Sie hatten viele Jahre im Arbeits- und Sozialressort das Sagen und den zuständigen Minister gestellt und haben offensichtlich verfassungswidrige Regelungen getroffen, was das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Jetzt ist die neue Regierung gerade einmal ein paar Tage im Amt und legt ein Konzept vor, das durchaus in unserem Sinn ist,
nämlich mehr Kommunen die Option zu ermöglichen, zu entfristen und für die Zusammenarbeit, wie sie bisher in den ARGEn gelaufen ist, vor Ort eine Möglichkeit auf freiwilliger Basis zu bieten, die, wie es der Kollege Wolf gesagt hat, möglichst viel kommunal und möglichst wenig zentral bedeutet. Natürlich müssen wir uns dann einmal anschauen, wie letztendlich der Vertrag aussieht.
(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Den Koalitionsver- trag habe ich, wenn Sie den lesen wollen! – Gegen- ruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Er meint den Mustervertrag!)
Aber da bitte ich schon um ein bisschen Geduld. Wenn Sie das gelesen haben, müssten Sie doch ganz klar das Signal wahrgenommen haben, dass künftig möglichst dezentrale, möglichst kommunale und vor allem möglichst bürgerfreundliche Kooperationen ermöglicht werden sollen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Das, was Ihre Regierung und nicht erst die Große Koalition bei all diesen im Kern richtigen Reformen offensichtlich handwerklich falsch gemacht hat – das Bundesverfassungsgericht hat bescheinigt, dass es falsch gemacht worden ist –, versucht die neue Koalition jetzt wirklich nach dem Motto „Hilfen aus einer Hand“ und „möglichst viel kommunal, möglichst viel bürgernah“ zu regeln.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Ojemine! – Abg. Rudolf Haus- mann SPD: Ausdrücklich das Gegenteil! Exakt das Gegenteil hat sie beschlossen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das Gegenteil wird passieren!)
Daher glaube ich, dass wir mit unserem gemeinsamen Antrag, Herr Wolf, den Sie von der Opposition jetzt einfach einmal lesen mögen, dieses Ziel befördern können und dafür sorgen können, dass die Optionskommunen ihr Modell im Wettbewerb um die besten Lösungen für die Menschen – genau um die geht es – umsetzen können.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl! Der Mann hat recht! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine! Ihr klatscht auch bei je- dem Käse! – Abg. Georg Nelius SPD: Das Protokoll will ich! Das brauche ich für den Landkreis!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag, der vor über einem Jahr gestellt wurde. Zwischenzeitlich wurden viele Organisationsmodelle in verschiedenen Kreisen diskutiert und immer wieder verworfen.
CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vom 26. Oktober dieses Jahres die groben Umrisse der künftigen Organisationsform nach dem SGB II beschrieben. Ich denke, wir sollten deshalb heute nicht über den Schnee von gestern diskutieren, sondern darüber, wie eine Neuorganisation im Rahmen des Koalitionsvertrags gestaltet werden kann – das ist auch heute das Erfordernis –, und zwar – da will ich gleich
an das anknüpfen, was Kollege Noll sagte – im Interesse der betroffenen Menschen, im Interesse der Langzeitarbeitslosen. Sie müssen bestmögliche Bedingungen finden, um sich auf dem Arbeitsmarkt wieder integrieren zu können. Das ist das Ziel, an dem wir uns orientieren sollten.
Nur um noch einmal kurz auf den Antrag einzugehen: Es ist richtig, dass Baden-Württemberg den einstimmigen Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zur Grundgesetzänderung damals mitgetragen hat. Aber ich habe bereits damals darauf hingewiesen, dass eine Grundgesetzänderung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Jobcenter dadurch wirklich effizienter arbeiten können und – was ganz wichtig ist – mehr dezentrale Handlungsfreiheit erhalten. Das war nicht der Fall. Es kam auch nicht zu einer Grundgesetzänderung.
So einstimmig und so eindeutig, wie das hier dargestellt wird, war das damals also nicht. Wir haben damals von baden-würt tembergischer Seite eindeutig diese Forderungen nach mehr dezentralen Handlungsfreiheiten gestellt, egal, was kommt, ob mit oder ohne Grundgesetzänderung. Das war das Erfordernis: mehr dezentrale Handlungsfreiheit.
Der Koalitionsvertrag sieht jetzt vor, dass es zu keiner Grundgesetzänderung kommt und dass die bestehenden Optionskommunen ihre Aufgabe unbefristet weiter wahrnehmen können. Das begrüßen wir ausdrücklich. Das ist eine gute Sache. Ergänzend dazu soll die Bundesagentur für Arbeit freiwillig mit den Kommunen zusammenarbeiten, um für die Betroffenen die Leistung unter einem Dach zu gewährleisten. Für die Hilfe suchenden Menschen ist erst in zweiter Linie wesentlich, wer ihnen hilft; entscheidend ist, dass ihnen geholfen wird, dass sie umfassend Hilfe erhalten und nicht von einer Stelle zur anderen geschickt werden. Das ist wichtig für die Hilfebedürftigen. Deswegen ist dieses Modell begrüßenswert; es geht in die richtige Richtung.
Aber meines Erachtens bleibt ein Mangel. Letztlich sieht das Modell der Bundesregierung zwei Stellen vor, die die Unterstützungsleistung prüfen und dann gegebenenfalls bewilligen. Dazu kommen unterschiedliche Zuständigkeiten bei den Vermittlungsleistungen.
Die Landesregierung hat deshalb – wenn man so sagen darf – auf der Südschiene, also zusammen mit Bayern und Sachsen, ein Modell in die Diskussion gebracht, das dem Ansatz von Verwaltungseffizienz und Bürgernähe stärker Rechnung tragen soll. Wir möchten sämtliche Geldleistungen der Existenzsicherung, also das Arbeitslosengeld II und wie schon bisher die Übernahme der Unterkunftskosten und das Sozialgeld, bei den Kommunen bündeln. Die Arbeitsmarktintegration dagegen soll federführend der Bundesagentur für Arbeit übertragen werden. Bundesagentur und Kommunen sollen eine gemeinsame Anlaufstelle bilden und das Fallmanagement im Einzelfall gemeinsam konzipieren. „Fallmanagement“ würde bedeuten, dass Arbeitsvermittlung einschließlich der Vermitt
lung notwendiger Qualifikationsmaßnahmen und sozialer Begleitmaßnahmen, wie z. B. Schuldnerberatung, Hand in Hand gehen.
Unser Modell der Aufgabentrennung mit optimierter Zusammenarbeit – wenn man es so nennen kann – hätte gleich mehrere Vorteile. Erstens: Es wäre ebenfalls keine Grundgesetzänderung notwendig, und das Modell würde mit den Grundentscheidungen der Föderalismusreform übereinstimmen. Zweitens: Es bliebe weiterhin bei einer engen Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Bewältigung der Langzeitarbeitslosigkeit. Drittens: Das Modell basiert auf bestehenden Strukturen und verhindert den Aufbau neuer Bürokratie, denn Bürokratie wollen wir ja wirklich alle nicht.
Ich denke, meine Damen und Herren, der Arbeitsmarkt wird uns in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr vor große Herausforderungen stellen. Wir brauchen die Kompetenz der Bundesagentur für Arbeit. Das sollte man auch nicht kleinreden; dort sind Kompetenz und Erfahrung vorhanden. Wir brauchen aber auch eine effiziente und bürgernahe Verwaltung, um den Menschen schnell den Weg zurück in Arbeit zu ermöglichen. Die Neuorganisation sollte dem gerecht werden.
Die Landesregierung wird sich bei den weiteren Beratungen, die nach diesen Koalitionsverhandlungen anstehen, intensiv für Änderungen im Sinne des eben geschilderten Modells einsetzen. Das ist sicher eine praktikable Lösung, die auch rasch umzusetzen ist.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab Fragen nach dem Grünen-Konzept. Ich kann Ihnen sagen, dass die Landtagsfraktion GRÜNE bereits im Februar 2008 für sich die Konsequenzen aus dem angesprochenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezogen hat. Wir waren und sind der Ansicht, dass die Kommunen der richtige Träger für die Vermittlung sowie für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen und ihren Familien sind. Wir müssen die Kommunen darin stärken, dass sie im Interesse der Betroffenen, aber auch der ganzen Gesellschaft und aller gesellschaftlicher Gruppen Sozialpolitik vor Ort gestalten können. Die Kommunen sind unseres Erachtens der richtige Ort für eine aktivierende Sozialpolitik.
An dieser Position hat sich bis heute nichts geändert. Wir waren damals keine Befürworter einer Grundgesetzänderung und sind es heute nicht,
Das ist das Grünen-Modell, das wir nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil sehr schnell beschlossen haben. Die ge
trennte Aufgabenwahrnehmung war und ist für uns im Interesse der Betroffenen, aber auch im Interesse der Strukturen, die doppelt vorgehalten werden müssen, die schlechteste aller Lösungen. Insofern ist konstruktive Zusammenarbeit in den Punkten, in denen sie notwendig ist, dringend angesagt.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit kann ich jetzt leider nicht mehr zu allen Punkten, die meine Vorredner vorgetragen haben, Stellung nehmen. Klar ist, Herr Kollege Wolf – lesen Sie unseren Änderungsantrag –: Wir haben jetzt nicht für die eine Lösung plädiert. Vielmehr haben wir dafür plädiert, die bundesweite Begrenzung der Zahl der Optionskommunen auf 69 aufzuheben. Das heißt, alle Stadt- und Landkreise, die dies wollen, sollen die Zuständigkeit erhalten können.
Sie haben jetzt auch einen Änderungsantrag vorgelegt. Er unterscheidet sich von unserem lediglich in ein, zwei Punkten. Ziffer 4 Ihres Änderungsantrags beinhaltet quasi das, was auch schon im Koalitionsvertrag steht, nämlich die zukünftige Zusammenarbeit auf der Grundlage eines Mustervertrags zu regeln. Dagegen haben wir nichts.
Leider hat niemand von Ihnen etwas zu Ziffer 3 unseres Änderungsantrags gesagt, die sich gegen die Absenkung des Bundesanteils an den Kosten für Unterkunft richtet. Wie sich die Landesregierung am Freitag im Bundesrat zu diesem Punkt verhalten wird, ist für uns ganz entscheidend.
umzuformulieren. Die Ziffern 1 bis 3 Ihres Änderungsantrags unterscheiden sich kaum von den Ziffern 1 und 2 unseres Änderungsantrags.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Dann können Sie doch zustimmen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Stimmen Sie doch zu! Sagen Sie einfach Ja, Frau Sitzmann!)
Wir können vielleicht extern die Frage prüfen lassen, wie marginal die Unterschiede sind. Statt „so schnell wie möglich“, wie Sie in Ihrem Änderungsantrag schreiben, haben wir „bis zum 30. Juni 2010“ formuliert. Da erkenne ich keinen substanziellen Unterschied.