(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Deswegen brau- chen wir keine Basisschule! – Zuruf der Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP)
Denn es muss uns vor allem besser gelingen, den Lernerfolg a l l e r Kinder unabhängig vom sozialen Hintergrund der Eltern zu gewährleisten.
Tatsache aber ist, dass Sie, die immer das Kultusressort besetzt haben, das selbst in 50 Jahren nicht erreicht haben – auch nicht mit dem gegliederten Schulwesen.
Da ist es doch wohl längst an der Zeit, darüber nachzudenken, Frau Kultusministerin, ob ein Schulsystem, bei dem das Aussortieren von Schülerinnen und Schülern den Lebensalltag vieler Schüler bestimmt, der richtige Ansatz ist.
Wir sind der Überzeugung, dass dies in einer Schule bis zur Entscheidung zwischen Abitur und dualem Ausbildungssys tem gemeinsam am besten gelingen kann.
Aber es ist nicht entscheidend, ob wir das so meinen. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie solche Schulen dort zulassen,
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zur Sache! Wollen Sie die Basisschule, oder wollen Sie sie nicht? Sagen Sie doch, dass Sie die Realschule kaputt machen wol- len!)
wo es engagierte Lehrerkollegien, Schulgemeinschaften und Kommunen gibt, die genau dies wollen. Das ist das Entscheidende.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Die gibt es an jeder Schule! Niemand will aussortieren! So ein Quatsch!)
Herr Ministerpräsident, Frau Kultusministerin, Dialog heißt, das aufzunehmen, was von unten entstehen will. Das ist die Anfrage an Sie. Da werden wir Sie beim Wort nehmen. Dialog ist nicht die übliche Einbahnstraße, wie wir sie bis jetzt hatten, nämlich mit Ansagen von oben nach unten. Das ist kein Dialog.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie den Menschen doch, dass Sie die Realschule kaputt ma- chen wollen! Das ist Ihr Grundziel!)
Herr Ministerpräsident, immerhin greifen Sie in Ihrer Rede unsere langjährige Forderung zur Grundschule auf: Verkleinerung der Klassen. Wir fordern seit Jahren maximale Klassengrößen in der Grundschule von 25 Schülern, acht Semes ter Ausbildung für Grundschullehrer sowie eine bessere musikalische Bildung. Das hat schon vor Jahren meine Kollegin Rastätter gefordert.
Ihr Problem ist: Sie laufen immer hinterher. Man muss Sie immer treiben. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, weil Sie nicht sofort auf unsere richtigen Forderungen eingehen.
Immerhin haben Sie ihre Kultusministerin zurückgepfiffen, als sie der Meinung war: Wir brauchen an den Schulen keine Sozialpädagogen; das sollen die Lehrer selbst machen. Aber Ihr Ausspielen von Schulassistenten gegen Sozialpädagogen lehnen wir ab. Das Land muss sich wieder an der Schulsozialarbeit beteiligen.
Sie loben die neue Werkrealschule. Aber ich sagen Ihnen: Das ist eigentlich nichts anderes als ein gigantisches Flurbereinigungsverfahren für Schulstandorte im ländlichen Raum. Wer den ländlichen Raum stärken will – Sie haben das betont –, der muss zeigen, wie attraktive Schulstandorte mit guten Bildungschancen für alle Kinder im ländlichen Raum erhalten werden können.
Die Abstimmung mit den Füßen geht weiter. Die Gymnasien und die Realschulen platzen aus allen Nähten, während die Hauptschulen und Werkrealschulen ausbluten.
Mit keinem Wort erwähnen Sie die freien Schulen im Land. 20 000 Eltern und Schüler von freien Schulen haben am 19. Januar 2010 für bessere Bedingungen für freie Schulen demonstriert, aber ohne jeden Erfolg bei Ihnen.
Das Thema „Inklusion von Kindern“, das gemeinsame Unterrichten von Kindern mit und ohne Behinderungen, und die Umsetzung von UN-Konventionen im Schulbereich tauchen in Ihrer Agenda nicht auf. Auch das schweigen Sie weg.
Genauso wenig gibt es klare Aussagen zum bitter nötigen Ausbau der Ganztagsschulen und zu ihrer Verankerung im Schulgesetz.
Viele Jugendliche hängen in den Warteschleifen eines riesigen Übergangssystems und verlieren dabei wertvolle Zeit. 350 Millionen € jährlich lassen Sie sich beispielsweise die Berufskollegs kosten, deren Besuch den Jugendlichen in der Berufsausbildung aber überhaupt nicht angerechnet wird. Sie müssen jetzt echte Möglichkeiten für diese Jugendlichen schaffen.
Sie benennen den drohenden Fachkräftemangel. Aber was tun Sie konkret dagegen? Wo sind echte Alternativen? Ich sehe sie nicht.
In unseren beruflichen Gymnasien gibt es einen wirklich wichtigen Bypass zum Bildungsaufstieg. Dort reichen die Plätze aber nach wie vor nicht aus, um dem Bewerberansturm gerecht zu werden. Bei einem Mindestnotendurchschnitt von 3,0 – er ist die Voraussetzung – haben 50 % der beruflichen Gymnasien Wartelisten, die 40 Personen umfassen. Die Zahl der Bewerber beträgt bis zu 300. Ich nenne einmal zwei Beispiele: In Lörrach beläuft sich der Fehlbedarf auf 90 % und in Waldshut auf 107 %.
Also: „Kein Abschluss ohne Anschluss“ gilt offenbar nicht für den ländlichen Raum. Da wären Sie einmal gefordert, eine konkrete Ansage zu machen, wie das in Zukunft geändert wird.
Im Kern lässt sich an der Bildungspolitik Ihrer Regierung und der Ihres Amtsvorgängers – daran hat sich nichts geändert – das Problem präzise nachweisen. Sie postulieren eben alte Weisheiten und Rezepte, die nicht mehr zu den Anforderungen unserer Zeit passen, und Sie sind nicht bereit, neue Wege einzuschlagen.
Ihr Fahrziel heißt Vergangenheit. Was wir in Baden-Württemberg aber brauchen, ist eine Wende in Richtung Zukunft.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und Sie stehen für die Basisschule! Sagen Sie es doch endlich einmal! Erklären Sie das System der Basisschule doch ein- mal!)