Protocol of the Session on July 30, 2009

Wir brauchen es, weil unsere Polizistinnen und Polizisten zunehmend in den Nachtstunden mit alkoholisierten, gewaltbereiten Personen konfrontiert sind.

Es besteht unter den Fachleuten weitgehend Konsens, dass die Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol nur e i n e wirksame Methode ist, Alkoholexzesse einzuschränken. Um gleich vorweg auf mögliche Einwände einzugehen: Natürlich hilft ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot allein nicht, …

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Ruhe bitten.

… um diesen Problemen wirksam zu begegnen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Aber es ist ein notwendiger Baustein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In der Begründung zum Gesetzentwurf weist das Ministerium darauf hin, dass im Jahr 2008 bei 61 % der alkoholbeeinflussten Gewaltdelikte die Tatzeit zwischen 22:00 und 5:00 Uhr lag. Rund zwei Drittel aller Tatverdächtigen standen bei Widerstandsdelikten gegen Vollstreckungsbeamte unter Alkoholeinfluss.

Wir haben in den letzten Wochen – das haben sicherlich alle – zahlreiche Zuschriften von Tankstellenpächtern bekommen, die durch das nächtliche Alkoholverkaufsverbot Umsatzeinbußen befürchten und diesem Verbot deshalb ablehnend gegenüberstehen. Natürlich nehmen wir als SPD-Fraktion die Sorge der Tankstellenpächter ernst. Aber in der Abwägung und angesichts der Größe des Problems müssen die Belange des Gesundheitsschutzes und der öffentlichen Sicherheit Vorrang haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist doch keine Frage!)

Im Übrigen zeigen unsere Nachbarländer Frankreich, in dem es für Tankstellen bereits seit 1991 ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot gibt, und die Schweiz, wo auch seit mehreren Jahren ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot besteht, dass es dort nicht zu einem Ruin der Tankstellen gekommen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das nächtliche Alkoholverkaufsverbot ist ein Baustein zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs. Ich fordere die Landesregierung jedoch auf, dabei nicht stehen zu bleiben. Wir brauchen ein Gesamtkonzept zur besseren Prävention und zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

(Abg. Walter Heiler SPD: Ja!)

Gefordert sind natürlich auch die Eltern, die ihre Erziehungsverantwortung wahrnehmen müssen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja, natür- lich! An erster Stelle!)

Die Schulen sind gefordert, das Thema Alkohol im Unterricht aufzugreifen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist schon längst in allen Lehrplänen!)

und gefordert sind auch die Einrichtungen der Suchthilfe und der Suchtprävention …

(Glocke der Präsidentin)

Ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

… – ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin –, die Kinder und Jugendliche in einer Sprache, die sie auch verstehen, über die Folgen von Alkoholmissbrauch aufklären müssen, und die Polizei und die Ordnungsämter, die genau hinschauen müssen, wenn Jugendliche in der Öffentlichkeit Alkohol konsumieren.

Dafür brauchen wir sicher auch eine Änderung des Polizeigesetzes. Ich hoffe, dass die Landesregierung das relativ schnell auf den Weg bringt. Die Polizei und die Ordnungsämter sind gefordert, ganz genau hinzuschauen. Notwendig ist natürlich auch, dass Wirte und Ladenbesitzer auf die strikte Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen achten.

Die SPD begrüßt deshalb den Gesetzentwurf der Landesregierung, und meine Fraktion wird diesem Gesetz im Ausschuss und in der zweiten Lesung zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch für die Fraktion GRÜNE.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Frau Lösch trägt heute schön Grün!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den vergangenen Jahren hier im Plenum sehr einvernehmlich über das Thema Alkoholmissbrauch diskutiert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Alkohol ist die Droge Nummer 1, an deren Folgen jährlich 150 000 Menschen sterben. Die Zahl der Menschen, die alkoholbedingt im Krankenhaus behandelt werden – das hat der Innenminister vorhin auch gesagt –, hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen, bei Jugendlichen sogar um 65 %.

Wichtig ist aber, darauf hinzuweisen, dass Alkoholmissbrauch kein reines Jugendproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das man mit den entsprechenden Maßnahmen angehen muss.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Die Menschen, die alkoholbedingt ins Krankenhaus eingeliefert werden, sind vor allem Jugendliche. Aber wenn Sie sich die Zahlen anschauen, sehen Sie, dass diese auch bei den über 60-Jährigen angestiegen sind. Das heißt, das Thema „Umgang mit Alkohol“ ist ein Thema, das alle Generationen angeht. Die Präventionsangebote müssen daher zielgruppenspezifisch zu geschnitten sein.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Man kann ja auch genießen!)

Wichtig ist: Es geht hier nicht um die Verteufelung des Alkohols oder um die Forderung nach Abschaffung alkoholischer

Getränke. Aber man darf auch nicht immer so tun, als wäre Alkohol harmlos. Komasaufen und Rauschtrinken sind keine Kavaliersdelikte.

Aber es muss in puncto Aufklärung und Sensibilisierung ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, um dies zu erkennen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

Die Erfahrungen aus der Suchtarbeit zeigen, dass für eine gezielte Reduzierung des Alkoholkonsums verschiedene Maßnahmen notwendig sind, ein – wie man sagt – Policy Mix,

(Abg. Peter Hofelich SPD: Großartig! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Oh! Schön haben Sie das ge- sagt!)

bestehend aus gezielten Präventionsangeboten, Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes, Bestärkung der Eltern und Freunde in ihrer Vorbildfunktion, Reduzierung der Verfügbarkeit von Alkohol und natürlich rechtlichen Änderungen im Gaststättengesetz.

Wir Grünen haben seit 2007 eine Änderung des Gaststättengesetzes mit dem Verbot von Flatrateangeboten gefordert. Nun ist das mit Artikel 2 Teil des Gesetzentwurfs, was wir auch befürworten.

Trotz alledem können wir dem heute vorliegenden Gesetzentwurf so nicht zustimmen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Oh Frau Lösch!)

Kollege Röhm, weil damit das eigentliche Ziel des Gesetzes nicht erreicht wird.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Hat das Herr Mou- ratidis verfügt?)

Ziel des geplanten Gesetzes ist es, Kollege Noll,

... alkoholbeeinflussten Straftaten und Ordnungsstörungen im öffentlichen Raum während der Nachtzeit entgegenzutreten sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen, die mit einem übermäßigen Alkoholkonsum … verbunden sind.

Nun haben alle Gespräche mit den Expertinnen und Experten gezeigt, dass ein Verkaufsverbot von Alkohol zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr wenige bis fast gar keine Effekte hat, da sich vor allem die Jugendlichen lange vorher eingedeckt haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das heißt, Sie wol- len ein früheres Verbot?)

Genau. – Somit ist der zeitliche Rahmen der Zugangsbeschränkung ungeeignet, die gewünschten Effekte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erreichen. Einem Gesetz, das alle nur als ein gutes Zeichen wahrnehmen, das einen reinen Symbolcharakter hat, ein reines Placeboangebot ist, das wenig bewirkt, können wir nicht zustimmen.

(Beifall bei den Grünen)