Die Bürgerschaft hat ein Anrecht auf eine klare gesetzliche Regelung. Sie hat es der damaligen Regierung ins Stammbuch geschrieben.
(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist jetzt aber Rechts- geschichte! – Abg. Manfred Groh CDU: Das ist schon lange her! – Zuruf von der CDU: Wir haben daraus gelernt! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wieso kri- tisieren Sie das jetzt?)
Deswegen sagen wir: Man muss von Anfang an Klarheit, Transparenz und Aufrichtigkeit gegenüber der Bevölkerung zeigen und auch leben.
Die Bestimmungen in dem Gesetz müssen regeln, was der öffentliche Zweck ist, ob er stark genug ist, um sich im Zweifel durchzusetzen, welche verfahrensmäßigen Voraussetzungen geschaffen sind und welche fairen Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen geschaffen werden müssen. Das muss das Gesetz regeln. Das darf man nicht im Nebel stehen lassen, wie Sie das gemacht haben. Es muss durch die Gerichte nachprüfbar sein. Die Bürger müssen wissen, woran sie sind.
Das hat die Regierung bisher verweigert. Denn ohne Gesetze – das ist der Clou der Sache – setzt sich immer der Stärkere durch. Die Regierung hat versucht, sich hinter Investoren zu verstecken. Diese sollen das allein machen. Sie hat aber genau gewusst, dass gebaut werden muss. Es wird auch gebaut. Wir bekommen das Gesetz, denn das Gesetz ist unvermeidlich. Aber Streit, Wunden, Verdruss und ein Glaubwürdigkeitsverlust in der Fläche sind eingetreten. Einige Abgeordnete haben sich über die Kommunalwahl hinübergerettet, indem sie den Leuten leere Versprechungen gemacht haben usw.
In Bayern sind am Ende nur ganz wenige Fälle übrig geblieben. Wir haben heute vermutlich noch über 100 Vollverweigerer. Hätten wir diese Klarheit, dieses Gesetz rechtzeitig gehabt, dann hätte man wahrscheinlich am Ende – was alle gewünscht hätten – keine einzige oder nur ganz wenige Enteignungen benötigt.
Manche mögen diese gespaltene Vorgehensweise einiger CDU-Leute für clever halten. Aber klug ist sie jedenfalls nicht. Ich halte sie für ein Zeichen von Schwäche der Regierung und der Koalition.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen werden. Warum?
Ethylen ist ein zentraler Grundstoff für die Chemieindustrie. Für eine ganze Reihe von Bauteilen in der Industrie ist Ethylen der Grundstoff schlechthin und ist heute aus unserem Alltag überhaupt nicht mehr wegzudenken. Dies vorausgesetzt, geht es um die Frage, wie man diesen Grundstoff transportiert. In der Abwägung kommt man meines Erachtens relativ schnell zu dem Ergebnis, dass es sowohl unter umweltpolitischen Gesichtspunkten als auch unter Gesichtspunkten der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit keine Alternative dazu gibt, dass man das mit einer Pipeline macht.
Ungeachtet dessen ist es nötig, dass man ein paar Takte zu der Frage sagt, zu welchem Zeitpunkt ein solches Gesetz Sinn
macht. Herr Kollege Stober, im März dieses Jahres haben wir hier im Haus eine Debatte über einen Antrag Ihrer Fraktion geführt, der begehrt hat, dieses Gesetz sehr schnell auf den Weg zu bringen. Ich will Ihnen die offiziellen Zahlen zum damaligen Zeitpunkt sagen: Beispielsweise waren im Landkreis Aalen 55 % der Verträge unter Dach und Fach.
Zu Bayern komme ich gleich. – Das heißt, mit 45 % der Leute waren noch keine Verträge abgeschlossen. Es tut mir leid: In einem Rechtsstaat muss bei einem solchen Projekt, das in erster Linie ein Projekt der Privatwirtschaft ist – trotz der auch das Allgemeinwohl betreffenden Punkte ist es nun einmal in erster Linie ein Projekt der Privatwirtschaft, über das wir hier reden –, das verantwortliche Konsortium alles daransetzen, diese Verträge in Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern unter Dach und Fach zu bekommen.
(Beifall bei den Grünen – Zuruf von der SPD: Wir haben doch gar nichts anderes gesagt! – Abg. Rein- hold Gall SPD: Das ist doch kein Widerspruch!)
Bei einer Quote von 55 %, Herr Kollege Gall, zu kommen und ein Enteignungsgesetz zu fordern, ist – es tut mir leid – mit meiner Fraktion nicht zu machen. Das hatte ich schon damals gesagt.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber anwenden muss ich es doch! Es geht doch darum, die Rahmenbedin- gungen zu schaffen! – Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)
Warum können wir dem Gesetzentwurf heute zustimmen? Meines Wissens sind – Stand heute – 93 % der Verträge unter Dach und Fach. In Baden-Württemberg braucht man 5 840 Verträge; das ist ja nicht nichts. Wenn wir nun 93 % hiervon haben, können wir ausrechnen, dass noch ca. 300 bis 400 Fälle offen sind.
Ich meine, man muss auch noch eine andere Frage thematisieren: War es aufseiten derjenigen, die das Projekt wollten, aufseiten des Konsortiums klug, zunächst einmal nach Bayern und nach Rheinland-Pfalz zu gehen und erst zum Schluss Baden-Württemberg in den Blick zu nehmen, obwohl wir in unserem Bundesland eine dreimal höhere Zahl von Gestattungsverträgen brauchen als in Bayern und doppelt so viele Verträge wie in Rheinland-Pfalz? Für den Druck, der da ausgeübt wurde, habe ich – es tut mir leid – überhaupt kein Verständnis. Die Verantwortlichen hätten sich frühzeitiger überlegen müssen, dass es besser wäre, in Baden-Württemberg zu beginnen und die Sache zunächst einmal hier unter Dach und Fach zu bringen
Bei einem solchen Vorhaben – ich hatte es bereits gesagt: es handelt sich um 5 840 Verträge – kann man nicht davon ausgehen, dass wir tatsächlich 100 % erreichen. Wir haben nun einmal die württembergische Realteilung mit allen Folgen, sprich Erbengemeinschaften, bei denen nicht mehr alle Betei
ligten ausfindig gemacht werden können. Wir haben die Situationen, dass Eigentümer gar nicht mehr auffindbar sind – um nur einmal diese beiden Beispiele zu nennen.
Schließlich gibt es natürlich auch noch Grundstückseigentümer, die Sicherheitsbedenken haben. Ich kann das EPS-Konsortium nur noch einmal darum bitten, diese Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen und mit den Leuten zu diskutieren. Manchmal habe ich ein bisschen Zweifel, dass dies in der Vergangenheit ausreichend geschehen ist.
Ich will hierzu ein Beispiel nennen: Wenn man eine acht- oder neunseitige Broschüre herausgibt, in der jedoch nur zehn Zeilen den Punkten Umweltverträglichkeit und Sicherheit gewidmet sind, darf man sich nicht wundern, wenn Sie und ich danach mit E-Mails bombardiert werden, in denen Sicherheitsbedenken zum Ausdruck gebracht werden. Ich will gar nicht sagen, dass die Leute recht hätten. Nach meinem Dafürhalten hat man in der Vergangenheit jedoch nicht ausreichend dafür gesorgt, dass derartige Bedenken abgebaut werden.
Ich kann nur darum bitten und kann nur hoffen, dass das Konsortium in den kommenden Tagen und Wochen die Möglichkeiten nutzt, die es noch hat. Gestern Abend gab es meines Wissens eine Veranstaltung in Alfdorf. Ich glaube, dass dies ein guter Anfang war, um diese Bedenken abzubauen. Insgesamt kann ich jedoch nur hoffen, dass diese Möglichkeiten in den kommenden Wochen noch genutzt werden, damit es gelingt, diese Bedenken aufzugreifen und sich mit den Betroffenen auseinanderzusetzen. Wenn das geschieht, bin ich persönlich guter Dinge, dass wir in ein paar Wochen nicht mehr nur 93 % der Verträge, sondern mehr als 95 % der Verträge abgeschlossen haben können.
Die Akzeptanz dieses Projekts hängt letztlich auch noch ganz wesentlich davon ab, wie die Umsetzung erfolgt. Die Frage ist, wie dann mit den Grundstücken umgegangen wird, ab wann diese wieder benutzbar sind etc.
Insgesamt ist es, glaube ich, richtig, dieses Gesetz zum jetzigen Zeitpunkt zu erlassen. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über dieses Gesetz ist hinreichend bekannt. Herr Untersteller hat es erwähnt: Es gab Debatten, die bereits im Vorfeld beantragt wurden, es gab öffentliche Diskussionen, es gab in diesem Haus bereits die erste Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs, und es gab all die Diskussionen im Wirtschaftsausschuss. Auch bei der heutigen Debatte gibt es offensichtlich nicht mehr sehr viel Neues zu diesem Gesetz.
Wir waren uns sehr früh einig, dass das Projekt ökonomisch und im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und des Chemiedreiecks sinnvoll ist. Wir waren uns auch über alle Parteigrenzen hinweg einig, dass es ökologisch sinnvoll
ist, eine Pipeline zu bauen, dass es jedenfalls besser ist, das Ethylen über eine Pipeline zu transportieren, als über sonstige Verkehrswege.
Insofern war das den Streit, diese ganzen Diskussionen nicht wert. Es ging lediglich um den Zeitpunkt, wann man mithilfe eines Enteignungsgesetzes das Verfahren beschleunigt, weil logischerweise damit zu rechnen ist, dass am Ende des Tages der eine oder andere Totalverweigerer übrig bleibt.
Wir haben uns als Regierungskoalition wirklich darum bemüht, einerseits den richtigen Ausgleich zwischen den ökonomischen und den ökologischen Notwendigkeiten zu finden und auf der anderen Seite dem hohen Stellenwert, den das Grundgesetz und auch ein weitestgehender Konsens in diesem Haus dem Eigentum zukommen lässt, zu entsprechen. Vor diesem Hintergrund brauchen wir uns eigentlich keine Vorwürfe bezüglich des zeitlichen Ablauf des Verfahrens zu machen.
Herr Kollege Stober, wenn Sie von Konjunkturförderung reden, davon, dass man dieses Gesetz hätte schneller machen müssen, um sozusagen die Krise zu erwischen, kann ich Ihnen sagen, dass ja ständig gebaut wurde. Es wurden einzelne Streckenabschnitte gebaut.
Doch, auch in Baden-Württemberg; z. B. in meinem Wahlkreis, dem Enzkreis, wurde gebaut. Das haben Sie gar nicht mitbekommen, oder? Da haben Sie noch immer über „Krise“ philosophiert. Aber in der Praxis wurde zu diesem Zeitpunkt schon gebaut.
Es ist richtig, was gesagt wurde: In Baden-Württemberg wurde eben später mit den entsprechenden Verhandlungen angesetzt, als es in Bayern oder in Rheinland-Pfalz der Fall gewesen ist. Da ergibt sich eigentlich schon aus einer ganz einfachen Logik, dass der Prozess dann in Baden-Württemberg später in Gang kommt.
Deshalb, glaube ich, haben wir uns, was das anbelangt, nichts vorzuwerfen. Wir haben uns darum bemüht, dieses Projekt positiv zu begleiten, aber gleichzeitig schon von den Betreibern erwartet, dass man mit den Grundstückseigentümern redet und nach Möglichkeit im Einvernehmen zu einer vernünftigen Lösung kommt. Erst dann, wenn sich abzeichnet, dass mit allen geredet worden ist, dass möglicherweise ein paar Hundert Fälle übrig bleiben, bei denen es schwierig wird, bei denen man möglicherweise – hoffentlich sind es nur einige wenige, maximal ein paar Dutzend Fälle – tatsächlich von Totalverweigerung reden muss, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, ein solches Gesetz zu erlassen und mithilfe dieses Gesetzes den Druck zu erhöhen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass im Endeffekt auch die Totalverweigerer gezwungen werden, weil sicherlich durch vier oder fünf Totalverweigerer ein ökonomisch und ökologisch so wichtiges Projekt nicht zu Fall gebracht werden darf.
Insofern ist also überhaupt nichts angebrannt. Auch manche, die da gedroht haben, wenn dieses Gesetz nicht in 14 Tagen komme, dann scheitere dieses Projekt, haben damit kein re
ales Szenario entworfen. Dieses Projekt wird jetzt kommen, es wird zeitnah kommen, und es wird zum richtigen Zeitpunkt kommen. Ich glaube, auch den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, die dann möglicherweise Enteignungsverfahren ausgesetzt sein werden, sind wir gerecht geworden. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, dieses Gesetz zu beschließen, und das wird meine Fraktion selbstverständlich auch tun.