Protocol of the Session on July 30, 2009

Mit Gesetzen und Verboten hat man Menschen noch nie anders gemacht, als sie sind.

Ich habe neulich in einer Tageszeitung – ich weiß jetzt nicht mehr, in welcher; man möge mir das verzeihen – einen sehr richtigen Satz gelesen, der sinngemäß lautete: Jeder junge Mensch und jeder Mensch überhaupt muss den Umgang mit Gefahren – in diesem Fall mit den Gefahren aus übermäßigem Alkoholkonsum – selbst begreifen, erlernen und für sich definieren.

Aber wir müssen jungen Menschen, der Gesellschaft und der Polizei dabei helfen, dieses Problem zu bewältigen. Die Polizei ist jedoch nicht der Ort, an dem die gesellschaftlichen Probleme allesamt abgeladen werden können.

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Die Polizei wird aber mit diesem Problem zunehmend überfordert, wenn sich in den Nachtstunden zwischen 22:00 und 5:00 Uhr das abspielt, was an unseren öffentlichen Plätzen zunehmend stattfindet.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es ein Beitrag, ein Baustein – allerdings ein wichtiger. Es ist ein wichtiges Zeichen, das wir als Gesellschaft, als Staat, als Land setzen müssen. Wir tun dies. Ich bin überzeugt davon: Es wird uns weiterhelfen. Aber wir sind natürlich noch längst nicht dort, wo wir hinkommen müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heinz für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren über das Thema Alkoholmissbrauch. Ich glaube, zuletzt haben wir im April dieses Jahres darüber gesprochen.

Ich stelle fest, dass sich nun immer mehr Leute auch über Baden-Württemberg hinaus für dieses Thema interessieren. Man bekommt Anfragen von Journalisten: Was macht ihr da? Warum wollt ihr das?

Die Antwort kann man eigentlich relativ leicht geben: Wir haben ein Problem. Dieses Problem haben wir hier, wie gesagt, schon mehrfach diskutiert und beschrieben. Ich will auch immer wieder betonen: Das Problem mit dem Verbot anzugehen ist nur eine Seite. Der Minister hat das gerade auch angesprochen. Für mich ist klar: Es gibt einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Verbot und Präventionsmaßnahmen. Beides muss Hand in Hand gehen.

Ich will jetzt kurz daran erinnern: Was waren denn die Auslöser für uns als CDU-Fraktion, zu sagen, dass wir da etwas verändern müssen? Wir haben Alarmsignale empfangen, z. B.: 30 % der jugendlichen Straftäter stehen unter Alkoholeinfluss. Bei Widerstandsdelikten gegen die Staatsgewalt, also gegen Polizeibeamte, sind sogar 70 % alkoholisiert. 2007 lag bei 64 % der alkoholbeeinflussten Gewaltdelikte die Tatzeit zwischen 22:00 und 5:00 Uhr.

Für mich ist ein weiteres wichtiges Argument – das lesen Sie auch in den Medien –: Wir haben eine enorme Zunahme der Zahl der stationären Krankenhausaufenthalte von Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 20 Jahren. Ich habe schon im April gesagt – das wiederhole ich heute gern noch einmal –: Man muss sehen, wie viel Geld wir als Gesellschaft in diesem Bereich ausgeben. Es sind 30 Millionen €. 20 000 Fälle waren es vor zwei Jahren; ich gehe jede Wette ein, dass es heute schon 25 000 Fälle sind. Wenn ich da nur pro Krankenhausaufenthalt 1 500 € veranschlage – da ist der Rettungswagen noch gar nicht dabei, den man oft braucht –, sind 30 Millionen € weg. Ich plädiere sehr dafür, dass wir auf Bundesebene die Kraft aufbringen, diese Ausgaben ersatzpflichtig zu machen. Wir müssen hier die Eltern in die Pflicht nehmen. Blaue Briefe, alles recht und schön.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Die Kosten gar nicht erst übernehmen!)

Aber wenn es dann Geld kostet, dann führt das für uns zu Einsparungen. Das rüttelt auf und macht auf das Problem aufmerksam.

Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, der sehr aktuell ist, nämlich die Situation in Freiburg. Ich persönlich – man muss Urteile hinnehmen – war von dem VGH-Urteil nicht begeistert. Aber eines ist mir aus der Situation in Freiburg klar geworden: Wir müssen den Kommunen eine Rechtsgrundlage an die Hand geben. Dafür bin ich sehr. Denn es geht nicht nur um Freiburg, sondern das Problem zieht sich durch die ganze Republik hindurch

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Klar!)

bis zur Reeperbahn. Wir müssen eine gesetzliche Grundlage schaffen, damit die Kommunen dies machen können, denn es war wirksam. Dafür möchte ich mich in jedem Fall einsetzen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Noch einmal zu dieser Einschränkung des Alkoholverkaufs zwischen 22:00 und 5:00 Uhr. Für mich ist eines klar – und das ist ein Stück weit auch logisch –: Wenn ich eine Zeit lang die Chance minimiere, Alkohol zu kaufen, wird sich auch das Problem minimieren, das ich vorhin beschrieben habe. Jetzt kann man darüber philosophieren, ob wir da zu weit gehen oder nicht weit genug gehen und noch vor 22:00 Uhr ansetzen sollten. Wir haben einen Vorschlag gemacht; mit dem treten wir an.

Mir ist eines klar – wir haben in vielen Gesprächen, etwa in der Anhörung, die die CDU-Fraktion gemacht hat, mit den Betroffenen, auch mit den Tankstellenbesitzern, diskutiert –: Vorrangig werden wir die Tankstellen treffen. Ein Weiteres, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aber auch klar:

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Reisebedarf an Tankstellen muss nicht unbedingt Alkohol sein. Ich kann den Bürgern schlecht erklären, warum als Reisebedarf bei Tankstellen gerade Alkohol verkauft werden muss. Das ist nun wirklich kein Reisebedarf. Insofern – das muss ich sagen – kann man das in diesem Bereich auch vertreten.

(Abg. Jörg Döpper CDU: So ist es!)

Ich will am Schluss noch einmal darauf hinweisen, dass wir in Baden-Württemberg die präventive Arbeit als gleichberechtigte Säule sehen. Wir tun hier auch sehr viel. Ich habe mir als Stichworte – die Zeit reicht nicht aus, um alles noch einmal im Detail darzulegen – Folgendes notiert: das Projekt „HaLT – Hart am LimiT“, Maßnahmen in der Suchtprävention, kommunale Kriminalprävention oder auch den Jugendbereich mit dem Programm „AKKU – Wir laden Projekte“. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die wir im präventiven Sektor machen. Das halte ich für wichtig und für gleich wichtig wie die gesetzlichen Maßnahmen.

Ich komme zum Schluss mit der Aussage, die auch der Innenminister getroffen hat: Lassen Sie uns gelassen an das Thema herangehen. Ich wäre schon zufrieden, wenn wir nach drei Jahren Evaluation auch nur feststellen könnten, dass wir die Kurve, die in den letzten Jahren so besorgniserregend nach oben ging, abflachen konnten. Dann hätten wir schon viel gewonnen. Ich bin gespannt, wie es in drei Jahren aussieht. Wir werden das objektiv bewerten. Ich bin optimistisch und glaube, dass die Maßnahme erfolgreich sein wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Jörg Döpper CDU: Bravo! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bravo!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im April dieses Jahres haben wir in diesem Haus schon einmal über das nächtliche Alkoholverkaufsverbot debattiert. Damals ergab sich eine für das Parlament eher seltene Situation: Während die Opposition den Innenminister darin unterstützte, ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot gesetzlich zu regeln, und vom Minister die immer wieder angekündigte und immer wieder verschobene Vorlage eines Gesetzentwurfs einforderte, lavierte der Vertreter zumindest einer der beiden Regierungsfraktionen bei diesem Thema herum

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Welcher?)

und gab mehr oder weniger eindeutig zu erkennen, dass er ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot nicht wollte.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wer war das?)

Ich zitiere zur Erinnerung den Kollegen Wetzel, der am 23. April ausgeführt hat:

Ich möchte die Situation nicht bagatellisieren, aber wir müssen uns doch fragen: Ist ein generelles Alkoholverkaufsverbot für alle Bürgerinnen und Bürger ab 22 Uhr tatsächlich auch gerechtfertigt?

So nachzulesen im Plenarprotokoll der 65. Sitzung in der 14. Legislaturperiode.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das hat ihm der Frakti- onsvorsitzende aufgeschrieben! – Vereinzelt Heiter- keit)

Herr Mack, das ist ein Thema, über das man eigentlich keine Witze macht.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Man macht hier über alles Witze!)

Sie haben gerade von Ihrem Innenminister und vom Redner der CDU gehört, wie schrecklich die Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen in diesem Land sind.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Die Antwort, lieber Kollege Wetzel, lautet damals wie heute: Ja, das ist gerechtfertigt. Ich hoffe doch sehr, dass der Redner der FDP/DVP nicht wieder wie im April wortreich auf Distanz zu einem Vorhaben geht, für das die FDP/DVP-Minister im Kabinett die Hand gehoben haben.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ja, dafür kann ich nicht garantieren!)

Ich sage das vor allem deshalb, weil die öffentliche Ankündigung des ehemaligen Vorsitzenden der FDP/DVP-Fraktion, er werde dem Gesetz nicht zustimmen, das Schlimmste befürchten lässt.

Es ist schon bizarr genug, dass CDU und FDP/DVP in einer Vereinbarung, für die „Kuhhandel“ noch ein viel zu beschönigendes Wort ist, übereingekommen sind, dass im Gegenzug für die Einführung des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots die Sperrzeiten in Gaststätten verkürzt werden. Da müssen wir uns schon sehr wundern; das sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Um eine sinnvolle Maßnahme zur Einschränkung des Alkoholmissbrauchs durchzusetzen, stimmt die CDU-Seite der Landesregierung einer von der FDP/DVP geforderten Maßnahme zu, die die Möglichkeit des Alkoholmissbrauchs an anderer Stelle wieder ausweitet.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Hört, hört!)

Konzeptions- und prinzipienloser kann eine Landesregierung eigentlich nicht agieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Warum brauchen wir ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot? Wir brauchen es, weil wir nicht länger dabei zusehen dürfen, dass Jahr für Jahr immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wegen Alkoholexzessen medizinisch behandelt werden müssen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das wollen wir auch nicht!)

Wir brauchen es, weil unsere Polizistinnen und Polizisten zunehmend in den Nachtstunden mit alkoholisierten, gewaltbereiten Personen konfrontiert sind.