Protocol of the Session on December 9, 2009

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Finanzminister Stächele das Wort.

Herr Präsident, Herr Kollege Schlachter, meine Damen und Herren! Zur ersten Frage: Mir sind keine Entscheidungen bekannt, bei denen es einen Widerspruch zwischen dem Vorstand und den Gremien gegeben habe. Alle, die wir in den Gremien sitzen, würden peinlichst darauf achten, dass es keinen Widerspruch gibt.

Zur zweiten Frage: Herr Schlachter, Sie haben Verständnis, dass ich aus Respekt vor der dritten Gewalt keine Bewertung eines laufenden Ermittlungsverfahrens vornehmen kann, will oder darf. Wir haben die Medieninformation der Staatsanwaltschaft Stuttgart erhalten. Auch ich habe sie erhalten. Ich füge an – das gilt für uns alle –: In dubio pro reo.

Ich bin dankbar, dass im Hinblick auf Ermittlungsziele und Ermittlungsverfahren vonseiten der Betroffenen jede Offenheit gegeben ist. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass wir als Rechtsaufsicht gehandelt haben, und zwar nach § 18 Abs. 2 des LBBW-Gesetzes, indem wir tatsächlich als Rechtsaufsicht aufgefordert haben, uns Informationen zu den Ermittlungsverfahren und den Vorwürfen, die erhoben werden, zu geben.

Ich gehe davon aus, dass sich die Gremien in der nächsten Woche – die Termine sind bereits benannt – mit diesem Vorgang auseinandersetzen und im Rahmen des gesetzlich Zulässigen auf den aktuellen Informationsstand gebracht werden. Ich füge meine persönliche Meinung und Hoffnung an, dass dies in unser aller Interesse einen zügigen Abschluss finden kann. Ich glaube, man sollte jetzt alles dazu beitragen, dass man nicht noch einen Vertrauensverlust herbeiredet.

Das ist der aktuelle Stand, den ich mitzuteilen habe. Im Übrigen werden wir die weiteren Unterrichtungen zur Kenntnis nehmen. Wer mehr wissen möchte, der muss schon schauen, wie die Öffentlichkeitsfrage von der Staatsanwaltschaft bzw. vom Landeskriminalamt beantwortet wird.

Herr Minister, bleiben Sie bitte am Rednerpult stehen. Die Abgeordneten, die Fragen stellen wollen, können das von ihrem Platz aus tun.

Wer meldet sich zu Wort? – Herr Abg. Gall von der SPD-Fraktion.

Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Die am Montag durchgeführte Durchsuchung der Landesbank stellt auch aus unserer Sicht in der Tat eine schwere Belastung für die Bank und deren Geschäftstätigkeit, aber auch für die anstehende Entscheidung der EU-Ebene dar. Ich erlaube mir die Bemerkung: Auch die Öffentlichkeitsarbeit der Bank selbst lässt Raum für Spekulationen. Herr Kollege Schlachter hat diese Spekulationen gerade „landläufige Meinung“ genannt. Ich füge an: Die eine oder andere Äußerung von Herrn Schlachter trägt aber auch zu dieser „landläufigen Meinung“ bei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut! – Zuruf von der CDU: Er ist doch Banker, er muss es doch wis- sen! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Karl Zimmermann: Der Schlachter ist das!)

Aber in den Medien war auch zu lesen – andere Informationen haben wir nicht –, dass Verträge von Vorständen, insbesondere die des Risikovorstands, nicht verlängert werden sollen.

Meine Frage an die Landesregierung lautet: Ist dies eine direkte Entscheidung im Zusammenhang mit der am Montag durchgeführten Durchsuchung, oder stand diese Entscheidung schon seit Längerem fest?

Bitte, Herr Minister.

Vertragslaufzeiten haben mit Sicherheit nichts mit dem zu tun, was an Ermittlungen seit Montag offenkundig geworden ist. Vertragslaufzeiten stehen; Verträge beginnen, und sie enden. Es ist ein Gebot an die zuständigen Gremien, Entscheidungen über Vertragsverlängerungen bzw. über die Nichtverlängerung von Verträgen zu treffen.

Mehr kann ich dazu nicht sagen, denn die zuständigen Gremien müssen sich mit Verträgen befassen, die in den nächsten Monaten enden werden.

Das, worüber ansonsten noch öffentlich spekuliert wird, ist von mir nicht zu kommentieren. Ich kann nur immer wieder sagen, man möge dafür Sorge tragen, dass der Persönlichkeitsschutz geachtet wird und dass nicht öffentliche Tatbestände auch wirklich nicht öffentlich bleiben.

(Zurufe von der CDU: Sehr gut!)

Herr Kollege Schlachter.

Es ist bekannt geworden, dass der bisherige Risikovorstand dort seinen Job nicht mehr machen soll. Dabei stellt sich die Frage: Haben die Gremien an dieser Entscheidung mitgewirkt?

Entscheidungen über Verträge sind in den letzten Wochen nicht ergangen. Ich kann nur empfehlen, dass Sie denjenigen, der dies geschrieben hat, fragen, wie er zu dieser Information kommt. Es steht mir jedoch wirklich nicht an, dies weiter zu kommentieren; zumindest kann ich nicht sagen, wer dies wann und wo an die frische Luft gesetzt hat.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Eine weitere Frage, Herr Abg. Gall.

Herr Minister, Sie haben gerade zu Recht – zumindest soweit ich dies weiß – darauf hingewiesen, dass dies Verträge sind, deren Laufzeiten irgendwann im kommenden Frühjahr sowieso auslaufen. Dabei handelt es sich allerdings um Personen in durchaus wichtigen Funktionen. Aufgrund meiner Tätigkeit in anderen Gremien weiß ich, dass der Zeitraum für Entscheidungen darüber, ob Verträge verlängert werden oder nicht, nicht nur wenige Monate beträgt, sondern länger ist. Welche Zeiträume für die Entscheidungsfindung darüber, ob solch wichtige Verträge verlängert werden oder nicht, halten Sie denn eigentlich für erforderlich?

Zunächst einmal dürfen Sie davon ausgehen, dass die Frage der Vertragslaufzeiten und die Fragen, wie und innerhalb welcher Zeiträume darüber zu entscheiden ist, mit Sicherheit ganz losgelöst von diesen aktuellen Ermittlungen

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Na ja!)

und damit von dem Zeitpunkt, zu dem wir überhaupt von den Ermittlungen wussten, waren. Ich wusste schon vor den Ermittlungen, welche Verträge zur Entscheidung anstehen. Man hat darüber diskutiert, und ich weiß, dass abschließende Entscheidungen getroffen werden müssen.

Es gibt keine Handreichungen, die für jeden Einzelfall festlegen, zu welchem Zeitpunkt über diese Fragen befunden werden muss. Sie können manche Dinge vielleicht schon recht früh entscheiden, im Lichte von Entwicklungen, die bereits stattgefunden haben, und Sie können andere Dinge erst später entscheiden. Es gibt nirgendwo eine Vorschrift, der zufolge Sie sich vor Abschluss eines Vertrags zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den Wochentag genau festlegen müssten.

Es gibt allerdings in den Verträgen oftmals eine gemeinsame Vereinbarung, wonach man sich frühzeitig äußern solle. Diese Frühzeitigkeit ist dann terminlich festgesetzt. Aber eine solche frühzeitige Äußerung muss nicht erfolgen. Sie kann erfolgen; wenn sie aber nicht erfolgt, kann jeder Vertragspartner entsprechend dem Vertrag handeln. Das ist bei solchen Verträgen üblich.

Im Übrigen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich hier jetzt keine Einzelfälle, die möglicherweise anstehen, mit Namen und Inhalten vortragen kann.

Gibt es weitere Fragen? – Das ist nicht der Fall.

Umfassend beantwortet.

Vielen Dank für die erschöpfende Auskunft.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Vielen Dank für die umfassenden Kommentare!)

Nun eine Frage von Frau Abg. Fohler zu einem anderen Thema. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute ein Thema ansprechen, das schon einmal im Mittelpunkt einer Regierungsbefragung stand und über das wir damals hier im Parlament auch sehr lebhaft diskutiert haben. Diese lebhafte Diskussion hat gezeigt, dass das Thema, wie ich meine, ein sehr wichtiges Thema ist und im Landtag auch einen großen Stellenwert hat.

Es geht um die Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bei der ersten Regierungsbefragung zu diesem Thema hatte Staatssekretär Wacker für das Kultusministerium ausgeführt, dass er keine rechtliche Handhabe sehe, um diese Anerkennung zu verhindern. Auch Minis ter Rau hat dies bis heute immer wieder betont und diese Meinung vertreten.

Jetzt lesen wir in der Presse, dass nicht nur die Kollegin Dr. Arnold von der FDP/DVP, sondern auch Justizminister Dr. Goll in dieser Sache völlig anderer Meinung sind. Ich zitiere:

Wenn wir diesen Verein anerkennen, begeben wir uns auf eine abschüssige Piste.

Weiter sagt er:

Man würde auch das wertvolle Gut der öffentlich-rechtlichen Körperschaft entwerten …

Minister Dr. Goll plädiert nun dafür, sich bei der Bewertung der Zeugen Jehovas nicht nur auf deren Eigendarstellung, sondern auch auf die Berichte der Aussteiger zu verlassen oder auf sie zu hören, denn diese ehemaligen Mitglieder können schildern, was intern in dieser Sekte wirklich passiert.

Herr Minister Goll, ich kann nur sagen: Willkommen im Klub! Das war genau das, was wir bei der ersten Regierungsbefragung zu diesem Thema gefordert haben, nämlich erstens alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um diese Anerkennung zu verhindern, und zweitens die Berichte von Selbsthilfegruppen und Aussteigern endlich ernst zu nehmen und diese Leute überhaupt zu hören.

Ich denke, das ist auch wichtig. Denn wenn wir uns weiter auf den Weg begeben und in ein Verfahren eintreten, müssen wir als Land gut gerüstet und vorbereitet sein und auch die entsprechenden Informationen haben. Dazu brauchen wir die Gespräche mit denjenigen, die aufgrund eigener Erfahrungen die internen Strukturen dieser Sekte bestens kennen.

Ich sage hier ganz deutlich: Dieses Thema eignet sich nicht für ein Tauziehen zweier Minister, nämlich ein Tauziehen zwischen CDU-Minister Rau und FDP/DVP-Minister Dr. Goll.

Deswegen frage ich vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Äußerungen dieser beiden Regierungsmitglieder: Was ist nun wirklich die Haltung der Landesregierung? Will sie, wie Minister Rau es sagt, die Sache möglichst still und leise und ohne Aufsehen zu erregen im Kabinett durchwinken, oder wird sie, wie es Minister Dr. Goll angekündigt hat, alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verhindern?

Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie hier Stellung, sagen Sie uns, was die Haltung der Landesregierung ist, und informieren Sie uns über den Stand des Verfahrens.

(Beifall bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nur einer!)

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Justizminister das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage, ob die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt werden soll, ist natürlich eine sehr komplizierte. Sie beschäftigt in der Tat im Moment auch die Landesregierung.

Dazu muss ich sagen, dass in der Landesregierung noch kein endgültiges Ergebnis gefunden worden ist. Einen Beschluss des Kabinetts gibt es hierzu noch nicht. Somit ist das, was ich jetzt sage, im Grunde genommen eine Momentaufnahme der Diskussion, die eben auch noch innerhalb der Landesregierung wie auch woanders stattfindet. Da haben Sie mich völlig richtig zitiert. Dem habe ich auch gar nichts hinzuzufügen.

Ich bin auch dankbar für die Gelegenheit, eines klarstellen zu können: Natürlich respektiere ich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Verfassungsgerichte. Ich habe nur die Frage gestellt, ob man sich in den bisherigen Genehmigungsverfahren vornehmlich oder ausschließlich auf Angaben der betroffenen Organisationen gestützt hat oder ob auch einmal versucht wurde, Kontakt zu betroffenen Aussteigern aufzunehmen. Das ist der Stand der Dinge nach der letzten Kabinettssitzung. Ich halte es nach wie vor für klar, dass man sich einerseits an rechtliche Bestimmungen zu halten hat, dass man sich aber andererseits auch mit Betroffenen in Verbindung setzen sollte.