Protocol of the Session on November 4, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Alle Erfahrungen aus der Suchtarbeit zeigen, dass für eine gezielte Reduzierung des Alkoholkonsums verschiedene Maßnahmen notwendig sind: ein – wie die Suchtexperten sagen – Policy Mix, der zum Ersten auf Kontrolle und Einhaltung des

Jugendschutzgesetzes, zum Zweiten auf gezielte Präventionsstrategien und zum Dritten auf rechtliche Änderungen setzt.

Worüber wir heute in zweiter Lesung diskutieren, ist leider kein Maßnahmenpaket, das z. B. die Ausweitung der Präventionsarbeit oder die bessere Kontrolle des Jugendschutzgesetzes beinhaltet, sondern es handelt sich nur um ein Verkaufsverbotsgesetz. Der Verkauf von Alkohol an Verkaufsstellen wie Tankstellen, Kiosken und Supermärkten wird zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr verboten.

(Abg. Hans Heinz CDU: Ein Baustein!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Heinz, es ist völlig widersprüchlich, diesen Gesetzentwurf mit der Begründung zu verabschieden, damit den Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen eindämmen zu wollen, wie Sie oder der Herr Innenminister es heute Morgen gegenüber der dpa gesagt haben. Dafür nützt dieser Gesetzentwurf überhaupt nichts.

Das Hauptproblem ist doch nicht, dass sich Jugendliche nach 22:00 Uhr Alkohol kaufen. Den besorgen sie sich schon vorher; die sind ja nicht blöd.

(Abg. Hans Heinz CDU: Das ist doch Larifari!)

Nein, das ist nicht Larifari. Das Problem ist, dass sich Jugendliche vor 22:00 Uhr harten Alkohol kaufen können, dass sich unter 18-Jährige vor 22:00 Uhr auch schon mit harten Alkoholika eindecken können. Dieses Problem kann nur mit einer besseren Einhaltung und Überprüfung der schon bestehenden Gesetze gelöst werden, insbesondere des Jugendschutzgesetzes.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Dieser Gesetzentwurf – da ist die Messlatte keinen Millimeter höher gelegt worden –

(Abg. Hans Heinz CDU: Wir werden ja sehen!)

trägt gar nichts zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs bei Jugendlichen bei.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Das ist übrigens auch nicht das Ziel dieses Gesetzentwurfs. Das ist eine reine Symbolpolitik, eine Scheinlösung, die das Land letztlich auch nichts kostet. Grundsätzlich ist es eine billige Masche, per Gesetz Probleme lösen zu wollen, für deren Lösung man nicht bereit ist, Geld zu investieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Eine weitere Widersprüchlichkeit der Zielsetzung dieses Gesetzentwurfs, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist: Wer glaubt Ihnen denn Ihre Zielsetzung, ein politisches Signal des Gesetzgebers gegen den Alkoholmissbrauch setzen zu wollen, wenn Sie die Einschränkung der Verfügbarkeit durch ein Alkoholverkaufsverbot durch die Verkürzung der Sperrzeiten kompensieren?

(Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Gut so!)

Diese Dealerei ist unerträglich und macht den Gesetzentwurf komplett unglaubwürdig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich möchte den Landesvorsitzenden der Jungen Liberalen, Leif Schubert, zitieren. Treffender kann man es eigentlich gar nicht sagen:

Und selten war ein Kuhhandel offensichtlicher ein Witz und die Ausnahmen für kräftige Besäufnisse in Kneipen und auf Volksfesten bei der eigenen Wählerklientel so durchschaubar.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Glauben Sie wirklich, dass es gutes und schlechtes Trinken gibt nach dem Motto „Alkohol, den Gaststätten verkaufen, ist scheinbar kontrolliert und somit gut, aber Alkohol, den Verkaufsstellen verkaufen, ist problematisch und somit schlecht“? Was nützt ein Verkaufsverbot im Handel, wenn der Verkauf von Alkohol in der Gastronomie ausgeweitet wird?

(Zurufe der Abg. Dietmar Bachmann und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Wo leben Sie denn, Kollege Bachmann? Die gesamte Gastronomie – das müssten Sie als Stuttgarter eigentlich wissen – stellt sich doch schon auf den Gassenausschank ein. Das Einzige, was sich jetzt ändert, ist der Preis. Die Getränke werden teurer, und sonst ändert sich gar nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, verfolgt das Gesetz zwar ein hehres Ziel; es ist aber inhaltlich und handwerklich so schlecht gemacht, dass es wirklich zu reiner Symbolpolitik verkommt. Die Landesregierung führt in der Begründung des Gesetzentwurfs selbst aus, dass der Konsum von Alkohol durch Verfügbarkeit, Preisgestaltung und Werbeverbote effektiv reduziert wird.

Wir fordern die Landesregierung auf, auch für diese Bereiche Vorschläge vorzulegen. Vor allem die Auswirkungen von Werbung sind ein wichtiges Thema. Dazu hat die DAK ganz aktuell eine Studie vorgelegt. Diese kommt zu dem alarmierenden Ergebnis: Je mehr Alkoholwerbung Jugendliche schauen, desto mehr Alkohol trinken sie. Deshalb ist es aus unserer Sicht dringend notwendig, für diese Bereiche seitens der Politik Rahmenbedingungen zu schaffen. Das können wir auf allen politischen Ebenen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Da ist natürlich auch die kommunale Ebene aufgerufen. Sie kann bei der Vergabe der Werberechte im öffentlichen Straßenraum entsprechende Auflagen machen.

Fazit: Wir stimmen Artikel 2 des Gesetzentwurfs zu. Das ist das Verbot von Flatrateangeboten. Das Gesetz in Gänze werden wir ablehnen. Wir fordern die Landesregierung vielmehr auf, dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Jugendschutz

bestimmungen flächendeckend überwacht wird. Wir fordern sie außerdem dazu auf, für eine ausreichende Prävention zu sorgen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Kluck.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FDP/DVP-Fraktion wird dem Gesetz zur Abwehr alkoholbeeinflusster Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung während der Nachtzeit und zum Schutz vor alkoholbedingten Gesundheitsgefahren mehrheitlich zustimmen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Ich sage aber gleich: Wir tun das nicht gern. Unser Jawort fällt uns nicht deshalb schwer,

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Keine Liebeshei- rat!)

weil dieses Gesetz eine so komisch sperrige Überschrift trägt. Vielmehr sind wir von der Wirkung dieses Verbotsgesetzes nicht so recht überzeugt. Wer nachts saufen will, kann sich den Stoff bis 22:00 Uhr besorgen.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Weil unmäßiger Alkoholkonsum aber unbestritten eine wichtige Rolle beim Anstieg der Zahl der Gewaltdelikte spielt, ist uns die Sache einen Versuch wert. Nach spätestens drei Jahren werden wir prüfen, ob das Gesetz etwas gebracht hat.

Die heutige Debatte hat auf alle Fälle keine neuen Erkenntnisse gebracht. Dass Verbote nicht weiterhelfen, wird mittlerweile selbst an der Spitze der CDU-Fraktion erkannt. Wir konnten der „Bild“-Zeitung entnehmen, dass auch Kollege Mappus grundsätzlich nichts gegen einen Alkoholverkauf an Tankstellen hat.

Da ist mir, Frau Kollegin Lösch, ein Witz eingefallen, den mir ein grüner Stadtratskollege einmal erzählt hat: Wenn der Liter Benzin 5 € kostet und die letzte Tankstelle geschlossen ist, werdet ihr merken, dass es im Fahrradladen kein Sixpack zu kaufen gibt.

(Vereinzelt Heiterkeit – Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Tätä, tätä, tätä! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ- NE)

Es ist aber in der Tat so – da muss ich dem Kollegen Heinz leider recht geben –, dass wir vorwiegend am Freitag- und am Samstagabend in manchen Städten eine schwierige Situation haben. Da gibt es wenig zum Lachen. Da wird auf Supermarktparkplätzen und an Tankstellen zu viel Falsches „getankt“.

Mit diesem Gesetz soll nun versucht werden, die Nachschubwege für dieses Vorglühen und das Komasaufen abzuschnei

den. Allein bringt das nichts. Ich kann nur immer wieder betonen: Nur in einer guten Mischung mit Aufklärungsaktionen und Hilfsangeboten

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Policy Mix!)

können Verbote zum Erfolg führen. Hier sind Elternhäuser und Schulsozialarbeit, Jugendämter und offene Jugendarbeit, Polizei und kommunale Ordnungsbehörden gemeinsam gefragt.