Protocol of the Session on October 8, 2009

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch. Sie haben noch eine Minute und 51 Sekunden Redezeit, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für diese konstruktive, sachliche Diskussion zum Thema „Abgabe von Diamorphin in Baden-Württemberg“ und würde gern den Verfahrensvorschlag machen, die Anträge zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen und das Thema dann noch einmal aufzurufen, wenn auf Bundesebene die Entscheidungen getroffen worden sind und die Richtlinien für Baden

Württemberg vorliegen. Ich bin gespannt, ob wir dann, wenn es darum geht, wo die Abgabe konkret erfolgt, noch immer so einvernehmlich diskutieren.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das kommt auf die Grünen und die Roten an!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen deshalb zur Behandlung der Anträge. Es ist Überweisung aller drei Anträge – Drucksachen 14/3105, 14/4788 und 14/4956 – an den Sozialausschuss vorgeschlagen. Stimmen Sie dem zu? –

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja!)

Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Damit ist Punkt 10 der Tagesordnung abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

a) Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der

Landesregierung – Wettbewerbsverfahren im Schienennahverkehr in Baden-Württemberg bis 2016 – Drucksache 14/3103

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Innenministeriums – Planungen für die Vergabe für Wettbewerbsverfahren im Schienen-Personen-Nah verkehr (SPNV) transparent machen – Drucksache 14/4357

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Innenministeriums – Qualitätsverbesserung im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) durch einen verbesserten Verkehrsvertrag sicherstellen – Drucksache 14/4330

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu b und c je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort zu a fünf Minuten.

Wem darf ich für die Fraktion GRÜNE das Wort erteilen? – Herr Abg. Walter, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal eine erfreuliche Feststellung: Es ist ein Verkehrsthema auf der Tagesordnung, und wir reden trotzdem nicht über Stuttgart 21 – oder bestenfalls nur am Rande.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Super, wenn Sie wider- stehen! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Super Ein- stieg! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Aber wir reden nicht über „Grüne gegen Schiene“!)

Weniger erfreulich ist, dass wir seit 2003 mit einem Verkehrsvertrag leben, der Ihnen selbst mittlerweile nicht mehr ganz geheuer oder fast schon peinlich ist. Denn Sie verweisen bei unseren Forderungen nach mehr Wettbewerb – ich frage mich:

wo bleiben da die Liberalen? – immer wieder darauf, dass Sie bis 2016 vertraglich gebunden sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sachlich richtig!)

Meine Damen und Herren, bis dahin werden gerade einmal läppische 20 % des Auftragsvolumens in den Wettbewerb gegangen sein.

Zur selben Zeit, als wir unseren Vertrag geschlossen haben, hat ein anderes Bundesland – damals rot-grün regiert; die haben dann Wettbewerb gemacht, Herr Kollege Bachmann – einen Vertrag abgeschlossen, bei dem bis 2013 alle Schienennahverkehrsleistungen ausgeschrieben werden. Wir haben einmal grob ausgerechnet, welche Summe das Land der DB wegen seiner Wettbewerbsunlust schenkt. Bundesweit zeigt sich, dass die Länder durch Wettbewerbsverfahren etwa 30 % bei den Bestellerentgelten einsparen können. Baden-Württemberg hätte daher mit einem Vertrag, wie ihn Schleswig-Holstein im Jahr 2003 abgeschlossen hat, bis 2016 fast 1 Milliarde € sparen können. Diese Gelder fehlen uns nun schmerzlich. Sie alle wissen, wie die Zugangebote gekürzt wurden.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

All das wäre nicht nötig gewesen, hätten wir das ausgeschrieben. Das Geld ist nun weg. Wir können es leider nicht mehr ändern.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Es ist nicht weg, son- dern woanders!)

Das heißt aber: Aus den Fehlern, die wir hier in der Vergangenheit gemacht haben, müssen wir lernen. Leider habe ich den Eindruck, meine Damen und Herren, dass dieser Lernprozess bei der Landesregierung noch nicht im richtigen Maß angefangen hat.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Komm!)

Im Gegenteil: Immer wieder stellen wir beim Einbringen von Initiativen fest, dass hier mit einer Salamitaktik gearbeitet wird. Noch 2003 hatten Sie hoch und heilig versprochen, dass 2016 das gesamte Restvolumen aus dem alten Vertrag in den Wettbewerb geht. Fachleute haben darüber nur den Kopf geschüttelt. Seit Anfang dieses Jahres wissen wir: Inzwischen hat auch die Landesregierung erkannt, dass man ein solches Auftragsvolumen nur gestaffelt über mehrere Jahre auf den Markt bringen kann und dass Sie darüber dann auch einmal ernsthaft mit der DB verhandeln müssen.

Anfang Mai haben Sie in der Stellungnahme zu unserem Antrag, über den wir heute sprechen, zwar ausgeführt, Sie wollten das Restvolumen nun zeitlich gestaffelt in den Wettbewerb geben. Allerdings mussten wir zwei Wochen später feststellen, dass Sie im Amtsblatt der EU verkündet haben, dass Sie einen Riesenanteil des Verkehrs rund um Stuttgart ohne Wettbewerb direkt vergeben wollen. Wir fragen uns: Wo bleibt da die zeitliche Staffelung, die Ausschreibung, wo bleibt der Wettbewerb, wenn dann doch alles wieder an die Deutsche Bahn geht? Sie haben zwar nicht gesagt, an wen es geht, aber es war ja offensichtlich, an wen.

Jetzt können wir uns heraussuchen: Was stimmt nun eigentlich? Stimmt das, was Sie in der Stellungnahme zu diesem Antrag geschrieben haben, oder gilt die komplett andere Wei

chenstellung, die Sie zwei Wochen später vorgenommen haben? Was ist Ihr Plan für die Zukunft? Vielleicht erfahren wir heute mehr darüber, wohin nun eigentlich die Reise gehen soll. Aber schon im Bereich um Stuttgart, der ja ein wichtiger Teil des Schienennahverkehrs in Baden-Württemberg ist, sind Sie bereits wieder in die falsche Richtung gegangen.

Einen sachlichen Grund für diesen erneuten Wettbewerbsverzicht können wir schlichtweg nicht erkennen. Vielleicht wird der Grund heute noch etwas erhellt.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger, in der ja auch unsere Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg Mitglied ist, warnt sogar ausdrücklich vor Direktvergaben, weil diese rechtlich auf wackligen Füßen stehen.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das ist doch ein ganz anderes Problem!)

Zwar hat die EU inzwischen nichts mehr dagegen, aber die deutsche Vergabeverordnung gilt trotzdem, Herr Kollege Scheuermann.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Sie gilt nicht durchweg!)

Es fällt geradezu ins Auge: Was immer die Landesregierung beim Bahnverkehr anpackt – die DB kann sich gelassen zurücklehnen, weil von der Landesregierung keine Gefahr ausgeht. Bis 2015 ist nicht damit zu rechnen, dass sich irgendetwas an der bisherigen Vergabepraxis ändern wird. Herr Kollege Scheuermann, ich kenne ja Ihr leidenschaftliches Engagement für den Nahverkehr. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass das in Ihrem Sinn ist. Bundesweit – Herr Kollege Scheuermann, das wissen Sie genauso gut wie wir – ist es geradezu einmalig, dass so etwas geschieht.

Jetzt kommt doch noch ein kleiner Bezug zu Stuttgart 21: Ich glaube, das ist einfach der Preis, den wir bezahlen, damit die DB bei diesem Projekt bei der Stange bleibt und nicht endlich abspringt – was angesichts der Kostenexplosion eigentlich angeraten wäre.

(Abg. Thomas Bopp CDU: Ich glaube, ihr habt ein Trauma!)

Nein. Das Traumatische wird dann nur euer Haushalt sein.

Auch die Auswahl der Strecken, die jetzt vorzeitig aus dem Vertrag gelöst werden sollen, überzeugt uns nicht. Neben der geplanten Direktvergabe an die DB soll es ja auch noch ein Wettbewerbsverfahren geben. Doch auch dieses Paket besteht hauptsächlich aus Strecken, die erst ab 2014 befahren werden können.

Ein Problem ist natürlich, dass die Konkurrenten – das räumen wir ein – durch die Baumaßnahmen für Stuttgart 21 nicht seriös kalkulieren können; das haben uns die Erfahrungen mit der S-Bahn-Ausschreibung ja gezeigt. Das Ergebnis ist vorhersehbar, meine Damen und Herren: Es gibt keinen wirklichen Wettbewerb und nur eine geringe oder gar keine Ersparnis.

Immer wieder klagen Pendler über überfüllte Züge. Der Kollege Scheuermann hat das Thema auch schon angesprochen und von Erfahrungen berichtet, die er auf der Fahrt von sei

nem Wohnort hierher nach Stuttgart macht. Wir bekommen immer wieder die Briefe, in denen sich Fahrgäste über die Situation beispielsweise im Bereich um Freiburg beklagen. Die se Menschen stehen sich noch bis mindestens 2016 die Füße in den Bauch, weil die Landesregierung nicht wahrhaben will, dass man durch Ausschreibung zu einer Fahrplanverbesserung kommen kann.

Lassen Sie mich noch etwas zu dem Antrag sagen, den die Kollegen der SPD eingebracht haben.

(Abg. Ingo Rust SPD: Der ist gut!)

Das habe ich gar nicht in Abrede gestellt. Die darin aufgeführten Fragen mögen gut sein, aber was die Antworten angeht, Herr Kollege Rust, sind wir uns sicherlich einig: Das Orakel von Delphi hätte uns vielleicht sogar mehr gesagt.

(Heiterkeit des Abg. Ingo Rust SPD)