Protocol of the Session on October 7, 2009

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit aber noch etwas zu dem sagen, was in den letzten Tagen und insbesondere auch heute in den Zeitungen zum Thema Haushalt stand. Wir haben für die Jahre 2008 und 2009 einen Haushalt ohne Aufnahme neuer Schulden vorgelegt. Nicht nur dies: Wir haben auch Rücklagen für schwierigere Zeiten gebildet.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Andere Länder haben in dieser Zeit Schulden gemacht, insbesondere solche Länder, die von Ministerpräsidenten geführt werden, die der SPD angehören.

Es ist auch klar, dass in wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten im Ausnahmefall möglicherweise Schulden gemacht werden müssen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was heißt „möglicher- weise“?)

Aber ob und, wenn ja, in welcher Höhe wir eine Schuldenaufnahme für das nächste Jahr beschließen, wird die Regierung zusammen mit den Koalitionsfraktionen rechtzeitig entscheiden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zaudern und Zögern! – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wollen jetzt doch nur eine Zahl hören, nämlich wie hoch die Neuverschuldung im nächsten Jahr möglicherweise ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD, einen Presseartikel in die Höhe haltend: Da! Rekord!)

Egal, was wir nennen: Sie werden dann dagegen sein. Sie werden das nur kritisieren und sagen, wir würden zu wenig sparen. Auf diese Polemik fallen wir nicht herein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wir halten es für richtig, dass die Landesregierung jetzt alle Sparmöglichkeiten auslotet. Wir halten es auch für richtig, dass die zwei großen Brocken, die vor uns stehen, mit im Haushalt berücksichtigt werden.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Dabei handelt es sich zum einen um das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in Berlin und die Frage: Welche Auswirkungen hat dieses Ergebnis auf das Land im nächsten und im übernächsten Jahr? Der zweite große Brocken ist: Was bringt die Steuerschätzung am 3. November? Sie wird den Haushalt in einem Umfang beeinflussen, wie das in den letzten Jahren nicht der Fall gewesen ist.

Wenn über diese drei Punkte Klarheit besteht – erstens Ausloten aller Einsparmöglichkeiten im Haushalt, zweitens die Auswirkungen der Koalitionsverhandlungen auf das Land und drittens die Ergebnisse der Steuerschätzung –, dann wird die Landesregierung zusammen mit den Koalitionsfraktionen einen Haushalt beschließen und dem Landtag vorlegen.

Diesen Weg halten wir von der CDU-Fraktion für richtig und gangbar. Deshalb haben wir dies auch so beschlossen. Wir werden einsparen und, wenn nicht vermeidbar, in einem geringen Umfang – als Ausnahme – neue Schulden aufnehmen.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Aber deren Höhe kann jetzt nicht beziffert werden. Das ist erst am Ende des von mir dargestellten Prozesses möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: „Geringer Umfang“!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rust das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen die Vorlage dieses Nachtragshaushalts. Es ist selbstverständlich richtig, dass die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz auch bei uns im Land umgesetzt werden und dass dafür gesorgt wird, dass ein ausreichender Impfschutz vorliegt. Es ist selbstverständlich auch richtig, dass wir den Absolventinnen und Absolventen der Ingenieur- und Naturwissenschaften eine Brücke über die Wirtschaftskrise bauen. Wir stimmen dem Nachtrag deshalb zu.

(Beifall der Abg. Hagen Kluck und Beate Fauser FDP/DVP)

Aber nun auch von mir, Herr Herrmann, einige Worte zur gegenwärtigen Haushaltspolitik des Landes. Es ist schon skurril, wenn wir hier über – ich möchte nicht sagen „Peanuts“ – relativ kleine Beträge in einem Nachtragshaushalt diskutieren, während andere Bundesländer – ich nenne z. B. Nord rhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen – bereits jetzt Haushaltsberatungen haben.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Mit Rekordverschul- dung! – Gegenrufe der Abg. Dr. Nils Schmid SPD und Franz Untersteller GRÜNE – Gegenruf des Abg. Klaus Herrmann CDU: Wenn ihr das wollt, ist das in Ordnung! Aber wir sind in der Regierung!)

Es ist schon merkwürdig, dass das in allen anderen Ländern geht und bei uns nicht. Es ist auch merkwürdig, Herr Herrmann, dass sich die Landesregierung nicht einmal mehr dafür entschuldigt, dass sie Jahr für Jahr gegen Recht und Gesetz verstößt, indem sie den Haushalt zu spät einbringt – nicht einmal mehr entschuldigt!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Da können Sie jetzt den Kopf schütteln. Aber ich lese Ihnen aus der Landesverfassung vor – es empfiehlt sich, da ab und zu einmal hineinzuschauen –:

Die Feststellung

des Landeshaushalts –

soll vor Beginn des Rechnungsjahres... erfolgen.

Es gibt sogar ein genaues Datum in der Landeshaushaltsordnung. Dort heißt es:

Der Entwurf des Haushaltsgesetzes ist … bis zum 30. September … im Landtag einzubringen.

Gegen dieses Gesetz verstößt die Landesregierung Jahr für Jahr und auch dieses Jahr wieder.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zurufe von der SPD: Unglaublich! – Gegenrufe von der CDU)

Das ist unglaublich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Jahren gab es wenigstens einmal Eckpunkte – einmal vor den Sommerferien, einmal nach den Sommerferien –, damit man wusste, worauf man sich einstellen muss. In diesem Jahr gibt es nicht einmal mehr diese Eckpunkte. Ich weiß, dass es auch in Ihren Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, grummelt. Ich weiß, dass es auch bei Ihnen Stimmen gibt. Heute wird Kollege Lasotta sogar in der Presse zitiert: „Wir brauchen endlich Zahlen“ – da hat der Kollege Lasotta recht –, um angemessen auf die Wirtschaftkrise reagieren zu können.

Ich würde mir schon wünschen, dass Sie nicht nur im Hintergrund grummeln, sondern die Landesregierung endlich einmal auffordern, Ihnen Zahlen vorzulegen. Denn das Verfahren, wie es momentan betrieben wird, das Immer-weiter-Hinauszögern, dieses Zaudern der Landesregierung schadet dem Ansehen des Landtags. Wir sind Haushaltsgesetzgeber, wir haben das Haushaltsverfahren in der Hand und nicht die Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb seien Sie mit uns auf der Seite des Parlaments, und fordern Sie die Landesregierung auf, bald Zahlen vorzulegen.

(Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Noch ein Punkt zum Haushalt. Sie haben es wieder angesprochen, Herr Herrmann. Ich bin es schon fast leid, dies gebetsmühlenartig zu wiederholen. Hören Sie auf mit der Mär von der Nullneuverschuldung in Baden-Württemberg. Wir haben dieses Jahr keine Nullneuverschuldung. Hören Sie auf, diesen alten buchhalterischen Trick, den Sie angewandt haben, nämlich im Jahr 2007 Schulden aufzunehmen, in die Rücklage einzustellen und sie im Jahr 2009 wieder herauszunehmen, als Nullneuverschuldung zu verkaufen. Das ist keine Nullneuverschuldung. Sie leben von den Schulden von 2007 und haben in diesem Jahr eben keinen ausgeglichenen Haushalt. Hören Sie deshalb auf mit dieser Mär.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Schenken Sie den Menschen reinen Wein ein. Diese Art von Nullneuverschuldung haben wir in Baden-Württemberg nicht und werden sie auch in den künftigen Jahren nicht haben. Dazu hätte ich heute schon ein Wort erwartet. Sie haben gesagt, vielleicht würden wir in den kommenden Jahren Neuverschuldung brauchen. Wir werden sie sicher brauchen.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Es gibt keine andere Chance. Wenn Sie die Haushaltslücken für die nächsten Jahre realistisch betrachten, werden Sie feststellen, dass wir um eine Neuverschuldung nicht herumkommen. Also hören Sie auf mit diesem größten Etikettenschwindel, den es in Baden-Württemberg je gab. Diese Nullneuverschuldung gab es nicht und gibt es nicht. Also hören Sie auf, den Menschen weiter diese Mär zu erzählen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Schlachter das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt aber sachlich bleiben!)

War das schon einmal anders?

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minis ter, Sie legen heute einen Nachtragshaushalt vor. Nachtragshaushalte sollen vorgelegt werden bei außerordentlichen Ausgabesituationen, aber auch bei wesentlichen Einnahmeveränderungen und bei sich verändernden Erwartungen. Das Ärgerliche ist jedoch, dass das Wesentliche, was in diesen Wochen und Monaten stattfindet, nämlich die Veränderungen der finanzwirtschaftlichen Daten, in diesem Nachtrag überhaupt nicht berücksichtigt ist. Nichts ist zu finden von drastischen Rückgängen bei den Steuereinnahmen, nichts von klaffenden Deckungslücken – alles Fehlanzeige. Daher, Herr Finanzminister, ist es ein Nachtragshaushalt des Wegschauens oder vielleicht der Illusionen oder des Anbetens der Nullverschuldung für die Zukunft. Jedenfalls ist es nicht das, was wir als realistische Politik, als Politik der Wirklichkeit sehen. Ich meine aber, wenn wir den Haushalt jetzt anschauen, dann brauchen wir eine Betrachtung der Wirklichkeit.

Ihre „Betrachtung der Wirklichkeit“ beginnt schon beim Ignorieren von gesetzlichen Rahmenbedingungen.