Gefragt wurde auch, wo der Volksaufstand stattfand und wo bis 1987 die Todesstrafe im Gesetz verankert war. Dass die Antwort „DDR“ war, glaubten nur 17 % der Schüler in den neuen und 26 % der Schüler in den alten Bundesländern. Aus mangelndem Faktenwissen ergibt sich ein Geschichtsbild der DDR, das keinerlei Maßstäbe für eine Unterscheidung zwischen Demokratie und Diktatur hat. Das ist sehr erschütternd.
Ganz problematisch ist: Nach einer neuen Umfrage wollen 40 % der Ostdeutschen dem Sozialismus eine neue Chance geben, und sogar 50 % wünschen sich die Errungenschaften der DDR zurück. 40 Jahre Unfreiheit, Unterdrückung und Bespitzelung reichen offenbar nicht aus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders problematisch wird die Situation aber dadurch, dass führende SPDPolitiker zwischenzeitlich die DDR-Diktatur verharmlosen, verniedlichen und folklorisieren.
Im Übrigen wird eine Fortsetzung der von mir soeben zitierten Studie von Professor Dr. Klaus Schroeder von einigen SPDLändern bewusst boykottiert. Die Bundesländer Brandenburg, Berlin und auch Rheinland-Pfalz beteiligen sich nicht an der Studie. Gründe dafür weiß ich nicht.
wenn der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, öffentlich behauptet, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Wörtlich, so der Ministerpräsident – ich zitiere –:
Ich verwahre mich aber dagegen, die DDR als den totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab.
Ganz ähnlich äußerte sich die SPD-Bundespräsidentenkandidatin Frau Gesine Schwan. Sie meinte kurz vor der Wahl, sie lehne die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ für die DDR ab, weil dieser Begriff diffus sei. Der Begriff – ich zitiere –
… impliziert, dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen.
relativiert die Rolle der SED. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SED war nicht „federführend“. Sie war der Diktator und hat diktiert, was die sogenannten Blockflöten machen mussten. Das war nicht „federführend“, sondern sie hat bestimmt, was los ist. Aus diesem Grund stimmen wir der Ziffer 1 dieses Änderungsantrags nicht zu.
(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: Ihre Bindungen möchten Sie wieder ausblenden! – Ge- genruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)
(Abg. Ute Vogt SPD: So eine Heuchelei! – Zurufe – Gegenruf des Abg. Alfred Winkler SPD: „Politische Vergewaltigung“?)
unangenehme und schlechte Erlebnisse zu verdrängen und zu vergessen und die guten zu verklären. Selbstverständlich denken die meisten Menschen, wenn sie zurückdenken, an Gutes und verdrängen Schlechtes. Doch auch solche positiven Erinnerungen können nicht das Unrecht ungeschehen machen, das gleichzeitig anderen, vielleicht auch ihnen selbst, geschehen ist.
Zur Erinnerung ein paar Zahlen zum SED-Staat DDR: 18 Millionen Menschen waren Insassen eines der größten Freiluftgefängnisse der Welt. Wer die innerdeutsche Grenze unerlaubt passieren wollte, wurde erschossen. Beim Versuch, die DDRGrenze zu überschreiten, wurden zwischen 700 und 800 Menschen von Volkspolizisten oder automatischen Schießanlagen erschossen und ermordet. Wer plante, die DDR zu verlassen, wurde wegen des Verdachts der Republikflucht
meist zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Hohenschönhausen und Bautzen lassen grüßen. Die wichtigste Säule im Herrschafts- und Repressionsstaat DDR war die Verweigerung der Reisefreiheit. Der größte Arbeitgeber der DDR war die Stasi.
Bei ihr waren 1989 rund 91 000 Menschen beschäftigt, und zwar hauptamtlich. Hinzu kam ein ganzes Heer von Informanten, die sogenannten inoffiziellen Mitarbeiter, IMs, deren Zahl teilweise bis auf 180 000 Menschen gesteigert wurde.
Rechtsstaatliche Prinzipien wurden uns nur vorgespielt. Die Gerichte wurden durch SED und Stasi manipuliert. Unabhängige Richter gab es nicht.
Die DDR-Gerichte fällten bis 1987 in politischen Verfahren 209 Todesurteile; davon wurden 142 vollstreckt. Für insgesamt 33 755 Menschen endete das Gefängnis mit einem Freikauf durch die Bundesrepublik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss schon ein nachgiebiges und großzügiges Verständnis für die DDR haben oder auf dem linken Auge blind sein, um angesichts dieser erschütternden Fakten die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ noch heute in Zweifel zu ziehen.
Was war die DDR denn sonst außer einem Unrechtsstaat? Etwa ein kleiner Unrechtsstaat, ein bisschen Unrechtsstaat? Selbst wenn die Kinderbetreuung gut war, die DDR – vorgetäuschte – Vollbeschäftigung hatte, die Mieten günstig waren, die Menschen sich gegenseitig geholfen haben, wird aus einem Stasi-Überwachungsstaat noch lange kein Rechtsstaat.
(Abg. Ute Vogt SPD: Das behauptet doch auch gar niemand! Machen Sie doch nicht so einen Popanz! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
Es ist dringend erforderlich, dass es bei uns in Schule und Gesellschaft eine intensive Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur gibt. Wir müssen allen Menschen in Deutschland den Unterschied zwischen einer Diktatur und einer Demokratie klar und verständlich machen.
Wer hier die Grenzen verwischt, gefährdet unseren Rechtsstaat und damit unsere Freiheit. Ein verzerrtes Bild von der DDR, gerade bei jungen Menschen, unterwandert unsere Demokratie. Ich bin daher unserem Kultusminister Helmut Rau sehr dankbar dafür, dass er in unseren Schulen das Wissen über die DDR stärken will.
Dies hat er bereits in der Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP angekündigt, und es wird nunmehr umgesetzt. Danach hat der Kultusminister alle Schulen aufgerufen, die DDR-Geschichte an Projekttagen zum Gegenstand des schulischen Lernens zu machen.
Der Kultusminister hat das neue Internetportal „Die DDR im Unterricht“ eingerichtet, das Lehrkräften kostenlose Unterrichtsmaterialien und Informationspakete bietet. Der Kultusminister hat landesweite Fortbildungskampagnen zum Thema „20 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR“ gefordert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich können die Schulen nicht alles leisten. Die Aufklärung über beide Diktaturen auf deutschem Boden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir alle sind aufgerufen und gefordert, unsere Kinder und Enkel über unsere Geschichte zu informieren und zu unterrichten. Nur wenn wir unsere Vergangenheit kennen, können wir auch unsere Zukunft gestalten. Sorgen wir also dafür, dass wir alle unsere Vergangenheit so wahrnehmen, wie sie war, und nicht so, wie wir sie uns wünschen. Und lassen Sie es dabei: Die DDR war vom Anfang bis zum Schluss ein Unrechtsstaat!