Protocol of the Session on December 10, 2009

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jetzt müssten wir ei- gentlich hinausgehen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es gut, wenn wir im Landesparlament über Steuerpolitik diskutieren, im demokratisch guten Sinn streiten. Ich habe auch kein Problem damit, Herr Schmiedel, wenn Sie die Beschlüsse von Schwarz-Gelb in Berlin massiv angreifen. Ich habe nur ein Problem damit,

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

wenn Sie die Beschlüsse mit Argumenten kritisieren, die all das beiseitewischen, was Sie selbst in den letzten Jahren immer vertreten haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Beleuchten wir einmal die letzten elf Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, um einfach einmal aufzuzeigen, was bisher Ihre Linie war. Alles, was ich jetzt schildere, erfolgte in den meisten Fällen mit Zustimmung der CDU im Bundesrat. Sonst hätten Sie es bekanntermaßen auch nicht durchbekommen.

Der Finanzminister hat es gerade geschildert: Am Ende der Regierung Kohl lag der Spitzensteuersatz bei 52 %; am Ende der Regierung von Gerhard Schröder lag er knapp zehn Prozentpunkte tiefer. Nach Ihrer Philosophie hätte das doch nie passieren dürfen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Doch! Der war doch viel zu hoch! Die FDP hat ihn doch in die Höhe ge- trieben!)

weil Sie heute die ganze Zeit argumentiert haben, es würden immer die Besserverdienenden bevorteilt, Schwarz-Gelb sorge nur dafür, dass die Armen immer weniger haben und die Gutverdienenden immer mehr. Sie, Rot-Grün, haben mit Zustimmung der CDU – ich halte das auch noch heute für richtig – das Steuerniveau abgesenkt. Aber nachdem es in der gesamten Regierungszeit von Rot-Grün nie eine schuldenfreie Zeit gab, haben Sie das immer auf Pump gemacht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Immer weniger Netto- neuverschuldung! Jedes Jahr!)

Sie haben immer das gemacht, was Sie uns jetzt vorwerfen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt beleuchten wir einmal Schwarz-Rot. Vielleicht fällt Ihnen das ein bisschen leichter, zumal es auch nicht allzu weit weg liegt. Was wird denn den Bürger am stärksten entlasten, und vor allem, was wird für den Staat am teuersten? 10 Milliarden € kostet allein die Anrechenbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen bei den Steuern. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, unter Schwarz-Rot beschlossen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das Gericht hat es be- schlossen!)

So weit, so gut.

Jetzt kommt aber der zweite Punkt. Da muss ich sagen: Ihre demenzähnliche Vergessenheitskampagne, die Sie da fahren, ist schon relativ bemerkenswert. Anfang dieses Jahres haben CDU und SPD gemeinsam den Einstieg in die Abschaffung der kalten Progression gemacht. Das war nicht Schwarz-Gelb; das waren Sie, und das waren wir. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass das mehr denn je richtig war, weil diejenigen in diesem Land, die wenig haben, entlastet werden müssen, meine Damen und Herren. Untere und mittlere Einkommen müssen steuerlich entlastet werden. Das war der Sinn der Abschaffung der kalten Progression.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das haben Sie mit uns gemeinsam beschlossen. Das kostet allein im nächsten Jahr 6 Milliarden €.

Übrigens waren wir uns in der Großen Koalition immer einig, dass wir das fortsetzen wollen. Das macht ja auch Sinn.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Nur einen Teil der kalten Progression abzuschaffen ist nicht so wahnsinnig sinnvoll. Wir waren uns immer einig, dass die nächste Stufe auch kommt – mit Ihrer Zustimmung. Übrigens war auch das in der Großen Koalition schuldenfinanziert. Sie hatten nie ein Problem damit.

Ich kann nur sagen: Ich stehe zu dem, was vor einem halben Jahr beschlossen wurde, zumal wir auch vor einem halben Jahr wussten, wie die Finanzsituation aussieht, und zumal das, was vor einem halben Jahr richtig war, jetzt doch nicht einfach falsch sein kann, nur weil Sie in Berlin aus der Regierung geflogen sind. Das gibt es doch gar nicht. Wir führen diesen Kurs weiter. Nur finde ich erstaunlich, dass Sie jetzt all das kritisieren, was Sie vor Kurzem noch selbst mitbeschlossen haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich will Ihrem Gedächtnis noch ein bisschen weiterhelfen. Sie haben vorhin gesagt, da würden jetzt Steuergeschenke gemacht, aber z. B. für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern werde nichts gemacht. Ich kann nur sagen: Auch in der Gro ßen Koalition – auch das scheinen Sie vergessen zu haben – haben wir mit Wirkung zum 1. Juli dieses Jahres, von Ihnen noch mitbeschlossen, die Sätze für Hartz IV in genau diesem Bereich erhöht. Ein Vierteljahr später stellen Sie sich hierher, haben offensichtlich schon vergessen, was Sie selbst mitbeschlossen haben, und sagen: Ihr macht da nichts.

Ich kann nur sagen:

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Gehen Sie einmal hinaus. Fragen Sie einmal denjenigen, der wenig verdient, ob er es gut oder schlecht findet, wenn die kalte Progression abgeschafft wird.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da wird noch gar nichts abgeschafft! Das ist ja lächerlich!)

Fragen Sie einmal den Handwerker, ob er es gut oder schlecht findet, wenn die Zinsschranke verändert wird, damit er mehr in seinen Betrieb investieren kann. Fragen Sie einmal den kleinen Mittelständler, ob er es gut oder schlecht findet, dass er, wenn er in Zukunft den Betrieb an seinen Sohn oder an seine Tochter oder an wen auch immer weitergibt, nicht zunächst einmal einen Haufen Steuern zahlen muss, was das Unternehmen gefährdet, sondern dass er den Betrieb in Zukunft sorgenfrei übergeben kann. Ich will einmal sehen, ob derjenige, den Sie draußen fragen, das gut findet oder ob er das schlecht findet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt kommt der eigentliche Knaller – vor allem bei der SPD, aber die Grünen sind auch nicht besser.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Zunächst kritisieren Sie, dass wir all das, was wir jetzt „Schlimmes“ machen, über Schulden finanzieren. Aber zwei Minuten später machen Sie Vorschläge für Ausgaben über ein paar Hundert Millionen Euro für das Land Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Abg. Claus Schmie- del SPD: Schulden sind Mappus-Schulden!)

Gern, sagen Sie das überall – ich finde das klasse –, damit die Leute wissen, dass das, was wir machen, auch von uns kommt. Kein Problem, Herr Schmiedel. Ich mache ohnehin gleich noch einen Vorschlag, wie Sie Ihre Popularität,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Noch mehr steigern!)

die offensichtlich auch in der SPD noch ein bisschen steigerungsfähig ist – das kann ich feststellen, wenn ich die Ergebnisse der einen oder anderen Mitgliederbefragung anschaue –, noch ein bisschen steigern können. Kein Problem. Da bin ich immer dabei.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das sagt der Richtige! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Steuerbeschlüsse, die wir jetzt fassen, kosten das Land Baden-Württemberg pro Jahr anteilsmäßig weniger als 200 Millionen €. Aber das, was Sie in den letzten Tagen vorgeschlagen haben, kostet mehr als eine halbe Milliarde Euro, meine Damen und Herren. Was ist denn daran redlich?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP zur SPD: So ist es! Schulden- treiber! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Schuldentrei- ber Schmiedel!)

Wer in der schwierigen Situation, in der sich diese Republik befindet, allen Ernstes bestreitet, dass Wachstumsimpulse, was das Land Baden-Württemberg angeht, sinnvoll und notwendig sind, dem kann ich wirklich nicht mehr helfen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Ich mache Ihnen deshalb folgenden Vorschlag, lieber Herr Schmiedel, was das Thema DEHOGA und anderes angeht: Ich sorge dafür, dass Sie nächstes Jahr Hauptredner auf der DEHOGA-Tagung werden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Ich sorge dafür; ich traue mir das zu. Ich sage Ihnen: Da sitze ich in der ersten Reihe – egal, wann es ist –, und danach diskutieren wir bei dem DEHOGA einmal darüber, ob die 285 000 sozialversicherungs- und steuerpflichtigen Mitarbeiter in dieser Branche es gut oder schlecht finden, wenn ihre Betriebe entlastet werden. Die Mitarbeiterzahl in diesem Bereich ist mittlerweile übrigens höher als die Zahl derer, die in der Automobilbranche in Baden-Württemberg tätig sind.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wir nehmen Sie ein- mal mit zu den Wohlfahrtsverbänden!)

Ich will einmal sehen, wer von uns beiden die besseren Argumente hat, um für diese Beschäftigten etwas zu tun, um auch dort Wachstumsimpulse zu setzen und dafür zu sorgen, dass in dem schwierigen Wettbewerb gegenüber der Schweiz und gegenüber Frankreich etwas getan werden kann.

Deshalb kann ich nur sagen: Hören Sie endlich auf mit dieser Fundamentalopposition. Vor allem behaupten Sie wenigstens nicht das Gegenteil von dem, was Sie vor einem Vierteljahr noch vertreten haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rust.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt Schuldeinge- ständnis!)