oder im Rahmen einer sogenannten Gutscheinlösung gegeben werden soll, diskutiert. Ich denke, die Wahrheit liegt in der Mitte. Man wird auf der einen Seite zu versuchen haben, den Eltern, die ihre Kinder ordnungsgemäß versorgen, die ihren Kindern ordnungsgemäß das Frühstück verabreichen, bevor diese zur Schule gehen, dieses Geld pauschal zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite wird man versuchen, über ein Gutscheinsystem dafür zu sorgen – –
(Abg. Katrin Altpeter SPD: Es war von Sanktionen die Rede! Bei den Mitteln sind wir uns einig! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben nach dem Parteitags- beschluss gefragt!)
(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie haben sie aber gefor- dert! – Abg. Katrin Altpeter SPD: Die sind doch ge- fordert worden!)
Zunächst einmal muss ich davon ausgehen, dass die Kinder auch ordnungsgemäß versorgt sind, dass sie nach einem Frühstück zur Schule kommen. Das ist Gott sei Dank auch weitreichend der Fall. Es gibt allerdings auch andere Fälle. Es ist mir selbst widerfahren, als ich an einer Schule im Stuttgarter Westen war, dass mir die Rektorin gesagt hat, ca. 80 % der Kinder kämen ohne Frühstück in die Schule. Da gilt es natürlich, dagegenzuhalten. Da ist es, meine ich, nicht damit getan, den Eltern, die ohnehin schon nicht in der Lage sind, ihre Kinder mit Frühstück an die Schule zu schicken, noch einmal 150 € „bar auf die Kralle“ zu geben – wenn ich das einmal so sagen darf –,
(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: Was ist denn das für eine Argu- mentation? – Weitere Zurufe)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können Fragen stellen. Die fünf Minuten Redezeit für die Regierung sind jetzt um.
Herr Staatssekretär, Herr Minister, die Überschrift zu der entsprechenden Forderung im Leitantrag lautet: „Vernachlässigung darf nicht ohne Konsequenzen bleiben“.
Ich glaube, dem stimmen wir alle zu. Aber Vernachlässigung beginnt nicht erst, wenn Schülerinnen und Schüler in die Schule kommen, sondern Vernachlässigung beginnt schon viel
früher. Das Thema Vernachlässigung am Schulfrühstück aufzuhängen halte ich nicht für die richtige Verknüpfung.
Der Sozialausschuss hat kürzlich eine große Anhörung zum Thema Kindesvernachlässigung durchgeführt. Kindesvernachlässigung beginnt in den ersten Lebensjahren und umfasst materielle Vernachlässigung, aber auch psychische Vernachlässigung.
Wir haben in diesem Jahr ein Kinderschutzgesetz verabschiedet. In diesem Kinderschutzgesetz hat sich die Landesregierung gegen Sanktionen ausgesprochen. Wir haben verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen eingeführt, aber ohne Sanktionen. Nicht einmal ein verbindliches Einladewesen wurde in diesem Kinderschutzgesetz verankert.
Deshalb frage ich jetzt: Was hat die Landesregierung oder die CDU bewogen, da umzudenken? Denn einerseits wollen Sie beim Kinderschutz, also in dem Bereich, in dem die Unterstützung so früh wie möglich beginnen soll, keine Sanktionen, während Sie jetzt sagen, Kindesvernachlässigung könne man eigentlich nur begegnen, indem man sanktioniert und den Eltern die Leistungen streicht.
Liebe Frau Kollegin Lösch, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Parteitag ist natürlich souverän in dem, was er beschließt.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Beifall der Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP und Bri- gitte Lösch GRÜNE – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
dass wir uns in Baden-Württemberg in einer Koalitionsregierung befinden. Es entspricht dem guten Stil des Zusammenarbeitens innerhalb der Koalition, dass wir solche Fragen mit dem Koalitionspartner absprechen und dann eine gemeinsame Lösung finden, die nach Möglichkeit beiden Seiten Rechnung trägt. Genau so werden wir auch in diesem Fall vorgehen.
Ich bleibe dabei: Natürlich ist es der beste Weg, von der frühesten Kindheit an möglichst ohne Sanktionen auf die Eltern einzuwirken, in welcher Form auch immer dies geschehen mag.
Nehmen Sie beispielsweise das Programm STÄRKE. Das ist ein wunderbares Programm. Wenn die Erziehung einmal nicht
funktioniert, wenn beispielsweise Bedarf an Erziehungshilfe besteht, dann besteht die Möglichkeit, zusätzlich zu den Gutscheinen bis zu 1 500 € für eine Familienhebamme zur Verfügung zu stellen, um einer Familie, die dies benötigt, in der frühen Phase eine Hilfestellung zu geben. Ich denke, das ist eine hervorragende Sache. Das kann sich bei Bedarf über aufsuchende Hilfen bis hin zur mobilen Jugendarbeit fortsetzen.
Wir werden die Beschlüsse des Parteitags sehr sorgfältig analysieren und schauen, inwieweit das in die bestehende Konzeption hineinpasst oder inwieweit Anpassungsbedarf besteht, beispielsweise mit Blick auf das Tracking, das es auch in anderen Ländern gibt.
Herr Staatssekretär, Sie haben ja schon ein Stück weit relativiert. Dennoch möchte ich an die eingangs von Frau Kollegin Altpeter gestellte Frage anknüpfen. Herr Minister Rau hat darauf geantwortet, dass er in vollem Umfang hinter diesem Leitantrag zum CDU-Parteitag stehe. Sie haben das ein Stück weit relativiert.
Ich möchte nochmals Bezug nehmen auf die Anhörung, die wir am 15. Oktober zum Thema „Maßnahmen zum Schutz vernachlässigter Kinder“ durchgeführt haben. Dieses Thema ist ein gemeinsames Anliegen dieses Hauses. Ich möchte in Erinnerung rufen: Das Fazit aller angehörten Experten – vom Kinderschutzbund über den Landesfamilienrat bis zum öffentlichen Gesundheitsdienst – war, dass wir früh ansetzen müssen, insbesondere bei Familien, in denen Kinder vernachlässigt werden. Wir wissen, dass aus vernachlässigten Kindern oft vernachlässigende Eltern werden.
Die Experten haben uns frühe aufsuchende Hilfen, das Schaffen von Vertrauen zu Problemfamilien und die Vermeidung von Stigmatisierung empfohlen. Deshalb frage ich Sie, ob der angesprochene Leitantrag zum CDU-Parteitag zu dieser Linie passt; denn Ihr Vorschlag – Bestrafung und Sanktionen – führt nicht zur Vertrauensbildung, sondern zur Stigmatisierung.
Ich frage Sie: Wie verhält sich die Landesregierung hierzu? Stellt sich die Landesregierung hinter Sanktionen, oder bleiben Sie bei der Linie, die uns auch die Experten vorgegeben haben: frühe Hilfen, Vertrauen bilden, nicht stigmatisieren?
Liebe Frau Kollegin Wonnay, ich habe mir die Expertenanhörung von Anfang bis Ende angehört. Auch Mitarbeiter unseres Hauses waren bei der Anhörung dabei. Wir sind gegenwärtig dabei, in unserem Haus das Ergebnis der Anhörung auszuwerten. Die Auswertung ist noch nicht erfolgt. Aber das, was da gesagt wurde, ist in der Tat sehr zu bedenken. Von dem, was von den allermeis ten Experten gesagt wurde, würde ich sehr, sehr vieles unterschreiben.
Es ist auch nicht so, dass der Leitantrag, den Sie jetzt quasi stigmatisieren wollen, von Anfang – –
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum fasst ihr dann solche Beschlüsse? – Abg. Claus Schmiedel SPD: Frühe Hilfe für die CDU ist das! Frühe Hilfe für die CDU, bevor sie in die falsche Richtung marschiert! – Weitere Zurufe von der SPD)
Lieber Herr Kollege Schmiedel, Sie brauchen keine Sorge zu haben: Wir marschieren schon in die richtige Richtung. Wir sind bisher immer in die richtige Richtung marschiert, und wir werden auch in dieser Frage in die richtige Richtung marschieren.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Es waren nur zehn Leute im Saal, als darüber diskutiert wurde! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Da ist gar niemand marschiert! Beim Bier sind sie draußen gehockt!)
Ich würde einmal sagen: Die zuständigen Leute sowohl Ihrer Fraktion als auch unserer Fraktion waren anwesend.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben es vom Partei- tag, nicht von der Anhörung! – Abg. Claus Schmie- del SPD: Vom Parteitag reden wir!)