Jetzt könnte man sagen: „Das ist ja gut. Das Thema erledigt sich. Jetzt macht es die Privatwirtschaft.“ Aber dieser „Ackermann-Fonds“ hat zwei Probleme.
Das erste Problem: Er wird unter Profitgesichtspunkten gemanagt. Das heißt, dieser Fonds soll eine erhebliche Rendite abwerfen. Das wird dazu führen, wie übrigens auch bei dem Eigenkapitalfonds der Förderbank des Landes, der L-EA, dass man sehr ausgesucht vorgeht und nur den Besten der Besten dieses Geld gibt.
Das zweite Problem: Der Fonds ist mit 300 Millionen € dotiert. Wenn man da für Baden-Württemberg anteilsmäßig 10 % zugrunde legt, dann sind dies 30 Millionen € für Baden-Würt
temberg. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir haben gesagt: Wir brauchen 1 Milliarde €, und zwar für BadenWürttemberg allein. Deshalb hat sich das Thema mit diesem Fonds nicht erledigt. Es unterstreicht die Notwendigkeit, aber wir müssen schon selbst handeln und ein Baden-WürttembergProgramm auf den Weg bringen.
Ein Zweites will ich ansprechen, meine Damen und Herren. Mit der Wirtschaftskrise hat auch in Baden-Württemberg in großem Umfang der Niedriglohn Einzug gehalten; es gibt unanständige, sittenwidrige Niedriglöhne.
Unterhalb des Pragsattels hat eine neue Waschanlage aufgemacht. Sie bietet die Autowäsche zu gleichen Preisen an wie die üblichen Autowaschanlagen, die automatisch laufen, wo sich die Walzen bewegen und das Auto darin steht. Dort bewegen sich aber keine Walzen, sondern dort bewegen Menschen Lappen und wischen, zwei vorn, zwei hinten. Man fragt sich: Wie kann ein Unternehmen menschliche Arbeitskraft anbieten, die gegenüber vollautomatischen Maschinen wettbewerbsfähig ist? Die Antwort ist einfach: Diejenigen, die dort arbeiten, haben laut ihrem Arbeitsvertrag einen Lohn von 4 € pro Stunde. Zum Dank dafür behält sich die Geschäftsleitung vor: Wenn es einmal keine Warteschlange gibt, dürfen sie nach Hause gehen.
Nun kann sich jeder ausrechnen, was bei 4 € pro Stunde passiert. Selbst wenn sie fünf Tage in der Woche zehn Stunden täglich arbeiteten, ergäben sich pro Monat nur ungefähr 800 €. Davon kann man nicht leben. Dafür, dass ein solcher Niedriglohn möglich ist, zahlen alle Bürgerinnen und Bürger. Den Differenzbetrag zwischen den Lebenshaltungskosten der Familien und dem Lohn, den die dort Beschäftigten verdienen, bezahlen die Bürgerinnen und Bürger. Alle bezahlen durch zusätzliche – –
Aus diesen Löhnen entstehen auch niedrigere Einnahmen für die Krankenkassen. Eine angemessene Rente lässt sich aus diesen Löhnen ebenfalls nicht finanzieren. Das heißt, alle zahlen für diese unanständig niedrigen Löhne mit.
Deshalb fordern wir Sie auf: Geben Sie endlich Ihren Widerstand gegen einen verbindlichen Mindestlohn auf, damit solche Schweinereien in Baden-Württemberg nicht länger passieren können.
Sie sind nicht nur nicht bereit, dem einen Riegel vorzuschieben, Sie unterstützen es auch noch, dass Dumpinglöhne bezahlt werden können.
Warum in aller Welt muss der Wirtschaftsminister dieses Landes immer darauf drängen, dass Aufträge aus dem Land
Baden-Württemberg an Generalunternehmer gehen, an Generalunternehmer, die dann Subunternehmer und Subsubunternehmer von weither holen, die wiederum Niedrig- und Niedrigstlöhne zahlen, während das Handwerk in Baden-Würt temberg regelmäßig keine Chance hat, und wenn, dann zu unauskömmlichen Preisen?
Wir wollen, dass von öffentlichen Aufträgen diejenigen Unternehmen profitieren, die Tariflöhne bezahlen, die anständige Arbeitsverhältnisse bieten, und nicht diejenigen, die Lohndumping betreiben und unsere Betriebe damit an die Wand konkurrieren.
Sie haben 2,5 Millionen € aus dem Haushalt für eine Propagandakampagne eingesetzt, die den Menschen einreden soll:
Unser Bildungsangebot ist komplett in Ordnung, man muss es nur richtig verstehen. Ich habe einmal einen kleinen Auszug aus Briefen von Eltern und Schulleitern mitgebracht,
die sich darin beschweren, dass es für Lehrkräfte, die länger ausfallen, keinen Ersatz gibt. Da schreibt z. B. der Vorsitzende des Elternbeirats des Ernst-Sigle-Gymnasiums in Kornwest heim, dass man dort jetzt mit großem Erstaunen und Entsetzen gehört habe, dass für eine Lehrkraft, die wegen Schwangerschaft oder wegen Krankheit ausfällt, kein Ersatz zur Verfügung gestellt wird. In dem betreffenden Brief heißt es, dass davon drei Hauptfächer und ein Nebenfach betroffen seien, und das zuständige Regierungspräsidium stelle keinen Ersatz zur Verfügung.
(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: Das ist überall so, im ganzen Land! – Abg. Klaus Herr- mann CDU: Ist das wieder eine solche Falschmel- dung wie in der letzten Woche?)
Beim Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart hat ein Lehrer den Schuldienst nicht angetreten. Ein weiterer Lehrer wurde in den Vorruhestand versetzt, ein anderer Lehrer ist langfristig erkrankt. Dafür ist kein Ersatz bestellt.
(Abg. Reinhold Gall SPD zur CDU: Fragen Sie ein- mal Ihren Kollegen Dr. Lasotta! – Zuruf des Abg. In- go Rust SPD)
Der folgende Brief kam unaufgefordert, nämlich über meine Tochter, zu mir nach Hause: Der Rektor des Helene-LangeGymnasiums in Markgröningen schreibt:
Liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler! Zwei Lehrer sind bedauerlicherweise längerfristig erkrankt. Beide zusammen halten insgesamt 43 Wochenstunden reinen Unterricht. Jetzt kommt noch eine Lehrerin hinzu, die in den Mutterschutz geht. Unsere Ressourcen sind nahezu erschöpft.
Unterstützung durch externe Kräfte als Krankheitsvertretungslehrer wird es nicht geben, da weder genügend Geldmittel seitens des Kultusministeriums noch entsprechende Personen zur Verfügung stehen.
Es geht gerade so weiter. An den Berufsschulen fehlen Englischlehrer. Der Sohn von Herrn Gall hatte seit Oktober keine Stunde Englischunterricht.
Die Schule hat kein Geld für Vertretungslehrer. So sieht es aus. Sie hingegen machen einen Propagandafeldzug.
Der Gipfel dieser Geschichte ist, dass Sie die Schulen, bei denen die Situation ohnehin angespannt ist, auch noch zwingen, diese Geschichten vorzubereiten, mit zu begleiten und Lehrerressourcen für diese Propagandaschlacht zur Verfügung zu stellen. Solange solche Zustände bestehen, ist es unanständig, Geld für Propaganda statt für Lehrer zu verwenden.
Deshalb hat Frau Staab völlig recht. Man kann Frau Staab nicht unterstellen, dass sie der CDU etwas Schlechtes will; sie gehört ja der CDU an.
Aber sie verzweifelt daran. Sie sagt: „Es fehlt völlig der Wille, zu erkennen, dass in diesem Schulsystem so vieles schiefläuft.“
Sie haben Scheuklappen. Sie nehmen nur wahr, was Sie wahrnehmen wollen. Sie haben eine Pressekonferenz gemacht und gesagt: „Ich nehme Herrn Rau in Schutz. Es ist alles prima und bestens, wir sind spitze.“ Wobei sind wir denn spitze? Da heißt es: „Südwest-Schüler liegen bei Nachhilfe vorn.“ Herr Ministerpräsident, ist es ein Zeichen von Exzellenz, wenn wir bei der Nachhilfe vorn liegen, oder gibt es eine Schwäche im System? Ist es nicht so, dass man etwas tun muss, dass man nicht die Augen verschließen darf, sondern sagen muss: Da läuft etwas schief?
Das nehmen Ihnen nicht einmal mehr Ihre eigenen Leute ab. Herr Oettinger, Sie kommen aus Ditzingen. Der Gemeinderat der Stadt Ditzingen berät, wie man auf das Thema Werkrealschule reagiert. Hierzu gibt es einen Antrag der CDU, der
sinngemäß lautet: Lasst das zwei Jahre lang liegen. Lasst das erst einmal liegen. Macht erst einmal keine Werkrealschule.