Protocol of the Session on February 5, 2010

Wer sich jetzt noch, wie die FDP, schützend vor die Steuerbetrüger stellt,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was?)

der muss heute Farbe bekennen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP)

Deshalb stellt die SPD den Antrag, dass dieser Landtag

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ja!)

der Öffentlichkeit gegenüber deutlich erklärt, dass auch das Land Baden-Württemberg für den Ankauf von Steuerdaten aus der Schweiz ist.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das ist doch ent- schieden! Das ist in Berlin längst entschieden!)

Denn es kann nicht sein, dass Steuerhinterziehung ein Kavaliersdelikt ist, das auch noch von Regierungsfraktionen gedeckt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Gerade weil das ein sensibles Thema ist, weil es darum geht, dass Grundrechte gegenüber dem Interesse des Staates an Steuereinnahmen abgewogen werden müssen, gerade weil das eine schwierige Abwägung ist,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Macht ihr es euch einfach!)

ist es wichtig, dass sich das Parlament dazu äußert und das nicht im stillen Kämmerlein auf Ministerialebene ausgehandelt wird.

Ich sage ganz deutlich:

(Zuruf des Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU)

Es ist ein Akt der Notwehr des deutschen Staates

(Lachen bei Abgeordneten der FDP/DVP)

gegenüber der Schweiz, gegen diese Steuerhinterzieher vorzugehen. Deshalb müssen diese Daten angekauft werden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: So ist es! – Zurufe von der CDU und der FDP/DVP, u. a.: „Notwehr“!)

Kommen wir zur Finanzplanung. Schauen wir uns diese einmal etwas detaillierter an. Wir sehen Deckungslücken für die Jahre 2012 und 2013 in Höhe von insgesamt 7 Milliarden €. Dann kommen, wenn die Steuerpolitik weiter so betrieben wird wie bisher, mindestens 1 Milliarde € obendrauf. Das soll jetzt durch eine zusätzliche Schuldenaufnahme sowie durch das Schließen von Deckungslücken hereingeholt werden.

Sie haben aber während der ganzen Haushaltsdebatte keine Aussage zu den Belastungen getroffen, die noch zusätzlich auf uns zukommen – Sanierungsstau, Pensionsausgaben –, und Sie haben keinerlei strukturelle Einsparungsvorschläge gemacht, wie wir zu einem stabilen Landeshaushalt kommen. Wir von der SPD-Fraktion haben Sie mehrfach aufgefordert, durch die Zusammenlegung von Ministerien, durch die Streichung einer Verwaltungsebene Synergien zu heben, die nicht zulasten der Bürgernähe gehen, sondern die die Verwaltung in diesem Land optimieren.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Bürgerferne Regional- kreise wollt ihr! So ein Schwachsinn! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Machen Sie sich endlich an diese Arbeit, das Land zu durchlüften, neue Strukturen in der Verwaltung zu schaffen, und starren Sie nicht wie das Kaninchen auf die Schlange der steigenden Verschuldung.

(Beifall bei der SPD)

Besonders schlimm ist, dass Sie auch in diesem Haushalt neue Lasten in die Zukunft verschieben. Ich erinnere an den Verkauf von Immobilien an die verselbstständigte Baufinanz, die per Saldo 42 Millionen € mehr Schulden aufnimmt, obwohl Sie – das war damals Ministerpräsident Oettinger – versprochen hatten, dass die Baufinanz allmählich in den Haushalt zurückgeführt wird. Sie haben bei der Beteiligungsgesellschaft des Landes eine Sonderausschüttung von 60 Millionen €. Vor allem aber haben Sie bei der Risikoabsicherung der LBBW die Gebühren aus dem Puffer, der in der Gesellschaft für mögliche Verluste vorgesehen war, herausgenommen, um sie in den Haushalt zu überführen. Damit entpuppt sich ein Großteil der Ressorteinsparungen für den kommenden Doppelhaushalt als Scheineinsparungen, die Lasten in die Zukunft verschieben.

Sie haben entgegen den Versprechungen des Konjunkturprogramms bei den Investitionen im Kernhaushalt gekürzt. Das sieht man bei den Zentren für Psychiatrie und bei der Breitbandverkabelung. Dort sind gegenüber der ursprünglichen Planung 12,6 Millionen € bzw. 10 Millionen € gestrichen worden. Weiterhin fallen 50 Millionen € für die energetische Sanierung von Landesgebäuden weg.

Damit konterkarieren Sie die gemeinsamen Bemühungen, durch verstärkte Investitionen die Konjunktur zu stabilisieren. Dies ist eine widersprüchliche Politik und schadet Wirtschaft und Beschäftigung in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schließlich wird die mittelfristige Finanzplanung Ihrem selbst gesteckten Ziel und Ihren selbst auferlegten Konsolidierungsverpflichtungen durch den Tilgungsplan und die Schuldenbremse, wie sie die Landeshaushaltsordnung vorsieht, nicht gerecht. Damit ist auch der Tilgungsplan, der in die mittelfris tige Finanzplanung hineingemogelt wurde, das Papier nicht wert, auf dem er steht. Denn Sie verlagern die Tilgung weit in die Zukunft und zeigen überhaupt keinen Weg auf, wie Sie die in diesem und im nächsten Jahr zusätzlich aufgehäuften Schulden zurückführen wollen.

Besonders bedrückend ist, dass die Schuldenbremse, die in der Landeshaushaltsordnung verankert wurde, schon beim ers ten Praxistest versagt. Sie haben im Haushaltsrecht des Landes festgelegt, dass eine zusätzliche Schuldenaufnahme nur zulässig ist, wenn bei den Steuereinnahmen ein Rückgang um mindestens 1 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen ist. Sie planen aber für die Jahre 2012 und 2013 weiterhin eine Schuldenaufnahme, obwohl man nicht davon ausgehen kann, dass die Steuereinnahmen in diesen Planungsjahren noch einmal um 1 % zurückgehen. Sie verstoßen also gegen Ihr eigenes Haushaltsrecht, gegen Ihre eigene Schuldenbremse. Sie werden nicht im Ernst behaupten wollen, dass auch noch die Jahre 2012 und 2013 von einem Ereignis wie der Finanzkrise – ähnlich einer Naturkatastrophe – geprägt sein werden. Denn so kann man die Auswirkungen von Finanzkrisen immer beliebig in die Zukunft verlängern.

(Abg. Manfred Groh CDU: Das ist doch Quatsch!)

Damit wird das ganze Schuldenbremsegedöns, das Sie in der Landeshaushaltsordnung veranstalten, ad absurdum geführt. Sie müssen sich da etwas Schlaueres einfallen lassen. Sie laufen in den Schuldenstaat hinein. Sie haben in der Landeshaushaltsordnung eine nicht funktionierende Schuldenbremse verankert.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Warten Sie doch einmal ab! Abwarten und Tee trinken!)

Deshalb ist der Haushalt, ist Ihre mittelfristige Finanzplanung auf Treibsand gebaut. Deshalb wird die SPD diesem Haushalt selbstverständlich nicht zustimmen können.

(Beifall bei der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Nur Forderungen nach mehr Ausgaben und Kritik an der Schuldenaufnahme! Kein einziger Vorschlag!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Schlachter das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wochenzeitschrift „Stern“ hat die Menschen in Deutschland gefragt, was ihnen denn Angst mache.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Die Grünen! – Hei- terkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

An erster Stelle stand nicht die Arbeitslosigkeit und nicht der Terrorismus, sondern dort steht inzwischen die sprunghaft steigende Staatsverschuldung. Es ist der Schulden-Tsunami, der unsere Kinder und Enkel bedroht, der auf uns zurollt und der den Menschen offensichtlich Angst macht.

(Abg. Manfred Groh CDU: 14 andere Bundeslän- der!)

Die Frage der Konsolidierung, der Sanierung der öffentlichen Haushalte ist also längst kein trockenes Thema mehr, mit dem sich nur die Finanzexperten der Parteien befassen, sondern dieses Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Da gehört es auch hin, denn ohne diese Mitte der Gesellschaft wird es uns nicht gelingen, die öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung zu bringen. Hier endet eben Klientelpolitik, hier endet Realitätsverdrängung, und die rosaroten Brillen, die Sie reihenweise aufhatten, haben schlagartig ihren Modewert verloren.

Die Wählerinnen und Wähler wollen die Wahrheit hören. Sie wollen wissen, wo es langgeht und wie wir mit dieser Schuldenwelle umgehen. Sie wollen nicht mehr belogen werden.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Was machen denn die Grünen in Hamburg?)

Wir sind hier in Stuttgart, Herr Wetzel. Wenn Sie das nicht merken, dann schauen Sie sich einmal um. Reden Sie nicht immer von Hamburg. Hier in Stuttgart sind wir.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ja, genau!)

Haben Sie es irgendwann begriffen? Gut.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Was machen denn die Grünen?)

Die Menschen wollen nicht mehr belogen werden. Sie wollen Wahrheiten hier und heute und nicht erst nach der Landtagswahl hören.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Erziehungsmaß- nahmen!)

Deshalb muss man eine Wahrheit wahrnehmen, die Sie bisher leider immer verdrängt haben, nämlich die Wahrheit, dass auch der Staat nicht mehr Geld ausgeben kann, als er einnimmt.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Richtig! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP/DVP)