Protocol of the Session on January 19, 2010

Ich will jetzt keine Stuttgart-21-Debatte anfangen.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Er hat ja gar nicht ange- fangen! Wenn man mit der Unwahrheit kommt, muss man das auch ertragen!)

Hier geht es um klare Ansagen für ein Prestigeprojekt, das Sie wollen, das wir aber nicht finanzieren können, das uns weiter ein unglaubliches finanzielles Risiko aufbürdet. Wenn die Aussagen des renommierten Instituts Vieregg-Rößler stimmen, dann wird es noch viel schlimmer, als es schon jetzt nach dem, was bisher beschlossen wurde, wird. Deshalb fordere ich Sie auf, angesichts unserer Finanzlage noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken, ob Sie diesen Weg weiter beschreiten wollen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Du musst einmal nach- denken!)

Konsequenz 2: Ich denke, in einer solchen Situation ist es richtig, dass wir sagen: Bei den Tarifabschlüssen der Zukunft sind Sockelbeträge angesagt. Das ist in einer solchen Situation das Richtige, um sozusagen eine soziale Symmetrie zu gewährleisten. Das kann ich jedenfalls nur empfehlen. Wir sollten uns dabei an der Inflationsrate orientieren; sonst können wir unseren Haushalt und die Gehälter und Pensionen unserer Beamten und Angestellten – wir wollen gut motivierte Beamte und Angestellte – in Zukunft nicht mehr sichern.

(Beifall bei den Grünen)

Konsequenz 3: Pensionslasten abbauen, den Vorsorgepfad stärken. Schon 2007 haben wir dazu die Initiative eingebracht, die Beihilfe für Pensionäre auf 50 % abzusenken und damit an die Regelung der Rentenversicherung anzupassen, nach der der Rentenversicherungsträger 50 % der Krankenversicherung übernimmt. Das bringt zusammen mit dem Wegfall der Sonderzahlung für Pensionäre immerhin einen steigenden Einsparpfad von 150 Millionen € pro Jahr. Das sind ja wohl richtige „Maxibriefe“, Herr Finanzminister. Sie müssen Ihren Briefkasten einmal öffnen.

(Beifall bei den Grünen)

Konsequenz 4: Jetzt hat Herr Finanzminister Stächele beim Frühstück gelesen, dass nach einem Bericht des Statistischen Landesamts die Schülerzahlen bis zum Jahr 2030 um 25 % zurückgehen. Ohne auch nur irgendwie nachzudenken oder sich mit irgendjemandem abzusprechen, schlägt er gleich vor, in diesem Umfang Lehrerstellen zu streichen. Das sind ganz fatale Reaktionen. Bildung ist das wichtigste nachhaltige Konjunkturprogramm, das der Landeshaushalt überhaupt erbringt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen investieren wir ja! Jawohl! Deswe- gen investieren wir ja, Herr Kretschmann! So ist es!)

Wer eine solche Botschaft aussendet, jetzt nichts zu tun, und dann den Rollladen an einer Stelle herunterlässt, bei der man weiß, dass wir mehr Lehrer zur Qualitätsverbesserung brauchen, der macht keine seriöse Finanzpolitik,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wer tut denn das?)

weil er nicht weiß, was Aufgabe dieses Landes ist, nämlich in Bildung und in ihre Infrastruktur zu investieren.

(Beifall bei den Grünen)

Deswegen sagen wir: Wir brauchen aus dem, was aus dem demografisch bedingten Schülerrückgang frei wird, 10 000 Lehrer, um die Qualität zu verbessern – allerdings nicht in den alten Strukturen, sondern in zukunftsfähigen Strukturen. Dann haben wir noch immer ein Ergebnis, bei dem wir die andere Hälfte einsparen können, nämlich 10 000 Lehrer. Das ist eine Größenordnung von 300 Millionen € pro Jahr. So sendet man Botschaften aus, die eine Perspektive aufzeigen und trotzdem etwas mit Haushaltskonsolidierung zu tun haben, und nicht durch Panikreaktionen, wie Sie sie fälschlicherweise an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei den Grünen)

Konsequenz 5: Vorschläge des Rechnungshofs konsequent umsetzen. Ich nenne als Beispiel den Bereich der EDV. Einsparungen über 50 Millionen € pro Jahr scheitern an Ressort interessen. In der Schlussbemerkung des Rechnungshofs in seiner Beratenden Äußerung zur Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik in der Landesverwaltung aus dem Jahr 2009 ist zu lesen, dass solche Einsparungen möglich sind. Wenn Sie sich einmal richtig über staatsbürokratische Strukturen ärgern wollen, Herr Kollege Rülke,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann höre ich Ihnen zu! – Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

dann empfehle ich Ihnen, diesen Bericht zu lesen und auch den Empfehlungen zuzustimmen und die Konsequenzen daraus zu ziehen und das nicht, wie Sie es immer machen, zu verwässern.

(Beifall bei den Grünen)

Ich fasse zusammen: Mit diesen Konsequenzen, die ich jetzt aufgezeigt habe, erreichen wir mittelfristig bis 2020 eine strukturelle Einsparung von etwa 1 Milliarde €. Das ist machbar, wenn man wirklich will, das heißt, wenn man jetzt entscheiden will. Die Entscheidungsvorlagen liegen heute noch einmal in Ihrem Briefkasten, Herr Finanzminister.

Grundlegende Voraussetzung für einen erfolgreichen Konsolidierungspfad ist allerdings, dass keine Steuergeschenke auf Pump erfolgen. Sie bringen nachweislich nichts.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Überall, wo dies probiert worden ist, hat es nichts genutzt.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist nichts anderes als ein Schuldenwachstumsbeschleunigungsgesetz. Sie können sich, Herr Mappus, noch so rabulistisch in Erklärungen verrenken,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Der ist hinausge- gangen! Den interessiert das alles nicht!)

dies sei kein Steuergeschenk, da die Steuern von denen kämen, die man beschenkt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es auch!)

Ich glaube, das ist einfach nur Blödsinn.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül- ke FDP/DVP: Das ist Tatsache! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist aber eine erstaunliche Denkwei- se!)

Die Steuern, die die Menschen zahlen, dienen dazu, unsere sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das mag ja sein, aber sie kommen trotzdem vom Bürger!)

und notwendige Investitionen des Staates zu tätigen. Dies wird in vielen Bereichen wichtiger und herausfordernder. Da sind wir uns mit dem Ministerpräsidenten –

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Noch!)

jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem der amtierende Ministerpräsident den Ministerpräsidentenstuhl verlässt – einig: Das geht nicht. Ich muss Ihnen sagen: So, wie Sie das machen, muss man allmählich befürchten, dass das ein rein ideologisches Projekt ist

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wie die Grü- nen!)

und dass Sie den Staat ernsthaft schwächen wollen. Um diesen Verdacht kommt man überhaupt nicht mehr herum, weil das, wenn es so weitergeht, an die Kernaufgaben des Staates geht. Das ist eine nicht verantwortbare Politik.

(Zuruf des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Wir können den Kollegen Mappus nur auffordern: Raus aus diesem Geisterschiff der FDP!

(Beifall bei den Grünen)

Wir werden bei den Haushaltsberatungen ein Antragspaket einbringen, das Schwerpunkte setzt. Dabei geht es um die Themen Klimaschutz, Schulen und Berufsschulen, Hochschulen, Kinderbetreuung sowie Sprachförderung im neu entwickelten Kindergarten mit dem Orientierungsplan. Es geht also um eine neue Wirtschaftspolitik, um Umwelt- und Naturschutz als Grundlagen für eine neue, grüne Wirtschaft, mit der wir das tun, was für den Klimaschutz notwendig ist, mit der wir aber auch das Notwendige tun, um unsere Unternehmen für die Märkte der Welt zukunftsfähig zu machen.

Zum Schluss sage ich Ihnen, was die Leitlinie sein muss. Die Leitlinie muss in solchen Zeiten heißen: Altes geht, Neues kommt. Deswegen schichten wir vom Landeserziehungsgeld in die Kinderbetreuung um. Genau das ist der Weg: Altes geht, Neues kommt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Herzlos“, haben wir gehört! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Nein, wir schaffen es an dieser Stelle eben nicht ab, Herr Rülke – es abzuschaffen wäre in der Tat herzlos –,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das habe ich auch nicht vorgeschlagen!)

sondern wir schichten es in neue, moderne Bereiche um. Das ist das Entscheidende. Das ist unsere große Leitlinie.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Altes geht, Neues kommt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was ist daran mo- dern?)

Wer glaubt, er könne beides machen, führt uns in die Handlungsunfähigkeit und in die Schuldenfalle.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)