Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (INSPIRE) sowie zur Änderung bodenschutzrechtlicher, wasserrechtlicher und abfallrechtlicher Vorschriften – Drucksache 14/5421
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung durch die Regierung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Welche Herausforderungen die heutige Zeit an eine öffentliche Verwaltung stellt, lässt sich bestens am Thema Geodaten verdeutlichen. Geodaten werden auf allen Ebenen in der Verwaltung, in der Wirtschaft, aber auch in der Wissenschaft benötigt. Zweifellos können Bürgerinnen und Bürger von der Transparenz der Informationen und der Daten auch profitieren. Es steht fest: Ohne Geodaten geht zukünftig nichts. Ich glaube, dass diese Geodaten auch für eine Verkehrspolitik – wir hatten dazu heute eine Aktuelle Debatte – und deren Begleitung unverzichtbar sind.
Sie sind eine Voraussetzung für nachhaltiges administratives und politisches Handeln. Stellen Sie sich vor: Bürgermeister – vorhin waren einige hier – haben mit einer aktuellen Hochwassersituation in ihrer Gemeinde zu tun. Sie können die Überschwemmung ganzer Ortsteile nur noch durch rasches und gezieltes Anhäufen von Sandsäcken verhindern. So etwas hatten wir in den letzten Jahren immer wieder. Aber für den Bürgermeister stellt sich dann die Frage: Wo schicke ich den Bauhof hin? Wo soll mit wenig Sand die beste Wirkung erzielt werden? Wie komme ich dann an diese Stellen heran, z. B. an einem Fluss? Gibt es Wege, die befahrbar sind? Dann fällt dem Bürgermeister womöglich noch ein, dass die Karten im Rathaus gar nicht so aktuell sind.
Was brauchen sie dann in einer solchen Situation mehr als tagesaktuelle, verlässliche Geodaten aus verschiedenen Quellen? Dazu sollte es auch möglich sein, diese mit einem Knopfdruck sofort zur Verfügung zu haben. Diese Voraussetzungen schafft die INSPIRE-Initiative der EU mit ihrem fächerübergreifenden interdisziplinären Ansatz.
Wir haben heute einen Gesetzentwurf eingebracht, der in Artikel 1 das Landesgeodatenzugangsgesetz, auch kurz LGeoZG genannt, beinhaltet und in den Artikeln 2 bis 4 die Änderungen von drei Gesetzen betrifft. Das beinhaltet auch Gesetzesänderungen im Umweltbereich.
Mit diesem Landesgeodatenzugangsgesetz soll die erforderliche Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie in Landesrecht erfolgen. Diese Richtlinie ist 2007 von der EU verabschiedet worden und muss jetzt die Grundlage für eine europäische Geodateninfrastruktur bieten. Sie folgt Gott sei Dank aber dem Gedanken der Subsidiarität. Sie stützt sich auf die na tionalen Geodateninfrastrukturen ihrer Mitgliedsstaaten. In Deutschland erfolgt die Umsetzung durch separate Rechtsetzung, zunächst durch den Bund – das ist schon geschehen –, aber durch die föderale Struktur auch auf Länderebene.
Wir setzen die Richtlinie um und beschränken uns – das möchte ich Ihnen versichern – auf den Grundsatz einer 1:1-Umsetzung. Wir machen da keine Sonderübungen. Das Hauptziel des Gesetzes ist es, den Zugang und die Nutzung von Geo
daten für Bürgerinnen und Bürger, für die Verwaltung, für die Wissenschaft und für die Wirtschaft zu vereinfachen. Dafür wird die öffentliche Bereitstellung von Geodaten aus den im Gesetz genannten Geodatenthemen grundsätzlich vorgeschrieben. Davon können Sie ausgehen.
Die Geodaten müssen interoperabel sein. Darunter versteht man im Fall von Geodaten ihre beliebige Kombinierbarkeit, allerdings auf der Basis einheitlicher Standards. Das Gesetz schreibt nicht die Erfassung neuer Geodaten vor. Es gilt also nur, die vorhandene digitale Geodatenstruktur als Grundlage zu nehmen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Adressaten der Richtlinie sind also vorrangig öffentliche Stellen, sofern diese über Geodaten verfügen. Wirtschaftsunternehmen können partizipieren, wenn sie sich dazu bereit erklären, ihre Geodaten nach den Standards von INSPIRE anzubieten. Das Landesgeodatenzugangsgesetz schafft auch den Rahmen für transparente Kostenstrukturen sowie für Lizenzbedingungen.
Mit welchen Maßnahmen sollen all diese Ziele erreicht werden? Das ist die Frage. Um Geodaten interoperabel verfügbar zu machen, definiert die INSPIRE-Richtlinie ganz konkrete Instrumente. Mithilfe von Geodatendiensten soll im Internet nach Geodaten gesucht werden können. Sie sollen dargestellt werden. Es soll für den Bürger die Gelegenheit geben, diese Daten auch herunterzuladen.
Die Suche nach Geodaten und deren einfache Darstellung sind nach den Vorgaben der EU für den Bürger kostenfrei. Für die Nutzung und für die Weiterverwendung von Geodaten können dagegen grundsätzlich Geldleistungen verlangt werden.
So weit zu den wesentlichen Punkten dieses Gesetzes, das wir, weitgehend im Einklang mit dem Umsetzungsgesetz des Bundes und den Regelungen der anderen Bundesländern, heute hier vorlegen.
In der Praxis sind wir schon ein Stück weiter; das möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang auch mitteilen. Mit dem Aufbau der erforderlichen Geodateninfrastruktur in Baden-Würt temberg – kurz GDI-BW genannt – haben wir bereits begonnen. Davon haben Sie sicherlich Kenntnis erhalten. Auch für diesen Prozess wird das Landesgeodatenzugangsgesetz eine wichtige Grundlage sein.
Meine Damen und Herren, warum haben wir eine GDI-BW, also eine Geodateninformation Baden-Württemberg? In der Vergangenheit haben öffentliche Stellen, aber auch viele private Unternehmen und wissenschaftliche Institutionen Geodaten verschiedenster Art mit teilweise sehr hohem personellen und finanziellen Aufwand erheben müssen, weil diese Daten nur in den Informationssystemen der einzelnen Stellen verwaltet worden sind und in erster Linie zur Erfüllung der eigenen Aufgaben genutzt wurden.
Seit einigen Jahren rückt jedoch die fächerübergreifende Nutzung der Geodaten verstärkt in den Mittelpunkt. Durch die Kombination verschiedenster Geodaten und verschiedenster Bezugsquellen können neue Informationen gewonnen werden. Geobezogene Anfragen können dann auch effizienter erledigt werden. Zudem kann das Informations- und Wertschöp
Für die Wirtschaftsunternehmen in unserem Land ist es ein umfassendes Datenangebot der öffentlichen Verwaltung einschließlich des kommunalen Bereichs. Ich glaube, das stößt auf großes Interesse. Dabei kann im Rahmen der Geodateninformation Baden-Württemberg jenseits von verwaltungsinternen Zuständigkeitsfragen recherchiert werden. Neue Marktchancen ergeben sich aber bereits durch die Anpassung der Geodaten an die geforderten Standards. Die Optimierung der Geschäftsprozesse durch den verbesserten Zugang zu Geodaten wird bald dazu führen, dass sich die Kosten für die Bereitsteller von Daten schon aufgrund der höheren Effektivität amortisieren.
Die notwendigen Vorarbeiten für den Aufbau der Geodateninformation Baden-Württemberg sind also schon geleistet. Wir haben darüber auch mit dem Begleitausschuss gesprochen. Das heißt, wir haben die Wirtschaft und die Verbände auf dem ganzen Weg schon eingebunden.
Mit der Fusion der Vermessung und Flurneuordnungsverwaltung – das haben Sie im Januar dieses Jahres mitbekommen – haben wir das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung als schlagkräftige Mittelbehörde errichtet. Das Landesamt ist also Vorreiter im Einsatz von Geodatendiensten und bei der Bereitstellung von Daten. Dort wurde die Koordinierung der bereits erwähnten GDI-BW als Kompetenzzentrum eingerichtet, das für den Service und für die Unterstützung im Land zur Verfügung steht.
Im Vordergrund steht bei diesem Gesetz also die Nutzerorientierung. Dies ist der zentrale Grundsatz der GDI-BW. Bei sämtlichen Maßnahmen zu ihrem Aufbau und Betrieb stehen die Bedürfnisse und Vorstellungen der öffentlichen und privaten Geodatennutzer im Mittelpunkt. Dabei, sehr geehrte Damen und Herren, beachten wir ganz besonders auch die Interessen der einzelnen Geodatenanbieter.
Die umfassende Geodateninfrastruktur in Baden-Württemberg beseitigt also künftig die Hürden, die einem offenen und freien Datenzugang im Weg stehen können. Dies alles fügt sich in die Bestrebungen zur Schaffung von E-GovernmentStrukturen, die innerhalb der Verwaltung im Gange sind, ein.
Sehr geehrte Damen und Herren, gegen Ende des Jahres 2009, in dem das Thema Datenschutz bundesweit vielfach Schlagzeilen verursacht hat, ist mir ein klarstellendes Wort an dieser Stelle ganz besonders wichtig. Das Landesgeodatenzugangsgesetz schafft keine erweiterten Befugnisse zur Veröffentlichung von personenbezogenen Daten. Im Hinblick auf den Datenschutz nimmt das Gesetz eine fachneutrale Position ein. Damit ist zum einen gewährleistet, dass es den Standard des Landesdatenschutzgesetzes einhält, zum anderen steht es aber auch der Anwendung bereichsspezifischer fachrechtlicher Regelungen über die Veröffentlichung personenbezogener Daten nicht entgegen.
Mit den Artikeln 2, 3 und 4 des vorliegenden Gesetzentwurfs verfolgt die Landesregierung den zuletzt genannten Ansatz, um einen umweltpolitischen Akzent zu setzen. Der Zugang zu relevanten Umweltinformationen – das wird zukünftig
noch wichtiger werden – ist gegeben. Er wird sogar erleichtert. Bestimmte Umweltdaten im Bereich Bodenschutz, wenn es z. B. um Altlasten geht, im Bereich der Wasserwirtschaft, aber auch im Hinblick auf die Deponien sollen bald ohne Einzelfallprüfung veröffentlicht werden können. Damit wird der INSPIRE-Prozess der EU insgesamt unterstützt und die Bereitstellung von personenbezogenen Geodaten für die Geodateninfrastruktur vereinfacht.
Sehr geehrte Damen und Herren, diese Regelungen stehen aber nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie. Das möchte ich hier noch einmal deutlich machen. Mit dem Gesetzentwurf kommen wir also nicht nur unserer EU-rechtlichen Verpflichtung nach, sondern bringen das Land gleichzeitig auch ein gutes Stück auf dem Weg zu einer modernen und mit vielfältigen Chancen ausgestatteten digitalen Zukunft voran, die den Standort Baden-Württemberg für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft, aber auch für unsere Behörden verbessert.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass es dazu auch eine umfassende Anhörung in allen betroffenen Ministerien, auch mit Vertretern der Wirtschaft, gegeben hat. Aus dieser Anhörung haben sich keine Änderungen ergeben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Landtag liegt heute in Erster Beratung der Entwurf des Landesgeodatenzugangsgesetzes vor, das – wie soeben von der Frau Staatssekretärin vorgetragen – der Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft dient. Damit werden die rechtlichen, die technischen und vor allem auch die organisatorischen Grundlagen für den Aufbau einer europaweiten Geodateninfrastruktur geschaffen, die wirklich vielfältige Vorteile und Nutzen für die öffentliche Verwaltung, aber auch für die private Wirtschaft und nicht zuletzt auch für die Bürgerinnen und Bürger bringt.
Zugleich wird der Zugriff auf vielfältige Daten auf einheitlicher Grundlage und mit fächerübergreifenden Basisfunktionen einfacher. Er wird damit in meinen Augen auch effizienter und transparenter.
Wichtig ist, dass dabei auch die Grundzüge des Datenschutzes berücksichtigt werden. Denn das Gesetz schränkt den Zugang zu Geodaten und Geodatendiensten sowie ihre Nutzung auf der Grundlage der Entschließung der 76. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, vor allem aber auch auf der Grundlage des Landesdatenschutzgesetzes von Baden-Württemberg, ein. Damit wird dem Schutz personenbezogener Daten nach den Erfordernissen der Praxis, aber auch im öffentlichen und vor allem im privaten Interesse Rechnung getragen.
Mit dem vorliegenden Entwurf des Geodatenzugangsgesetzes für Baden-Württemberg werden im Wesentlichen der erfor
derliche rechtliche Rahmen für den Zugang zu und die Nutzung von Geodaten für Geodatendienste durch die Öffentlichkeit und auch durch die geodatenhaltenden Stellen gesetzt, die dazu vorzugebenden Instrumente und Standards definiert, der Rahmen und die Schranken zur Wahrung bestimmter öffentlicher und vor allem privater Schutzgüter festgelegt und Grundsätze für Kostenregelungen hinsichtlich des Zugangs und vor allem der Nutzung vorgegeben.
Das Gesetz beschränkt sich auf den notwendigen formellen und materiellen Inhalt. Uns war es wichtig, dass hier eine 1:1Umsetzung des EU-Rechts stattfindet. Es bezieht sich ausschließlich auf Geodaten, die auch in digitaler Form vorliegen, und verpflichtet alle Träger der öffentlichen Verwaltung zur Erfassung und Führung von Geodaten auf einheitlicher Basis.
Für Baden-Württemberg eröffnet sich damit auch ein Geodatenportal auf Bundes- sowie auf europäischer Ebene.
Das Gesetz ist auch wesentliche Grundlage für den Aufbau und vor allem für den Betrieb der Geodateninfrastruktur in Baden-Württemberg und unterstützt dabei auch den Ausbau unseres Umweltinformationssystems, weil ca. 80 % der Umweltinformationen auch einen Raumbezug haben und damit Geodaten sind.
Deshalb beinhaltet dieses Gesetz auch die Notwendigkeit, dass wir das Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz sowie vor allem das Wassergesetz und das Landesabfallgesetz anpassen. Mit den Änderungen dieser drei Gesetze soll einerseits das spezifische umweltpolitische Ziel gefördert werden, den Zugang zu bestimmten relevanten Daten über die Umwelt und über die Bereiche des Bodenschutzes und der Wasser- und Abfallwirtschaft zu ermöglichen, was bisher nur im Wege einer Einzelabwägung so möglich war. Zudem werden schon jetzt in großem Umfang und ohne ausreichende Rechtsgrundlage vorgenommene Veröffentlichungen im Internet und vor allem auch in Druckwerken auf eine eindeutige rechtliche Grundlage gestellt.
Der vorliegende Gesetzentwurf wurde mit allen berührten Ministerien und den Trägern öffentlicher Belange inhaltlich abgestimmt. Es ergaben sich keine größeren Einwände oder Anregungen zu dem Gesetz. Deshalb stimmen wir, die CDUFraktion, diesem Gesetz zu.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie in Landesrecht richtig und konsequent ist. Durch die Möglichkeit, auf zentral verfügbare Geodaten zuzugreifen und diese miteinander zu verknüpfen, ist eine Vielzahl von praktischen Anwendungen realisierbar, von denen sowohl die Verwaltung als auch die Privatwirtschaft durch technische Innovationen profitieren können. Die Verkehrstelematik ist als Beispiel bereits angesprochen worden.
Wie Sie alle sicher wissen, geht es um Daten, die Objekten im Raum eine bestimmte Lage zuweisen. Diese bilden – zumindest im Umweltbereich – den Schwerpunkt der INSPIRERichtlinie. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Boden, Abfall und Wasser. Diese werden über das Internetportal www. geoportal-bw.de bald zentral abrufbar sein.
Für Bürger, für Verbände, für die Wirtschaft und für Behörden wird es dann möglich sein, über dieses Geoportal schnell und einfach an Umwelt- und Geodaten zu gelangen. Einige Fragen lassen sich dann durch ein paar Mausklicks klären, z. B.: Wo ist das nächste Biotop? Wer produziert den meisten Lärm im Ort? Wo genau liegen die potenziellen Überschwemmungsgebiete in Baden-Württemberg? Außerdem wird es dadurch möglich, schnell und unkompliziert auf das Altlastenkataster zuzugreifen, in ein paar Minuten die eigene Flurstücksnummer ausfindig zu machen oder Verstöße gegen Baurichtlinien aufzudecken. Sogar eine zentimetergenaue Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen wird durch die Nutzung von Geodaten zukünftig möglich sein. Ferner wird damit die Verhinderung von Subventionsbetrug in der Landwirtschaft vereinfacht. Allerdings wurde hierbei bereits in der Vergangenheit auf satellitengestützt erhobene Geodaten zurückgegriffen.