Protocol of the Session on July 9, 2009

Das G 8 ist dort überhaupt kein politisches Thema.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wo noch, Herr Schmie- del?)

Es ist kein Streitthema. Denn die, die das machen, haben sich dafür entschieden. Dann ist es okay.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wo noch?)

Wir wollen nicht zum G 9 für alle zurück. Wir respektieren, dass es einen erheblichen Teil gibt,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

nämlich ein Viertel, die sagen: „Das G 8 ist gut.“ Aber Sie ignorieren,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

dass fast drei Viertel – in dem konkreten Fall exakt drei Viertel – der Eltern eine Wahlmöglichkeit wollen. Die Lehrer wollen es, die Kommunen wollen es. Sie ignorieren das. Sie sagen: „Wir bestimmen das. Ihr habt euch in unser Raster einzufügen. Wir wissen besser, was gut für euch ist.“ Wir dagegen sagen: Wir reden mit den Menschen, wir gehen auf sie zu, wir betreiben eine dialogorientierte Politik und greifen dies auf.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Sie versprechen alles, was die hören wollen!)

Heute haben Sie die Chance, eine Kehrtwende einzuleiten.

(Beifall des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)

Wenn Sie das nicht machen, dann – das sage ich noch einmal – schauen die Zahlen Sie an. Dann bekommen Sie das zurück.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

(Zurufe von der CDU: Oi! – Abg. Stefan Mappus CDU: Na super!)

Ich spüre schon Ihre Vorfreude, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Gymnasien in BadenWürttemberg haben das G 8 gut umgesetzt,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Prima!)

und viele Gymnasien sind auf dem Weg dahin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Insgesamt zeigen aber alle Gespräche mit den Eltern und mit den Schülerinnen und Schülern, dass selbst bei einer guten Umsetzung des achtjährigen Gymnasiums vor Ort die zeitlichen Belastungen der Kinder gegenüber dem neunjährigen Gymnasium deutlich zugenommen haben und dass auch die Leistungsanforderungen insbesondere in den ersten Jahren – die Verkürzung hat weitgehend in der Unterstufe stattgefunden – gewachsen sind.

Selbst bei einer guten Umsetzung stellen wir also in den Gesprächen, vor allem auch mit den Schulklassen – ich habe mit sehr vielen Schülern und Schülerinnen des achtjährigen Gymnasiums gesprochen und habe auch mit vielen Eltern, mit Lehrkräften und Schulleitungen gesprochen –, Folgendes fest: Ein Teil der Schüler und Schülerinnen haben im achtjährigen Gymnasium keine Probleme und können die Leistungsanforderungen gut bewältigen. Ein weiterer Teil der Schülerinnen und Schüler brauchen zusätzliche Unterstützung und Hilfestellungen; das sind diejenigen, deren Eltern zu Hause extrem viel Zeit zum Üben mit ihnen aufwenden müssen, und das sind auch die Kinder, die zunehmend professionelle Nachhilfe institute in Anspruch nehmen müssen. Schließlich gibt es Schüler und Schülerinnen, die sich in großem Stress befinden, die Schwierigkeiten haben, dem Stoff zu folgen, die zwar das Potenzial mitbringen, aber eigentlich eine längere Lernzeit benötigen, um dann ein gutes Abitur ablegen zu können.

Das ist die Situation. Wenn wir dazu jetzt noch sehen, dass wir eine Übergangsquote auf das Gymnasium von 40 % haben und dass sogar 47,5 % der Viertklässler eine Gymnasialempfehlung bekommen, dann zeigt sich, dass wir einen hohen Anteil an Kindern haben, die das Potenzial dafür haben, im Gymnasium das Abitur zu machen, aber dass es angesichts der festgestellten Heterogenität nicht geht, ein Einheitsmodell mit einer Gymnasialzeit von acht Jahren für alle durchzuführen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das ist genau der Punkt: Ein Einheitsmodell funktioniert nicht.

Wenn wir, Herr Kultusminister Rau, zudem noch sehen, dass die Zahl derjenigen, die ihr Abitur außerhalb des Gymnasiums erreichen, sehr hoch ist – ein Drittel der baden-württembergischen Schüler machen das Abitur in anderen Bildungseinrichtungen –, dann wird klar, dass viele Schüler die Möglichkeit haben, erst nach neun oder zehn Jahren, zum Teil so

gar auch erst als junge Erwachsene im Abendgymnasium zum Abitur zu kommen. Wenn gesagt wird, für das allgemeinbildende Gymnasium sei eine Schulzeit von acht Jahren der Standard, dann trifft das schon deshalb nicht zu, weil viele Schüler Klassen wiederholen oder die Schule verlassen und andere Bildungsgänge einschlagen.

Wir fragen also: Warum ist es angesichts der Heterogenität der Kinder und des daraus entstehenden unterschiedlichen Bedarfs nicht möglich, den Schülern zu ermöglichen, ihre Potenziale zu entfalten?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das kann man doch!)

Warum ist es nicht möglich, einfach mehr Flexibilität im Bildungswesen anzulegen?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Vor diesem Hintergrund steht nun der gemeinsame Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE. Es gibt in Baden-Württemberg ein einziges Gymnasium, das mit seiner Schulgemeinschaft einvernehmlich gesagt hat – auch der Gemeinderat und der Bürgermeister konnten hierfür gewonnen werden –: Lassen wir doch für diese Kinder, die mehr Lernzeit brauchen, im Rahmen eines Schulversuchs – das ist gar keine generelle Regel – einen neunjährigen Bildungsgang zu, der sich an denselben Bildungsstandards orientiert, der aber insbesondere in der Eingangsphase eine zeitliche Entzerrung ermöglicht und damit den Bildungserfolg der Schüler sichert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht einzig und allein darum, mehr Bildungserfolg für Kinder zu gewährleisten. Deshalb ist der Antrag aus Mosbach ein guter Antrag. Angesichts der Tatsache, dass dort alle hinter diesem Vorhaben stehen, kann es für Sie doch überhaupt keinen Grund geben, einen solchen Schulversuch zu verweigern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen haben noch einen zweiten Antrag eingebracht, der nicht von einer zeitlichen Entzerrung ausgeht, sondern eine andere, zusätzliche Möglichkeit schaffen will, die generell für die Gymnasien bestehen sollte. Dabei geht es um ein Brückenjahr, das nach der Mittelstufe und vor der Oberstufe eingeschoben wird. Herr Kollege Röhm, Sie haben in der letzten Debatte, als dieser Antrag noch gar nicht beraten wurde, gesagt: „Das ist eine gute Initiative, die ich unterstütze.“

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die setze ich be- reits um! Wenn ein Kind länger braucht, bekommt es mehr Zeit!)

Ich wundere mich, dass Ihre Einschätzung jetzt nicht in die Stellungnahme der Landesregierung eingeflossen ist. Denn Sie sind ein Praktiker, und man sollte meinen, dass die Ergebnisse wenigstens der Praktiker aus der eigenen Regierungsfraktion einfließen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich setze um, Frau Rastätter!)

wenn sie schon nicht auf die anderen Schulleiter hört.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das heißt konkret: Das ist doch eine Möglichkeit. Ich habe das wie folgt begründet: Ein solches Brückenjahr betrifft auch wieder nur einen Teil der Schüler, und auch nicht alle Gymnasien werden ein solches Angebot machen, aber das sollte für diejenigen angeboten werden können, die sitzen bleiben,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die haben automa- tisch G 9! – Heiterkeit)

für diejenigen, die Schwächen haben und bei denen die Gefahr besteht, dass sie in der gymnasialen Oberstufe Probleme bekommen, für diejenigen, die aus der Realschule überwechseln wollen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Zweimal sitzen blei- ben: G 10!)

Am Ende dieses Brückenjahrs kann man einen Realschulabschluss machen oder in die gymnasiale Oberstufe eintreten.

Ich finde, wir müssen weg von diesen stigmatisierenden Formen des Ausscheidens von Schülern: sitzen bleiben, Schule verlassen usw. Diese von uns geforderte Form ist eine Alternative, die eine Möglichkeit bietet, ohne Stigmatisierung zu wiederholen, zu vertiefen, Lücken zu schließen und die Ausgangslage für die Oberstufe zu verbessern. Das ist doch eigentlich ein gutes Modell.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist kein Mo- dell! Das richtet sich nach dem einzelnen Schüler! Wozu brauche ich da ein Modell?)

Das betrifft nicht den Bildungsgang des achtjährigen Gymnasiums.

Deshalb bitte ich Sie heute: Stimmen Sie dem Antrag, das „G 8 plus“-Schulmodellprojekt zuzulassen, zu, und geben Sie den Gymnasien auch die Möglichkeit, den Schülern über ein Brückenjahr ohne stigmatisierende Formen zu mehr Bildungserfolg zu verhelfen.

Ich sage abschließend: Ihre Forderung, Herr Kultusminister Rau, mit der Lebenszeit von Kindern verantwortungsvoll umzugehen, ist ein Satz, den Sie von Ihrer Vorgängerin, Frau Schavan, übernommen haben,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Aber der stimmt!)