Protocol of the Session on November 25, 2009

Dann stellt sich natürlich die Frage: Wo wird die Datenschutzaufsicht angesiedelt sein? Wir halten das Modell von Schleswig-Holstein mit einem unabhängigen Datenschutzzentrum noch immer für das große Vorbild in Deutschland. Wenn wir hier schon eine neue Behörde schaffen, sollten wir uns an den Besten orientieren und nicht wieder halbherzige Dinge machen.

(Beifall bei den Grünen)

Kollege Stoch von der SPD hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es dringend notwendig ist, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Denken Sie nur an die ganzen Skandale, die es in den letzten Monaten gab: etwa bei Daimler oder bei Sehne. Letzteres hatten Sie, Herr Stoch, angesprochen.

Jetzt habe ich gelesen, Herr Minister, dass auf Ihrem Parteitag nicht nur zu dem vorhin diskutierten, sondern auch zu diesem Fall ein entsprechender Beschluss gefasst wurde. Ich weiß nicht, wie Sie es planen. Soll der Beschluss 1 : 1, 1 : 2 oder 1 : 3 umgesetzt werden? Ich möchte Sie bitten, auch Stellung dazu zu nehmen, ob Sie sich dem Votum Ihres Parteitags anschließen, ob Sie sich dafür einsetzen, dass es einen entsprechenden Arbeitnehmerdatenschutz geben wird.

Herr Kollege Bopp, es ist sicherlich richtig – da finden Sie uns völlig auf Ihrer Seite –, dass die Menschen nicht nur verlangen können, dass der Staat für den Datenschutz sorgt, sondern dass die Menschen anfangen müssen, mit ihren eigenen Daten wesentlich sensibler umzugehen.

Sie haben Gewinnspiele angesprochen. Ich weiß von Mitarbeitern des Innenministeriums, dass speziell auch Gewinnspiele der EnBW datenschutzrechtlich sehr fragwürdig waren. Man musste Daten angeben, die mit diesem Gewinnspiel überhaupt nichts zu tun hatten. Es ging nur darum, Daten zu sammeln

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist meist der Sinn!)

und Erkenntnisse über die Kunden der EnBW zu erlangen. Das ist natürlich nicht der eigentliche Sinn eines Gewinnspiels. Vielleicht ist er das für die Unternehmen. Aber da müssen wir eingreifen.

Als Nächstes möchte ich in diesem Zusammenhang ansprechen, dass viele Menschen wegen ein paar Punkten, die sie bekommen

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ein paar was?)

ein paar Punkte, z. B. bei Payback –, praktisch lückenlos preisgeben, wo und was sie einkaufen. Das ist ein völlig unsensibler Umgang mit Daten. Die Leute sind aufgefordert, sich zu überlegen, ob sie einen solchen Blödsinn eigentlich noch weiter mitmachen wollen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie müssen ja nicht mitmachen, Herr Wal- ter!)

Nein, wir müssen nicht mitmachen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aufklärung!)

Wir sind aufgefordert, auch hier aufzuklären, die Menschen zu sensibilisieren.

Vor Kurzem wurde der Begriff „Entblößungsgesellschaft“ kreiert. Die Leute geben alles preis. Sie gehen ins SchülerVZ, StudiVZ oder Facebook und geben dort Daten preis.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nicht nur Daten!)

Ja, natürlich, Herr Kollege Kluck. – Man muss sich fragen, ob das der richtige Weg ist.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein!)

Wie können wir diese Menschen schützen?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die muss man schützen!)

Was kann der Gesetzgeber tun, damit sensible Daten besser geschützt werden?

Das heißt: Wir haben eine doppelte Aufgabe, Herr Minister. Wir müssen einerseits auf den sensiblen Umgang mit Daten hinweisen, aber der Staat muss auch ein gutes Vorbild sein. Wir brauchen eine gute Behörde, die entsprechend mit Stellen ausgestattet ist. Es hilft uns nicht weiter, wenn wir immer nachhecheln. Der Begriff „Nacherzählung“ des Kollegen Stoch war zutreffend. Sie können immer nur reagieren, aber Sie können nicht agieren. Das heißt, die Behörde ist mit ihrer bisherigen Ausstattung nicht in der Lage, Stichproben zu nehmen und dann herauszufinden, wie in den Betrieben oder auch bei den Kommunen mit dem Datenschutz umgegangen wird. Das müssen wir zukünftig ändern.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Andreas Stoch SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Wetzel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Zunächst danke ich dem Herrn Innenminister und seinen Mitarbeitern für den sehr ausführlichen, überzeugenden und ungeschminkten Bericht. Der Bericht macht deutlich, dass es zahlreiche Defizite auf dem Gebiet des Datenschutzes im nicht öffentlichen Bereich gibt.

Umso mehr begrüße ich ausdrücklich, dass jetzt eine langjährige Forderung der FDP umgesetzt wird, nämlich: Der Datenschutz im öffentlichen und der im nicht öffentlichen Bereich werden zusammengeführt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Damit setzt Baden-Württemberg eine Richtlinie des Europäischen Parlaments im europäischen Raum um.

Der Bericht macht aber auch deutlich, dass der Arbeitnehmer datenschutz – das wurde schon erwähnt – dringend gestärkt werden muss. Hier, meine Damen und Herren, darf ich Sie darauf hinweisen, dass die Koalitionsverhandlungen in Berlin Erfreuliches ergeben haben. Nach dem Vorbild der Stiftung Warentest wird die Stiftung Datenschutz neu eingeführt. Danach sollen die Produkte und Dienstleistungen auf ihre Datenschutzfreundlichkeit überprüft werden. Das ist meines Erachtens ein sehr wichtiger Beitrag, damit der Selbstdatenschutz auch tatsächlich ausgeübt werden kann und nicht nur auf dem Papier steht.

Es wird auch eine generelle Reform des Datenschutzes geben. Der Arbeitnehmerdatenschutz soll in ein eigenes Gesetz eingebracht werden. Hier wird dann die besondere Situation des Arbeitsverhältnisses gebührend berücksichtigt werden. Wir müssen meines Erachtens exakt regeln, welche Daten der Arbeitgeber abfragen und gegebenenfalls auch speichern darf. Den Arbeitnehmern werden dadurch insgesamt mehr Rechte eingeräumt. Diese wichtigen Punkte können dann auch als Grundlage für ein Datenschutzgesetz dienen.

Wichtiger Ansatz und Knackpunkt dieser Novelle sollte aber das Erfordernis der Einwilligung der Menschen in die Datenspeicherung sein. Meines Erachtens müssen wir bei jeder Speicherung zunächst fragen: Ist der Mensch damit einverstanden, dass die Daten gespeichert werden? Es darf nicht einfach ein wildes Datensammeln geben, egal, von welcher Stelle. Wir müssen dafür sorgen, dass die Betroffenen die Möglichkeit haben, einzuwilligen oder nicht.

Meine Damen und Herren, erforderlich ist meines Erachtens auch, dass ich überall abfragen kann, woher das entsprechende Unternehmen meine Daten hat. Derjenige, der Daten sammelt, muss mir Antwort geben können, woher er die Daten hat und warum er sie tatsächlich sammelt. Erst das ist effektiver Datenschutz.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das verstehe ich nicht! Jeder gibt alles von sich preis!)

Es darf einfach nicht sein, dass Private ohne mein Einverständnis Daten sammeln und mit diesen unerlaubt gesammelten Daten Handel treiben. Mit den Daten anderer Menschen müssen wir besonders behutsam umgehen. Es darf nicht sein, dass Versicherungen oder Banken mit meinen Daten einen schwunghaften Handel treiben, ohne dass ich das weiß.

Ein besonderes Problem dürfte auch Google Earth sein. Dürfen wir privaten Firmen einfach erlauben, mein Haus zu fotografieren, ganze Straßenzüge zu filmen und dann per Zufall Passanten aufzunehmen, die davon gar nichts wissen? Dürfen wir das zulassen? Ich denke, damit müssen wir uns intensiv beschäftigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Richtig, Herr Kol- lege! Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dann muss man sich in der Öffentlichkeit vermum- men!)

Ein positives Beispiel ist im Übrigen die Gemeinde Molfsee bei Kiel, die Google untersagt hat, ihre Gemeinde insgesamt aufzunehmen. Ich denke, dass man dieser Sache eher nachgehen sollte. Das ist dann effektiver Datenschutz. Ich glaube, dass es zumindest vorher der Einwilligung eines jeden Eigentümers bedarf, ob sein Haus gefilmt werden darf oder nicht.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Nicht erfreut war ich allerdings – das muss ich auch noch sagen –, Herr Innenminister, über die Ausführungen zum Datenschutz bei Rechtsanwälten, und zwar insbesondere dann, wenn sie auf dem Gebiet der Forderungsbeitreibung tätig sind. Ich erinnere daran: Die Rechtsanwälte sind zwar freiberuflich tätig, aber sie sind – so steht es im Gesetz – ein Organ der Rechtspflege. Auch wenn sie Forderungen eintreiben, sind sie ein Organ der Rechtspflege und können nicht einfach mit einem Inkassounternehmen gleichgesetzt oder verglichen werden. Ich denke, da müssen wir einfach Ausnahmen machen.

Aus liberaler Sicht muss die Bedeutung des Datenschutzes in der Bevölkerung deutlicher gemacht werden. Dies kann nur erreicht werden, wenn die datenschutzrechtlichen Fragestellungen thematisiert werden – meines Erachtens bereits in der Schule.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Schülerinnen und Schüler müssen z. B. wissen, welche Konsequenzen ein Eintrag im SchülerVZ hat und was damit gemacht werden kann. Wir haben neulich aus einer Pressemitteilung erfahren, dass mit einem solchen Eintrag böses Schindluder getrieben werden kann. Darüber müssen wir unsere jungen Menschen aufklären.

Wir Liberale wollen ein modernes, leicht verständliches, technikfestes und übersichtliches Datenschutzrecht, das den Anforderungen in unserer digitalen Welt gerecht wird.

Zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch eine Meldung von den Grünen zum Thema „Datenschutz in digitalisierter und überwachter Form“.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP zu den Grü- nen: Hört!)

Kollege Wölfle hat am 5. November dieses Jahres

(Zuruf des Abg. Werner Wölfle GRÜNE)

ein Interview im „Deutschlandfunk“ gegeben. Ich zitiere wörtlich aus seinen Ausführungen zum Thema Maut:

Wer viel fährt, zahlt viel. Das geht heutzutage technisch viel einfacher als bei der Lkw-Maut. Jeder von uns hat ein Handy in der Tasche, und die meisten Leute haben ein Navigationsgerät.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Selbst schuld!)