Protocol of the Session on October 7, 2009

Das ist das eine.

Das andere: Ich wundere mich, dass man so tut, als ob man im Tal der Ahnungslosen wäre.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Nein, nein. – Wir haben auf eine Anfrage der Grünen – –

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD, zur CDU deutend: Das da sind die Ahnungslosen!)

Ich will auf die Kritik antworten, die jetzt eingebracht wurde, man hätte keine Möglichkeit, sich Gedanken zu machen oder gar konkret zu werden. Wir haben auf eine Anfrage der Grünen nach der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres in aller Klarheit gesagt: Nach dieser Steuerschätzung ergibt sich aufgrund des strukturellen Defizits sowie der Mindereinnahmen für 2010 ein Haushaltsloch von 3,1 Milliarden € und für 2011 ein Haushaltsloch von 3,7 Milliarden € als Ausgangspunkt. Seit diesem Tag habe ich den Briefkasten am Finanzministerium sperrangelweit offen – Tag und Nacht –, aber Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass da noch kein einziger Sparvorschlag angelandet ist. Das heißt, wenn man seit Mai weiß – man beklagt ja, nicht richtig mitreden zu können –, dass aufgrund der Wirtschaftsentwicklung diese Löcher entstehen,

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber die Haushaltslage wird doch nur noch schwieriger!)

und wenn man weiß, dass wir die Schwierigkeit haben, die Konjunkturförderung und die Konsolidierung in Einklang zu bringen, hätte man sich beteiligen können.

Stattdessen – Herr Schmiedel, ich habe noch im September ein entsprechendes Interview gelesen – kommt nichts anderes als neue Forderungen: Man müsse im Straßenbau zulangen, man müsse für die Konjunktur mehr tun, ebenso im Bereich der energetischen Sanierung und, und, und. Sie sind dabei allerdings ehrlich; Sie sagen gleichzeitig: „Ich lechze geradezu nach einer Neuverschuldung.“ Sie sagen präzise: „Ich will noch mehr machen“ – und das ungeachtet dessen, dass manches im Baubereich gar nicht machbar ist, weil die Preissteigerung uns davonläuft.

Kurzum – man muss das einfach einmal konkret wissen –: Es hat keinen Wert, zu sagen: „Ich kann nicht mitwirken.“ Ihre Mitwirkung kennen wir. Das ist nichts anderes als das Stellen von Forderungen: immer mehr und immer mehr. Die Verschuldung spielt für Sie ja keine Rolle. Der Bund verschuldet sich im nächsten Jahr mit zusätzlich 100 Milliarden €. Andere Länder will ich gar nicht anführen, insbesondere keine Länder mit Regierungsbündnissen aus SPD und Linken. Es ist ja geradezu gigantisch, dramatisch, was Berlin sich vorgenommen hat.

Also kurzum: Wenn Sie in den nächsten Wochen einen ganz konstruktiven Beitrag leisten möchten, dann sinnieren Sie da

rüber, was denn für die Konjunktur nicht existenziell ist und deshalb unterlassen werden kann. Wir haben den ersten wichtigen Schritt getan, den man aus vergangenen Jahren kennt: Die erste Bringschuld der Ressorts ist, dass sie mit Blick auf eine mögliche Klemme oder ein mögliches Finanzierungsloch das „ausmosten“, was entfallen kann, und dem gegenüberstellen, was mit Blick auf die Konjunktur unabdingbar ist. Das ist der Auftrag, der jetzt ergangen ist und eine Größenordnung von vorläufig 500 Millionen € für das Jahr 2010 – wir werden noch staunen, wie schwierig das ist, und zwar nicht nur für die Regierung, sondern für alle, die in diesem Land BadenWürttemberg Politik machen – und 700 Millionen € für das Jahr 2011 vorsieht. Der Unterschied rührt daher, dass, wie wir alle wissen, 2010 ein Jahr ist, in dem Konjunkturhilfen benötigt werden, während für 2011 Hoffnung besteht, dass das, was ich zum Wachstum gesagt habe, eintreffen wird. In diesem Sinn bitte ich jetzt darum, diesen Dritten Nachtrag zu verabschieden.

Noch eines – Herr Schlachter, Sie haben es angesprochen –: Wir brauchen nach der Haushaltsordnung auch dann, wenn Mindereinnahmen zu verzeichnen sind, grundsätzlich nicht gleich einen weiteren Nachtrag. Wir haben zwar beim Zweiten Nachtrag erkennbare Mindereinnahmen abgedeckt und gleichzeitig den Bürgschaftsrahmen einmütig auf 1,2 Milliarden € erhöht; das haben wir getan. Das ist aber haushaltsrechtlich so lange nicht notwendig, wie das mit Rücklagen abgedeckt werden kann. Gott sei Dank gibt es diese Rücklagen.

(Abg. Claus Schmiedel und Ingo Rust SPD: Altschul- den!)

Herr Rust, Sie können reden, wie Sie wollen. Das waren zwei Jahre ohne neue Schulden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Altschulden!)

Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wären wir nie zu diesen zwei Jahren Nullneuverschuldung gekommen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig! So ist es! – Zuruf von der SPD: Das ist Quatsch! Das ist ein reiner Rechen- trick!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Ministerpräsident Oettinger das Wort.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt kommt die Wahr- heit ans Licht!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es klarzumachen: Wir legen auf Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit und zeitgerechte Beratungen großen Wert.

(Beifall bei der CDU)

Was heißt dies?

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Ab nächstem Jahr, ab übernächstem Jahr?)

Erstens: Der Landeshaushalt für die beiden Jahre 2010 und 2011 wird termingerecht, wie im Landtag geplant und abge

stimmt, in Rechtskraft treten. Das heißt, die dritte Lesung wird am 10. Februar stattfinden. Damit haben wir, wie ursprünglich geplant, zu einem frühen Zeitpunkt des Jahres Freiheit für die Verwendung der Mittel der Programme und damit für die Landespolitik.

Zweitens: Dieser Haushalt wird in den Finanzausschuss gebracht und dort, wie vereinbart und wie geplant, im Januar beraten.

Drittens: Es gibt eine einzige zeitliche Veränderung, die aber viele Vorzüge hinsichtlich Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit mit sich bringt: Wir bringen den Haushalt acht Tage später ein. Dies tun wir, weil in Anbetracht der Drucklegung und des Kabinettsbeschlusses nur dadurch folgende, weitreichende Veränderungen im Umfeld, auf die wir nur indirekt, aber nicht direkt Einfluss haben, ohne Nachschiebeliste in den Haushaltsentwurf der Landesregierung einbezogen werden können.

Eine Bundestagswahl kann man im Ergebnis aus Ihrer Sicht beklagen oder wie wir begrüßen. Die künftige Wirtschafts-, Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik einer CDU/CSU-FDPRegierung ist eine herausragende Grundlage auch für unsere Wirtschafts- und Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ohne Antwort auf die Frage – ich sage das wertfrei –, ob man bei Landessteuern, die im Bundesgesetz stehen – Stichwort Erbschaftsteuer –, oder bei Gemeinschaftssteuern Steuersenkungen und Reformen vornimmt und, wenn ja, in welchem Umfang dies geschehen soll, ist doch ein Kabinettsbeschluss sinnlos. Nur auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarung in Berlin macht die Haushaltsberatung in Baden-Württemberg wirklich umfassend Sinn. Ob z. B. Steuersenkungen im Umfang von 5 Milliarden €, von 15 Milliarden € oder von 35 Milliarden € kommen, ob sie schon am 1. Januar des nächsten Jahres oder in Stufen oder im nächsten Jahr noch gar nicht in Kraft treten werden, ist doch etwas, was den Landtag von Baden-Württemberg interessieren wird und entschieden sein und dann in unseren von der Landesregierung zu verantwortenden Haushaltsentwurf eingepasst werden muss. So einfach ist das.

Jetzt wissen wir, dass CDU, CSU und FDP den Ehrgeiz haben, dass bis zum 9. November 2009 die neue Bundesregierung steht, dass bis Ende Oktober der Koalitionsvertrag steht. Genau deswegen ist diese eine Woche spätere Einbringung des Haushalts ideal und führt dazu, dass unser Landeshaushalt – in voller Verantwortung von CDU und FDP/DVP im Landtag und in unserer Regierung – der erste ohne eine Nachschiebeliste ist. Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit werden bei uns mehr als in jedem anderen Land in Deutschland im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn z. B. auf Bundesebene zum 1. Januar nächsten Jahres eine Steuersenkung von nur 8 Milliarden € in Kraft träte – Stichwort Kinderfreibetrag, Stichwort „Geringerer Eingangssteuersatz im Einkommen- und Lohnsteuerrecht“, Stichwort „Abflachung des Mittelstandsbauchs“, Stichwort „Kalte Progression“ –, dann bedeutete dies, dass den Ländern und Kommunen über 4 Milliarden € fehlen, dass Baden-Württemberg

tendenziell netto 200 Millionen € bis 300 Millionen € fehlen. Diesen Betrag würde ich gern kennen, bevor mein Kabinett den Haushaltsentwurf beschließt.

Da die Koalitionsverhandlungen absehbar sind und – wie gesagt – die Termine feststehen – Ende Oktober die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags und am 9. November Wahl und Vereidigung der Kanzlerin im Deutschen Bundestag –, macht die um eine Woche verzögerte Einbringung des Haushalts Sinn, damit nicht das, was wir in Druck geben, von vornherein Makulatur ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Hinzu kommt, dass die künftige Bundesregierung eine Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für das Jahr 2010 in Auftrag gegeben hat, die früher als erwartet schon um den 20. Oktober 2009 herum vorgelegt wird. Diese Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die am 20. Oktober kommt – also in zwei Wochen; so lange werden Sie doch hoffentlich noch Geduld haben –, ist die Grundlage für die Steuerschätzung und für unsere Haushaltsberatungen insgesamt. Am 3. November 2009 kommt die Steuerschätzung auch in Bezug auf die regionale Entwicklung. All diese Grundlagen sind zumindest mir wichtig, und sie sollten jedem Abgeordneten vor den Beratungen über den Haushalt 2010/2011 und vor diesbezüglichen Festlegungen wichtig sein.

Deswegen haben wir gestern vorläufige Einsparvorgaben gemacht. Kollege Stächele hat dies für das nächste und übernächste Jahr gemacht. Diese Beträge werden – egal, wie groß die Deckungslücke sein wird, die derzeit auch nicht annähernd absehbar ist – in jedem Fall als Teil der Deckung notwendig sein. Da gibt es die Chance, dass die Deckungslücke nicht ganz so groß wird, und es gibt Worst-Case-Szenarien. Ausgehend von der Mai-Steuerschätzung einerseits und der Mifrifi des Landes andererseits haben wir Deckungslücken ausgemacht. Jetzt kommen mögliche Steuersenkungen hinzu. Es kommen mögliche zwangsläufige Mehrausgaben hinzu. Es kommt vielleicht aber auch eine etwas weniger schlechte wirtschaftliche Prognose für 2010, als im Mai unterstellt wurde.

Wir haben also einige Stellschrauben, die in die schlechtere Richtung und damit in eine größere Deckungslücke führen, und wir haben eine oder zwei andere, die dafür vielleicht in die bessere Richtung führen. Diese abzusehen ist mir wichtig. Dann kommt Kollege Stächele am 17. Dezember mit einem auf den aktuellen Prognosen und Grundlagen aufgebauten Haushaltsentwurf. Dieser dient mit Sicherheit dem Ziel der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

Ich nenne Ihnen folgende Vergleichszahlen: Nordrhein-Westfalen geht im nächsten Jahr von 6,7 Milliarden € neuen Schulden aus.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Katastrophe!)

Hessen, das weit kleiner als Baden-Württemberg ist, geht im nächsten Jahr von 3,1 Milliarden € neuen Schulden aus. Niedersachsen geht von knapp 2 Milliarden € neuen Schulden aus. Rheinland-Pfalz, das nicht einmal halb so groß ist wie Baden-Württemberg, geht von 2,3 Milliarden € neuen Schulden aus, Berlin von 2,8 Milliarden € und Hamburg von 1,8 Milliarden €.

Ich sage Ihnen: Mein Ehrgeiz besteht darin, im Vergleich zu diesen Ländern in jedem Fall absolut und pro Kopf deutlich besser in das Haushaltsjahr 2010 zu gehen. Dafür steht noch einiges an Aufgaben an. Die trauen wir uns zu. Wir legen dem Landtag genau acht Tage später, aber dann ein Vierteljahr zeitgerechter und aktueller, einen Haushaltsentwurf vor, der auch dem entspricht, was parallel in Berlin gemacht wird. Berlin zu beobachten ist immer gut. In diesem Fall lohnt es sich im Besonderen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Abg. Schmiedel, das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, die Worte haben wir gehört, aber das sind lauter Ausflüchte.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Ihr wollt doch nur Radau! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Der Finanzminister hat die Marschroute seiner Haushaltsaufstellung, die ja schon läuft, aufgezeigt. Er hat gesagt: Wir schauen überall, wo wir etwas sparen können, was wir nicht unbedingt brauchen und wo ein Verzicht nicht konjunkturschädlich ist.

(Abg. Ingo Rust SPD: Genau!)