Die andere Möglichkeit ist, die Schuldenbremse wieder zu schleifen. Dann hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln jedoch tatsächlich den programmierten Staatsbankrott, und die Haushalte werden uns handlungsunfähig machen. Das ist die eigentliche Gefahr.
Darum, meine Damen und Herren, müssen wir bei diesem Haushalt damit beginnen, die Ausfahrt aus der Schuldenspirale zu nehmen, und zwar heute und nicht erst nach der nächs ten Landtagswahl, im Jahr 2012 oder 2013. Jetzt müssen wir Konsolidierungspfade beschließen, wenn wir den Staat nicht in die Handlungsunfähigkeit führen wollen.
Das ist die neue Dimension, Herr Kollege Mappus. Es geht eben nicht darum, die beiden Haushaltsjahre irgendwie zu überstehen; das war ja offensichtlich Ihre Botschaft. Es geht nicht darum, irgendwie über die Landtagswahl zu kommen, und es kann auch nicht darum gehen, Wahlversprechen zur Steuersenkung einzulösen, die im Widerspruch zu jeder Realität stehen. Vielmehr geht es darum, den Staat und die öffentlichen Aufgaben – Bildung, Sicherheit, Umwelt, Kinderbetreuung, Gesundheit – in diesem Land in den nächsten zehn Jahren nicht in die Schuldenfalle fahren zu lassen.
Auf Landesebene werden mehr Mittel für Kinderkrippen, kürzere Schließzeiten und Ganztagsbetreuung nötig. Alles sinnvolle Aufgaben, die mehr kosten. Gleichzeitig ist nur die Hälfte der neuen Schulden der Krise zuzuschreiben, die andere Hälfte aber strukturell bedingt. Von daher bedarf es einer mutigen Bereitschaft, Streichungen und Kürzungen vorzunehmen, um den Aufgabenzuwachs und die strukturelle Unterdeckung zu bewältigen, die Schuldenbremse und stabile Währung einzuhalten und danach 15 bis 20 Milliarden € für eine Steuerreform zu erwirtschaften.
Ich erwarte tatsächlich von jedem, der Steuern senken will, die Antwort auf die Frage, wie er das schaffen will. Dem Bürger helfen Steuersenkungen nichts, wenn die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung oder die Gebühren für Abwasser, Abfall und Wohnen steigen.
Die Ansage ist klar. Ich möchte auch noch den Ministerpräsidenten Wulff zitieren, der dies schön zusammengefasst hat:
Er meinte dazu: Wer will schon Weihnachtsgeschenke, für die er Ostern die Rechnung präsentiert bekommt?
Der Blickpunkt ist das Jahr 2020, und das Motto heißt: Sicherung der Nachhaltigkeit der Landesfinanzen. Was die Landesregierung dazu bisher vorgelegt hat, ist ohne Perspektive und weicht den Problemen aus. Man wartet nur ab. Das Wenige, was gemacht wird, ist unzureichend. Das alles eröffnet keine Perspektiven. Die Landesregierung will offensichtlich nur eines: Sie will alles bis nach der nächsten Landtagswahl verschieben.
Das ist das „Konjunkturprogramm“, das diesem Haushalt zugrunde liegt. Es hat nur die Konjunktur der eigenen Wahlaussichten im Blick.
Herr Stächele, Sie haben bisher immer gesagt: „Wir fahren auf Sicht.“ Dann machen Sie doch einmal die Augen auf!
Machen Sie die Augen auf, und schauen Sie, wo es hingeht. Wie aber verhalten Sie sich? Sie verhalten sich wie ein Kommentator am Frühstückstisch. Irgendwann fällt Ihnen, wenn Sie eine Statistik lesen, ein, dass man wohl etwas machen muss. Dann wird irgendeine Drohkulisse aufgebaut, wonach man jetzt zwar nichts tut, es danach aber ganz schlimm wird. Dazu machen Sie noch Vorschläge, bei denen Sie von der eigenen Fraktion sofort zurückgepfiffen werden.
Was für ein Regierungsstil ist das eigentlich? So etwas erlaube ich mir nicht einmal als Vorsitzender einer Oppositionsfraktion. Ich verkünde nicht irgendwelche Dinge, hinter denen meine Fraktion nicht steht. Und so etwas machen Sie in der Regierung. Was für ein Regierungsstil ist denn das?
Das, was Sie machen, schafft kein Vertrauen in Ihre Kompetenz und in Ihr Durchsetzungsvermögen. Vertrauen ist aber die wichtigste Ressource, denn wir müssen der Bürgerschaft einiges zumuten, um diesen Haushalt zu konsolidieren. Das, was Sie machen – jetzt nichts zu tun, aber für hinterher dann eine riesige Drohkulisse aufzubauen –, kann nur schädlich sein; es kann das Vertrauen in der Bevölkerung nur schwächen.
Wir dürfen den Leuten keine Angst machen. Dafür gäbe es bei zupackendem Handeln natürlich auch gar keinen Grund. Wir müssen ihnen reinen Wein einschenken und ihnen Perspektiven eröffnen. Das ist unsere Aufgabe in der Politik.
Das ist schon eine merkwürdige Auffassung über das, was der Sinn von Haushaltsberatungen ist. Denn da bringt man doch wohl die Vorschläge ein. Aber auch vor den Haushaltsberatungen haben Sie keine Sparvorschläge gemacht. Sie machten weder vor den Haushaltsberatungen noch machen Sie jetzt Vorschläge; stattdessen verkaufen Sie das Schuldenmachen als ein geniales Konjunkturprogramm.
Das ist offensichtlich Ihre Haltung. Nach der Krise wollen Sie dann – das haben Sie vorhin wörtlich gesagt – „auf das Brems pedal treten“. Dann wollen Sie also die Konjunktur abwürgen – oder was sonst ist damit gemeint? Das alles ist doch Blech! Das alles, was Sie da machen, ist doch einfach Blech.
(Abg. Stefan Mappus CDU: Herr Kretschmann, das ist jetzt aber deutlich unter Ihrem Niveau, was Sie jetzt sagen!)
Wir stehen in der Tat vor einer beispiellosen Situation. Das Bruttoinlandsprodukt ist in Baden-Württemberg im Jahr 2009 um 8 % gesunken. Die Körperschaftsteuereinnahmen gingen um die Hälfte zurück. Die Steuereinnahmen insgesamt sanken um 12 %. Es baut sich eine immense Bugwelle von Schulden auf.
Dafür haben Sie jetzt aber einfach nur den Begriff „Konjunkturhaushalt“ erfunden. Das heißt, die Einnahmen sinken, aber wir tun einfach nichts bei der Ausgabenstruktur. Das ist die Konjunktur des Aussitzens und des Nichtstuns und nichts anderes.
In der Haushaltsstrukturkommission, Herr Rülke, über die sich Ihre Vorsitzende, Frau Homburger, auf dem Dreikönigstreffen lustig gemacht hat, sitzen Sie selbst drin. Das haben Sie wahrscheinlich noch gar nicht gemerkt.
Der Begriff „Konjunkturhaushalt“ ist, insbesondere wenn wir die finanzielle Situation der Kommunen anschauen, ohnehin völlig danebengegriffen. Hier kürzt die Landesregierung erneut um 405 Millionen € – also auf der Ebene, die bekanntlich den höchsten Investitionsanteil hat; er liegt höher als bei Bund und Land. Das ist das Gegenteil von einem Konjunkturhaushalt. Das ist eine Konjunkturbremse dort, wo sie am direktesten wirkt. Die Wirkungen der Konjunkturprogramme auf der kommunalen Ebene werden so sofort wieder neutralisiert. Also hören Sie auf, von einem Konjunkturhaushalt zu sprechen, Herr Stächele. Dies entspricht nicht den Tatsachen.
Die Ausfälle aus den Steuersenkungen tun dann ein Übriges und führen schon 2010 bei den Kommunen zu Mindereinnah
men von fast 700 Millionen €, davon 218 Millionen € aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Kein Wunder, dass an der Gebührenschraube gedreht werden muss. Kein Wunder, dass es für die meisten Bürgerinnen und Bürger, für Familien mit Kindern, für Alte, für diejenigen mit niedrigen Einkommen, die von Steuersenkungen real gar nichts haben, ein Minus wird, wenn die kommunalen Leistungen deutlich teurer werden.
Das zentrale Thema heißt: mittelfristige Konsolidierung bis 2020. Wir kreiden dem Finanzminister nicht an, dass er das jetzt in ein, zwei Haushalten nicht in Ordnung bekommt – das kann niemand hinbekommen –, sondern wir rügen Ihr völliges Versagen bei der mittelfristigen Konsolidierung. Sie bringen einen Haushalt ein, bei dem die mittelfristige Finanzplanung noch nicht einmal dabei ist, und das, nachdem Sie ohnehin zum wiederholten Mal gegen die Landeshaushaltsordnung den Haushalt in letzter Minute eingebracht haben und wir nicht genügend Beratungszeit hatten. Aber wenn man natürlich bei der Haushaltskonsolidierung – so wie Sie – nicht ambitioniert ist, dann ist es auch völlig wurscht. Das ist offensichtlich die Haltung, die Sie zu den Haushaltsberatungen und zum Königsrecht des Parlaments haben.
Wir erwarten von der jetzigen und von der neuen Regierung einen mit Maßnahmen unterlegten Konsolidierungspfad bis 2020 zur Einhaltung der Schuldenbremse. Ich erinnere daran – auch das betonen Sie ja in Ihrem Interview, Herr Ministerpräsident Oettinger; das sei auch Ihnen noch einmal ins Stammbuch geschrieben, Herr Kollege Mappus –: 2 Milliarden € Zinsen pro Jahr hatten wir schon vor der Finanzmarktkrise, und nur der reiche Steuersegen durch die Mehrwertsteuererhöhung konnte das eine Zeit lang ausgleichen. Jetzt ist es damit natürlich wieder vorbei, und wir werden – auch das ist klar – diese Sterntalereffekte nicht mehr erreichen.
Ich sage noch einmal: Herr Mappus, Sie haben Ideen angemahnt. Wissen Sie, dass wir in den letzten Haushaltsberatungen einen Entschließungsantrag mit einer ganzen Reihe von strukturellen Maßnahmen, um den Haushalt langfristig nachhaltig zu sichern, eingebracht haben? Davon haben Sie natürlich wie üblich überhaupt keine Kenntnis genommen.