 20 000 Arbeitsplätze schaffen können.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wen meinen Sie jetzt mit dem Schreier? Das müssen wir aufklären!)
Herr Mappus, Sie sind jetzt der übernächste Ministerpräsident nach Teufel. Sie könnten die alten CDU-Kämpfe wirklich einmal begraben und den Kampf gegen die Windkraft für beendet erklären. Ich sage Ihnen: Das wäre eine echt realpolitische Ansage für das Jahr, das Sie noch haben. Denn diese Ansage kostet überhaupt kein Geld. Sie müssen nur etwas an Ihrer Politik ändern.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Sie sind die Einzigen, die hier Wind machen! – Abg. Peter Hauk CDU: Aber es geht auch um die Frage der ökonomischen Effizienz!)