Protocol of the Session on July 29, 2009

Trotzdem muss man ganz realistisch sagen, dass die Österreicher, wie ich meine, zu Recht eine pragmatische Vorgehensweise gewählt haben, indem sie hinsichtlich der Frage der GVO-Freiheit des Saatguts, wie auch sonst überall üblich, eine klar definierte Schwelle setzen.

Wir haben bundesweit und auch europaweit zum Teil einen Streit darüber, wie hoch diese Schwelle gelegt werden soll. Da gibt es Überlegungen, den Schwellenwert, wie in anderen Bereichen, auf 0,9 % festzusetzen; das ist ja auch der Wert, der in der Frage der Verunreinigungen hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht von GVO-haltigen Lebensmitteln und dergleichen mehr favorisiert wurde, wobei die Landesregierung immer dafür eingetreten ist, dass wir bei Saatgut zwar einen Schwellenwert brauchen, aber einen strengeren oder sogar einen sehr strengen Schwellenwert, weil da ja auch Unternehmenszielsetzungen tangiert sind.

Eine Unternehmenszielsetzung kann z. B. heißen: Ich bin Bio bauer und kann und will deshalb auch kein GVO-verunrei nigtes Saatgut einsetzen. Wenn man dieses Unternehmensziel hat, dann gilt das Thema Koexistenz eben gleichermaßen auch für den Biobauern. Das heißt, er darf in seiner unternehmerischen Zielsetzung nicht beeinträchtigt werden.

Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen strenge Zielsetzungen und strenge Schwellenwerte. Daran scheitert bisher noch eine Einigung, weil wir uns in der Vergangenheit für einen strengen Schwellenwert entsprechend dem österreichischen Vorbild, nämlich bei 0,1 %, eingesetzt haben.

Man muss allerdings eines hinzufügen: Hätten wir diesen Schwellenwert, wären auch die Spurenfunde, die allenthalben unterhalb dieses Schwellenwerts lagen, nämlich im Regelfall bei 0,03 %, im Prinzip nicht weiter behandelt und beobachtet worden. Dann hätte man auch nicht gegengecheckt und weiterkontrolliert, weil sie alle unterhalb des Schwellenwerts lagen und damit als gentechnikfrei gelten.

Dann gibt es – das will ich als Letztes noch anfügen – noch die Befürchtung: Was passiert denn, wenn jetzt 40, 50 oder 80 gentechnisch veränderte Maispflanzen von 80 000 Pflanzen pro Hektar draußen sind? Wie vermehren die sich dann? Wir gehen – Stand heute – noch immer davon aus – das scheint auch so zu sein –, dass die Vermehrung rezessiv erfolgt. Das heißt, im Zuge der Kreuzung und der weiteren Auskreuzung werden die eingekreuzten Gene immer seltener, bis sie dann natürlicherweise wieder verschwunden sind, sodass die Gefahr einer Anreicherung – das ist ja die andere Seite der Befürchtung – am Ende nicht gegeben ist.

Vielen Dank, Herr Minister.

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abg. Winkler das Wort.

Herr Präsident, sind Sie sicher? Ich bin jetzt zum dritten Mal am Mikrofon.

(Heiterkeit)

Wenn Sie so weitermachen, ist Ihre Redezeit gleich vorbei. Dann kommt der Nächs te dran.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Herr Minister, ist es nicht so, dass der Hersteller oder Inverkehrbringer des Saatguts eine eigene Analyse durchführen muss und diese Werte selbst feststellen müsste? Frage: Warum nicht? Sind ihm da Versäumnisse vorzuwerfen?

Die zweite Frage: Welche Kosten entstehen den Landwirten, die dieses Saatgut jetzt ausgebracht haben?

Bitte, Herr Minister.

Zunächst einmal zum Stichwort „Versäumnis der Hersteller“. Das kann man natürlich im Nachgang nicht in allen Bereichen verifizieren. Nur eines ist natürlich klar: Der Hersteller hat ein großes Interesse daran, dass das Saatgut, das er liefert, auch dem entspricht, was draufsteht, zumal er auch andere Möglichkeiten hat. Er könnte MON 810 z. B. problemlos nach Tschechien oder wohin auch immer liefern. Das hätte er auch gemacht, hätte er gewusst, was drin ist.

Ich gehe davon aus – das Gegenteil ist nicht bewiesen; das haben auch unsere Untersuchungen ergeben –, dass die Eigenkontrolle der Saatguthersteller vorhanden ist. Ich nenne Ihnen aber auch ein Beispiel: Bei einer Sorte, nämlich Krassus, bei der die Sachsen Ende April einen Fund gemeldet haben, gab es Untersuchungen in Rheinland-Pfalz, zufällig von derselben Charge, und Untersuchungen bei uns auf dem Augustenberg in Karlsruhe, zufällig von derselben Charge. Dieselbe Charge ist dann Ende April von den Sachsen noch einmal getestet worden. In zwei Untersuchungen, nämlich in RheinlandPfalz und Baden-Württemberg, hat man nichts gefunden, und in Sachsen haben sie tatsächlich einen Zufallsfund gemacht.

Weil wir im Spurenbereich liegen, sind wir eben in einem Sektor, in dem es von einer Zufälligkeit und gar nicht mehr von systematischen stichprobenartigen Messmethoden abhängt, ob man überhaupt noch etwas findet. Da spielt der Zufall eine große Rolle.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie bei den Watte- stäbchen! – Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Minister.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Die zweite Frage! Zu den Kosten!)

Die Kosten.

Zweite Frage: Kos ten.

Also, zu den Kosten: Die Untersuchungen, die wir machen, machen wir ja routinemäßig. GVO-Untersuchungen sind aufwendig; legen Sie mich nicht fest, wie hoch die Kosten hierfür sind. Wenn Sie wollen, erhalten Sie die Angabe schriftlich oder auch mündlich von mir nachgereicht.

Wir machen das aber im Interesse des Verbraucherschutzes und natürlich auch im Interesse des Schutzes der Landwirt

schaft, weil Mais, der keine GVO-Bestandteile enthält, derzeit an den Märkten einen gewissen Preisvorteil erzielen kann. Deshalb haben die Landwirte selbst auch ein Interesse daran, dass sie Mais säen, der GVO-frei ist.

Vielen Dank. – Eine weitere Frage des Herrn Abg. Dr. Murschel.

Ich würde gern auf meine ersten Fragen zurückkommen, die ich als nicht beantwortet ansehe.

Ich hatte gefragt, in welcher Größenordnung und wo Mais der Sorte MON 810 ausgesät wurde. Ich weiß sehr wohl, dass das Verbot von Frau Aigner erst am 17. April und die Aussaat vielleicht eine Woche vorher erfolgte und es damit auch möglich war, diesen Mais auszubringen. Aber angesichts dessen, dass da nur wenige Tage dazwischen liegen, hätte doch vielleicht auch der Landesregierung dämmern müssen, dass man dort hätte reagieren sollen. Also noch einmal die Frage: Wo ist der MON 810 geblieben?

Und die zweite Frage, auf die Sie nicht eingegangen sind: Was ist jetzt Fakt? Wurden die Nachbarbetriebe schon Mitte Mai informiert, als die Landwirte die Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben haben, oder trifft es zu, dass es erst Mitte Juli eine Information gab, wie es der Presse zu entnehmen war?

Bitte, Herr Minister.

Herr Kollege Dr. Murschel, um es noch einmal klarzumachen: Das BVL, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, hat am 17. April angeordnet, dass das Maissaatgut der Sorte MON 810 nicht mehr angebaut werden darf. Damit ruhte ab diesem Tag die Genehmigung zum Inverkehrbringen dieser Maissorte. Solange die Genehmigung ruht, ist das MON 810 rechtlich so gestellt wie ein nicht zum Anbau zugelassener GVO. Das betrifft auch die Partien herkömmlichen Saatguts mit Verunreinigung durch MON 810.

Allerdings war durch die witterungsbedingt frühe Aussaat von Mais im Jahr 2009 ein großer Teil des Saatguts mit Spuren von MON 810 zum Zeitpunkt der Ruhensanordnung bereits ausgesät. Das Inverkehrbringen und die Aussaat erfolgten somit komplett legal, denn MON 810 hatte bis zur Ruhensanordnung eine Zulassung zum Anbau, durfte also auch angebaut werden.

Wir haben bundesweit 15 Saatgutpartien auf MON-810-Spuren getestet. Nach Information des MLR wurden wegen MON810-Spuren bundesweit weder Rückholaktionen gestartet noch Flächen umgebrochen. Behördliche Maßnahmen wären auch unverhältnismäßig gewesen. Maßnahmen gemäß § 26 des Gentechnikgesetzes zur Beseitigung von Verstößen hätten wohl nicht rechtsfehlerfrei ergriffen werden können.

Das kann ich aber nur in Vertretung der zuständigen Behörde, des Umweltministeriums respektive des Regierungspräsidiums Tübingen, sagen.

Was die Frage der Information der Betriebe angeht, muss ich Sie ebenso an die Kollegin Gönner verweisen. Die Betriebe wurden mit Sicherheit informiert, soweit wir wussten, wo

GVO-verunreinigter Mais angebaut war. Es gab, wie Sie wissen, ja auch Chargen, die – übrigens völlig legal, weil es sich um Kleinmengen handelte – nicht mit einer Chargennummer bezeichnet waren. Das ist völlig legal. Wir haben daraufhin eine Bundesratsinitiative zur Änderung dieser Kleinmengenregelung gestartet. Wir wissen gar nicht, wo diese Kleinmengen letztendlich überhaupt ausgebracht waren.

(Unruhe – Abg. Reinhold Gall SPD: Herr Präsident!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Pix.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sieht die Landesregierung die erforderliche Neutralität als gewährleistet an, wenn die Probennahme und Untersuchung des Aufwuchses benachbarter Flächen von der Firma KWS MAIS GmbH organisiert wird, von der das entsprechende Saatgut NK 603 selbst stammt, wie vom Regierungspräsidium am 16. Juli 2009 mitgeteilt wurde?

Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass nach der am 17. April ausgesprochenen Aussetzung der Anbaugenehmigung für MON 810 durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Neubewertung und eine Rückrufaktion für die am 10. April 2009 bekannt gewordenen MON-810-Funde hätte erfolgen müssen, und, wenn nein, warum nicht?

(Abg. Volker Schebesta CDU: Jetzt wird auch bei der Regierungsbefragung abgelesen! – Unruhe)

Herr Minister, Moment bitte!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Regierungsbefragung, keine Unterhaltung untereinander.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Jawohl! Nicht bei uns! – Zurufe: Bravo! – Unruhe)

Ob spannend oder nicht, man muss schon noch hören, was der Minister sagt.

Bitte, Herr Minister.

Vielen Dank für das freundliche Entgegenkommen.

Bezüglich der Frage, was man seit dem 17. April hätte tun können, verweise ich auf meine vorherigen Ausführungen. Ich habe vorhin dargestellt – deshalb wiederhole ich mich hier nicht –, dass eine Rückrufaktion nach Auffassung der Behörden unverhältnismäßig gewesen wäre, weil bis zum 17. April eine Zulassung und Genehmigung zur Aussaat bestand. Laut dem Geschäftsverteilungsplan der Landesregierung ist das MLR nicht zuständig. Ich kann mich nur auf das berufen, was die Behörden hieraus juristisch geschlossen haben.

Die Frage ist beantwortet. Vielen Dank. – Frau Abg. Dr. Splett.